Lukas Nussbaumer
Lukas Nussbaumer
Der Kanton Luzern zählt 275'000 Hochstammbäume, Tendenz in den letzten Jahren steigend. Nur im Kanton Bern stehen noch mehr dieser aus ökologischer Sicht besonders wertvollen Apfel- und Birnbäume, die vom Bund und den Kantonen mit Beiträgen gefördert werden. Doch nun verbreitet sich die aus Asien vor etwa zehn Jahren in die Schweiz eingeschleppte Pilzkrankheit Marssonina rasant. Befallene Bäume verlieren ihre Blätter vorzeitig. Das führt zu massiven Ertragsausfällen – und langfristig überleben die Bäume diesen Pilz nicht.
Beat Felder gilt als der Hochstammspezialist im Kanton Luzern. Der Verantwortliche für Spezialkulturen am Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung in Hohenrain spricht von einem «echten Problem, das sich akzentuiert, und das gleichzeitig schwierig zu lösen ist». Grundsätzlich sei die Krankheit mit den üblichen Fungiziden gegen Schorf und Mehltau zwar gut bekämpfbar. Doch im Hochstammobstbau lohne sich das mehrmalige Spritzen nicht, und es mache auch keinen Sinn. Vor einer besonderen Herausforderung stünden Bioobstbauern, denen die in konventionellen Betrieben eingesetzten Spritzmittel nicht zur Verfügung stehen würden.
Feuerbrandresistente Sorten sind anfällig auf Marssonina
Guter Rat ist also teuer, zumal Felder und die Fachleute der Forschungsanstalt Agroscope ein weiteres Problem geortet haben: Besonders jene Sorten, die auf die Bakterienkrankheit Feuerbrand wenig anfällig sind, werden besonders stark von Marssonina befallen. Das gilt auch für die in Hausgärten beliebten Apfelsorten Topaz und Rubinola. Eine Bekämpfungsstrategie sei deshalb nun das Testen und die Züchtung von widerstandsfähigen Sorten. Der Kanton Luzern beteilige sich an einem entsprechenden Projekt, so Felder.
Sarah Perren von der Forschungsanstalt Agroscope bestätigt Felders Beobachtungen. Die Verbreitung der Krankheit habe in den letzten zehn Jahren zugenommen. Das werde sich bei einer extensiven Bewirtschaftung von Anlagen und Bäumen «aufgrund der bisherigen Erfahrungen voraussichtlich fortsetzen», so Perren. Bis heute hätten keine resistenten Sorten identifiziert werden können. Es gebe jedoch mehrere Sorten, die weniger anfällig seien, beispielsweise Heimenhofer, Sauergrauech oder Bohnapfel. Wichtig sei, beim Schneiden der Bäume darauf zu achten, dass die Kronen gut belüftet seien, betont die Forscherin. Zu dichte Anlagen und Bäume würden langsamer abtrocknen, was die Entwicklung von Marssonina begünstige.
Rückbehalte sind so hoch wie nie
Als ob die Obstbauern mit Marssonina nicht schon genug Probleme hätten, müssen sie auch noch tiefe Erlöse für ihre Produkte verkraften. Zurückzuführen sind diese auf sehr gute Ernten und den rückläufigen Konsum – schon vor Corona, sagt Beatrice Rüttimann vom Schweizer Obstverband (SOV) in Zug. Derzeit sei die Überversorgung mit Mostobst «so gross, dass es zwei Jahre keine Ernte mehr bräuchte», liess sich SOV-Direktor Jimmy Mariéthoz kürzlich von der «Bauernzeitung» zitieren. Im Kanton Luzern wurden im vergangenen Jahr mehr als 10'000 Tonnen Mostobst geerntet. Das ist deutlich mehr als erwartet und entspricht nach Thurgau und St.Gallen der landesweit drittgrössten Menge (siehe Tabelle).
Die Branche hat sich aus diesem Grund auf historisch hohe Rückbehalte von 13 Rappen pro Kilo Mostäpfel und 11 Rappen pro Kilo Mostbirnen geeinigt. Rückbehalte kommen dann zur Anwendung, wenn die geernteten Mengen den Bedarf und die Lagerbestände überschreiten. Mit ihnen werden Exporte und das Herstellen von Konzentraten oder Fertigprodukten finanziert. So können die Preise im Inland stabil gehalten werden. Diese sind im Übrigen recht gut. Für Mostäpfel lagen sie bei der letztjährigen Ernte bei 24 bis 33 Rappen pro Kilo, für Mostbirnen bei 21 bis 23 Rappen. Für biologisch produziertes Mostobst lösten die Bauern 33 bis 39 Rappen, für Birnen 28 Rappen – ohne Rückbehalte.
Umstellung auf Bio ist keine Alternative
Was also läge näher, als auf Bio umzustellen? Nicht besonders viel, sind sich die Fachleute einig. Erstens haben Bioobstbauern gemäss Beat Felder besonders grosse Schwierigkeiten, Marssonina zu bekämpfen, und zweitens ist laut Beatrice Rüttimann auch dieser Markt gesättigt. Mit welchen Massnahmen Produzenten und Verarbeiter das Überschussproblem lösen wollen, werde derzeit «intensiv besprochen», so Rüttimann. Sie hofft, dass «in den nächsten Wochen» eine Lösung erarbeitet werden kann. In welche Richtung diese gehe, sei offen. Das Produktezentrum Mostobst empfiehlt jedoch, keine neuen Mostobstanlagen zu pflanzen, und ruft dazu auf, die Bäume weiterhin zu pflegen. Zum Ausreissen von Apfel- und Birnbäumen werde nicht geraten, da diese auch einen Beitrag zur Biodiversität leisten würden.
Auch Beat Felder rät Landwirten vom Ausreissen von Hochstammbäumen ab. «Eine oder zwei schlechte Ernten, und die Lager sind wieder leer.» Ausserdem seien viele Obstbauern mit langjährigen Verträgen gebunden. Roden sie ihre Bäume, müssten sie die erhaltenen Beiträge zurückzahlen. Felder hofft auch auf eine Steigerung des Absatzes, insbesondere im Direktverkauf, wo Most gefragt sei.