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Zug

Neuer Partners-Group-Hauptsitz: Baufachleute sind irritiert von Entscheid des Gemeinderats

Dem aussergewöhnlichen Vorhaben im Unterfeld Nord liegt ein einfacher statt ein ordentlicher Bebauungsplan zugrunde. Das Bauforum Zug übt Kritik, der Bauchef zitiert Gesetzespassagen.
Der geplante Komplex mit zwei Gebäuden im Fabrikstil (links und Mitte) und einem begrünten Terrassengebäude. (Bild: Auflagendokumente)
Das Terrassenhaus (A) soll entlang der Nordstrasse entstehen, die zwei Fabriken nachempfundenen Gebäude (B und C) in Richtung Gleise. (Bild: Auflagedokumente)
Das Unterfeld ist ein Grenzgebiet der Gemeinden Zug und Baar. (Bild: Stefan Kaiser (Baar, 26. Januar 2021))

Raphael Biermayr

Raphael Biermayr

Raphael Biermayr

Der bekannte Vermögensverwalter Partners Group plant, im Nordteil des Baarer Unterfelds einen neuen, markanten Hauptsitz bauen zu lassen. Er ist nach Unternehmensangaben dem Komplex seines US-Sitzes im amerikanischen Denver nachempfunden und weitherum beispiellos: Auf der grünen Wiese sollen zwei Gebäude im Backstein-Fabrikstil des 19. Jahrhunderts sowie ein begrüntes Terrassenhaus entstehen.

Das kürzlich aufgelegene Baugesuch hat das Bauforum Zug auf den Plan gerufen. Der aus zahlreichen lokalen Baufachleuten bestehende Verein hat sich der «Förderung von Baukultur» im Kanton verschrieben. «Dass heute noch eine so wenig dichte, homogene Nutzung geplant wird, scheint wenig nachhaltig», sagt der Bauforum-Präsident Oliver Guntli und ergänzt:

«Die Zeit, in der Firmen ihre Corporate Identity durch besondere Bauwerke zum Ausdruck bringen, ist vorbei.»

Der Baarer Architekt Guntli legt Wert darauf, darzulegen, dass es ihm dabei um Allgemeines geht und nicht um die Firma. «Partners Group ist gut für Baar und soll an dieser Stelle natürlich bauen dürfen», sagt er. Der Verein stört sich jedoch am Vorgehen der Gemeinde. Das Bauforum kritisiert, dass diesem Bauprojekt kein ordentlicher, sondern ein einfacher Bebauungsplan zugrunde liegt. Dieses erst seit dem Jahr 2019 bestehende Instrument sorgt für einen vereinfachten und schnelleren Prozess für den Bauherrn, wenn dieser von der Einzelbauweise und damit von den üblichen Bauvorschriften abweichen will. Im Gegensatz zu einem ordentlichen Bebauungsplan entfallen beim einfachen Bebauungsplan unter anderem die Pflicht zu einem Wettbewerbsverfahren mehrerer Architekten sowie eine breitere öffentliche Mitwirkung. Die Wahl des Bebauungsplans trifft der Gemeinderat (siehe Box).

Starke Mitwirkung im Nachbargebiet

Nach der Einschätzung des Bauforums wird das Projekt im Unterfeld Nord den Anforderungen an einen solchen Plan grundsätzlich nicht gerecht. Denn wer von der Einzelbauweise abweichen will, muss nach dem kantonalen Planungs- und Baugesetz unter anderem den Nachweis erbringen, dass eine «besonders gute architektonische Gestaltung der Bauten und Anlagen sowie der Freiräume» sowie eine «besonders gute städtebauliche Einordnung in das Siedlungs- und Landschaftsbild» vorliegt. Vor allem Letzteres ist nach Guntlis Meinung nicht gegeben.

Auch die Architektin und Raumplanerin Claudia Castro, die ebenfalls im Vorstand des Bauforums sitzt, äussert sich besorgt. Die Wahl eines einfachen Bebauungsplans «ist vor dem Hintergrund des sehr aufwendigen Verfahrens im Unterfeld Süd unverständlich», sagt sie. Sie hätte sich auch für den nördlichen Teil ein «vergleichbares qualitatives Studienverfahren» gewünscht. Auf dem angesprochenen Nachbargebiet des neuen Partners-Group-Hauptsitzes soll – nach langer Vorgeschichte und der entscheidenden Abstimmung im September 2020 – verdichtet gebaut werden. Unter anderem sind 400 Wohnungen geplant. Das Bauforum lobt den Mitwirkungsprozess, in den mehrere Mitglieder involviert waren. Im Unterfeld Nord ist es hingegen aussen vor.

Woran stört sich der Verein konkret? «Es wird eine Chance verbaut», sagt Oliver Guntli.

«Die Anordnung und Form der Gebäude in dieser Quartiertypologie verunmöglicht es, zu einem späteren Zeitpunkt ein Weiterbauen zu ermöglichen. So müsste im Fall eines Wachstums der Firma möglicherweise eine weitere grüne Wiese überbaut werden.»

Ausserdem kritisiert das Bauforum die Sprache der geplanten Bauten. Die beiden «Pseudo-Fabrikgebäude» seien «historisierend und ortsfremd». Es gebe dort keinerlei Industriegeschichte, die dadurch aufgegriffen wird.

Für die einen Randgebiet, für die anderen Einfallstor

Man könnte einwerfen, dass diese Überlegungen im Gebiet Unterfeld im Nirgendwo zwischen Baar und Zug nicht allzu wichtig wären. Es macht den Eindruck, als handelte es sich dort und im angrenzenden Gewerbegebiet Neuhof schon heute um einen offenen Raum für Bauexperimente. Diese Gegend wird von vielen eher als Nutzungsraum denn als Lebensraum wahrgenommen. Oliver Guntli sagt, dass die Wahrnehmungen der beiden angrenzenden Gemeinden entscheidend seien.

«Baar betrachtet das als Randgebiet, die Stadt Zug als Einfallstor. Dadurch wird sie von einer eigentlichen Naht- zu einer Trennstelle.»

Claudia Castro vermisst ein Agieren des Kantons. Dieser prüfte gemäss Planungsbericht das Richtprojekt im Rahmen einer Bauanfrage. «Das ist eine Chance für eine gemeinsame Gebietsförderung, wie sie der Kanton Zug anstrebt», ergänzt Claudia Castro, die sich im Unterfeld Nord «eine identitätsstiftende Bausprache in einem städtebaulichen Kontext» wünscht.

Den Rechtsweg beschreitet das unpolitische Bauforum Zug nicht. Weder gegen das bis vor kurzem aufgelegene Baugesuch der Firma hätte der Verein Einsprache erhoben noch werde er das gegen den bis zum 22. Februar aufliegenden einfachen Bebauungsplan tun. Claudia Castro sagt: «Wir sehen das nicht als unsere Aufgabe an.» Vielmehr gehe es dem Bauforum darum, die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, «dass die verfügbaren Planungsmittel zum beabsichtigten Zweck eingesetzt werden sollen und Baukultur eingefordert werden muss».

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