notifications
Luzern

Neue Studien zeigen die Auswirkungen der Zweitwohnungs-Initiative auf Tourismusgebiete

Die Hochschule Luzern hat die Auswirkungen der Zweitwohnungs-Initiative untersucht. Betroffen sind auch Gemeinden im Kanton Luzern. In Flühli macht man sich für eine Revision des Gesetzes stark, um Einschränkungen für Einheimische zu beheben.
Blick auf Sörenberg. Der Zweitwohnungsanteil ist hier sehr hoch. (Bild: Boris Bürgisser)

Dominik Weingartner

Welche Auswirkungen hat die Annahme der Zweitwohnungs-Initiative? Dieser Frage ist die Hochschule Luzern (HSLU) in zwei Studien nachgegangen. Die Schweizer Bevölkerung hat dem Volksbegehren vor zehn Jahren mit einem Ja-Anteil von 50,6 Prozent zugestimmt.

Hauptanliegen der Initiative war es, den Anteil der Zweitwohnungen in den Gemeinden auf 20 Prozent zu beschränken. Damit sollte der Zersiedelung Einhalt geboten, aber auch bezahlbarer Wohnraum für die einheimische Bevölkerung geschaffen werden. Die Gegner der Initiative warnten vor schwerwiegenden Auswirkungen auf die Tourismus- und Baubranche in Schweizer Feriendestinationen und prognostizierten steigende Immobilienpreise.

Regelrechter Preissturz

In ihrer Studie zur Preisentwicklung zeichnet die HSLU ein anderes Bild. Auch wenn Immobilienforscher und Projektleiter Daniel Steffen konstatiert: «Die Zweitwohnungs-Initiative hat natürlich das Potenzial, auf den betroffenen Immobilienmärkten für ernst zunehmende Verwerfungen zu sorgen.» Doch in den ersten Jahren nach der Annahme ist ein Effekt eingetreten, der so nicht erwartet worden war: Bis 2018 habe die Zweitwohnungs-Initiative zu einem Preissturz geführt, schreiben die Studienautoren. «In den Gemeinden, die von der Initiative betroffen sind, sanken die Wohnungspreise zeitweise um satte 16 Prozent», heisst es. Betroffen von der Initiative seien rund 15 Prozent aller Schweizer Gemeinden.

Der Grund dafür dürfte Torschlusspanik gewesen sein. «Die Annahme der Initiative hat zu einer panikartigen Flut an Last-Minute-Baugesuchen geführt», sagt Steffen. Kurz nach dem Ja zur Initiative hätten die betroffenen Gemeinden rund dreimal so viele Baubewilligungen ausgesprochen als im langjährigen Durchschnitt. Das habe wiederum für ein Überangebot gesorgt.

Preise werden weiter deutlich anziehen

Seit 2019 steigen die Preise laut der HSLU-Studie wieder. Das hat auch mit einer erhöhten Nachfrage zu tun. «Seit dem Ausbruch der Coronapandemie sind Wohnungen in den Bergen sehr gefragt», sagt Steffen. Deshalb seien die Preise in den vergangenen zwei, drei Jahren überproportional gestiegen und nun auf dem Niveau, auf dem sie laut Modellrechnungen der HSLU ohne Annahme der Zweitwohnungs-Initiative sein würden.

Die Studienautoren sind sich aber sicher: «Der Baustopp wird in Zukunft dafür sorgen, dass die Preise weiter deutlich anziehen.» Gleichzeitig würde der Anteil an Zweitwohnungen kaum sinken. «Die beiden Ziele, die der Initiative ursprünglich zugrunde lagen – bezahlbarer Wohnraum für Einheimische und Zersiedelungsstopp –, werden im nächsten Jahrzehnt wohl nicht erreicht», glaubt Steffen.

In Flühli leiden auch die Einheimischen

Neben den Seegemeinden Weggis und Vitznau ist im Kanton Luzern vor allem die Gemeinde Flühli, zu der der Ortsteil Sörenberg gehört, von der Initiative betroffen. Der Anteil der Zweitwohnungen in der Gemeinde im Waldemmental beträgt knapp 60 Prozent.

Die Zweitwohnungs-Initiative habe «unerwünschte Auswirkungen», wie Gemeindepräsidentin Hella Schnider-Kretzmähr (Mitte) sagt. Diese würden vor allem Einheimische betreffen. «Wenn jemand sein Haus erweitern will, sind auch sie der 30-Prozent-Einschränkung unterworfen.» Damit spricht Schnider einen Passus im Zweitwohnungsgesetz an, der besagt, dass in Gemeinden, die über einen Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent verfügen, Wohnungen nur um maximal 30 Prozent der Hauptnutzfläche erweitert werden dürfen.

«Das ist sehr einschränkend und damit hat auch niemand gerechnet. Gewisse Baugesuche können wir unter diesen Voraussetzungen nicht mehr bewilligen», sagt Schnider. Flühli hat sich im Rahmen der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Berggebiete für eine Revision dieser Bestimmung starkgemacht. «Das Anliegen ist auf nationaler Ebene platziert. Es wurden auch schon Gespräche mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern geführt.»

Baubranche orientiert sich um

Betroffen sei auch der für Sörenberg sehr wichtige Tourismus. Schnider: «Für die Bauherren ist es eine grosse Herausforderung.» Neue klassische Zweitwohnungen würden kaum mehr gebaut, dafür würden nun touristisch bewirtschaftete Wohnungen erstellt. In ihrer zweiten Studie hat die HSLU die Effekte der Initiative auf diese Bereiche untersucht, die Beherbergungsbetriebe, Bergbahnen und die Bau- und Immobilienbranche. Die Studie wurde im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) verfasst.

Die Untersuchung zeige, dass die Folgen für die Beherbergungswirtschaft gering seien, heisst es. «Die betrieblichen Kennzahlen von Hotelleriebetrieben haben sich durch die Einführung des Baustopps für Zweitwohnungen nicht grundlegend verändert», sagt Studienleiter und Ökonom Stefan Lüthi. Die Investitionsproblematik im Tourismussektor könnte aber durch die Initiative verschärft worden sein. Dies, weil die Hotelbranche seit jeher über den Bau und Verkauf von Zweitwohnungen die Sanierung ihrer Hotels quersubventioniert habe. «Dieses etablierte Finanzierungsmodell ist jetzt eingeschränkt», so Lüthi.

Stärker betroffen sei die Baubranche. Hier fände eine Umorientierung Richtung Talboden statt, wo die Aufträge nicht so stark vom Zweitwohnungsbau abhängig seien. Dieser Prozess befinde sich aber noch in der Entwicklung. Lüthi: «Wir erwarten, dass die Auswirkungen des Zweitwohnungsgesetzes auf die Baubranche noch nicht vollständig sichtbar sind. Noch sind verschiedene Zweitwohnungsprojekte in der Umsetzung. Das Marktvolumen verschwindet aber langsam.» Auf die Bergbahnen hingegen sei der Effekt der Initiative bisher «klein bis sehr klein», hält die HSLU fest.

Kommentare (0)