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Uri

Neue Konzepte bieten Chancen für Älpler

Mit dem Strukturwandel bewirtschaften weniger Betriebe grössere Alpflächen. Diese Alpweiden werden neu unterteilt. Die Weidaufteilung ist zurzeit in der Versuchsphase. Sie dauert fünf Jahre.
Das Alpkonzept erforderte den Bau eines neuen Stalls auf dem Unterstafel Wängi. (Bild: Christof Hirtler.
Die Weiden sind durch Zäune unterteilt. (Bild: Christof Hirtler)
Cornel Werder, Büro Alpe (Beratung für Alpwirtschaft). (Bild: Christof Hirtler)
Karl Riedi, Bewirtschafter Alp Wängi-Chinzertal. (Bild: Christof Hirtler)

Christof Hirtler

Christof Hirtler

Christof Hirtler

Christof Hirtler

70 Prozent der Urner Kantonsfläche, 754 Quadratkilometer Land, gehören der Korporation Uri. Ihr Grundeigentum besteht jedoch zu grossen Teilen aus Wäldern, Bergen und Gletschern, Bächen und Seen, 150Quadratkilometer können als Alpen genutzt werden. Sie haben bis heute eine wichtige Bedeutung für die Urner Landwirtschaft. Während in den Talbetrieben die Heuernte eingebracht wird, sind Kühe, Rinder und Schafe im Sommer auf den Alpen. Im unteren Kantonsteil – von Seelisberg bis Erstfeld – werden die Alpen von Familien bewirtschaftet. Im oberen Kantonsteil – ab Silenen bis ins Urserntal – geben die Bauern ihr Vieh auf Genossenschaftsalpen.

Die Alpweiden gehören der Korporation Uri, die Hütten und Ställe sind privat. Wer Tiere auf eine Alp auftreiben will, muss im Unter- und Oberstafel eine Hütte besitzen (Hüttenrecht). Pro Hütte kann eine fixe Anzahl Tiere gealpt werden. Weil im 19., 20. Jahrhundert sehr viele Korporationsbürger von ihrem Alprecht Gebrauch machten, entstanden auf vielen Urner Alpen, wie dem Urnerboden oder der Sittlisalp «Alpdörfer» mit zahlreichen Hütten und Ställen. Die Zahl der aufgetriebenen Tiere pro Hütte war entsprechend klein. Bis heute richtet sich die Gesamtzahl der Tiere einer Alp nach der vorhandenen Futtermenge.

Familien müssen Hüttenrechte veräussern

Seit den 1950er-Jahren ist die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe rückläufig. Das hat auch Auswirkungen auf die Alpen. Familien, die nicht mehr z’Alp gehen, verlieren ihr Auftriebsrecht und müssen ihre Hüttenrechte veräussern. Dadurch können die übrigen Älpler ihre Betriebe durch Zukauf von Hüttenrechten erweitern und mehr Kühe auftreiben. Die nicht mehr alpwirtschaftlich genutzten Gebäude werden in der Regel zu Ferienhäusern, falls dies im Rahmen des Raumplanungsgesetzes möglich ist.

Oft hält die Alpnutzung den heutigen Verhältnissen, die von der nationalen Landwirtschaftspolitik und dem Strukturwandel geprägt sind, nicht mehr stand. Darum erliess die Korporation Uri am 30. September 2016 die Verordnung über das Alpkonzept. Mit der Verordnung werden verschiedene Ziele verfolgt. Unter anderem will der Engere Rat der Korporation Uri auf den Alpen grössere Betriebseinheiten schaffen, bei Betriebsaufgaben die rationelle Nutzung der Alp fördern sowie bereits Nutzungsberechtigte privilegieren. Mit Investitionen für den Bau von Hütten, Ställen und Käsereien oder Alperschliessungen fördert die Korporation Uri auch eine zukunftsgerichtete Alpwirtschaft.

Ein Stauseeprojekt als Auslöser für ein Alpkonzept

Die Alp Wängi liegt im oberen, lang gezogenen Teil des Hüritals zwischen 1400 und 1500 Meter über Meer. Einen halben Kilometer hinter dem Weiler Liplisbüel befindet sich die Grenze zwischen Schwyz und Uri. Der Oberstafel Chinzertal-Bödmer (1800 bis 2000 Meter über Meer) befindet sich unweit des Kinzigpasses. Als im Juli 2011 das Elektrizitätswerk des Bezirks Schwyz auf der Urner Alp Wängi Sondierbohrungen für einen geplanten Stausee durchführte, war die Verunsicherung bei den betroffenen Älplern gross. Bestes Weidland sollte geflutet werden. Das Stauseeprojekt scheiterte an den Baukosten und der Rentabilität. Die Diskussionen um den Stausee setzten aber auch einen Prozess um die zukünftige Nutzung der Alp in Gang. Am 11. April 2014 gab die Korporation dem Büro Alpe – ein Team aus Fachexperten der Landwirtschaft – den Auftrag, für die Alp Wängi-Chinzertal-Bödmer ein Alpkonzept auszuarbeiten. «2014 gingen von den ehemals sechs Bewirtschafter nur noch vier z’Alp», sagt Cornel Werder vom Büro Alpe.

«Zwei Hütten und Ställe standen leer. Treibrechte wurden verpachtet, sodass ein Bewirtschafter mehr Tiere auftreiben konnte. Das gab zu reden. Ein Alpkonzept war jetzt dringend.»

Beim Alpkonzept sei es darum gegangen, die Rechte aufzuteilen, die momentanen Infrastrukturen zu analysieren und deren zukünftige Nutzung festzulegen, erklärt Cornel Werder. «Welche Gebäude sollen noch alpwirtschaftlich genutzt werden? Müssen Gebäude zurückgebaut werden? Braucht es neue Alpgebäude?»

Ebenfalls wurde das Weidland auf dem Unterstafel Wängi, wie auch auf den Oberstäfeln Chinzertal und Bödmer aufgeteilt. Weiden, die vorher grösstenteils gemeinschaftlich beweidet wurden. Neu haben alle vier Alpbetriebe gleichwertige Alpflächen und jeder kann 30 Kühe auftreiben. Davon verspricht sich die Korporation mehr Sorge zum Weidland: Jeder Betrieb hat zur Ertragssteigerung Interesse, die Weiden von Steinen zu säubern oder Unkraut und Erlen zu bekämpfen. Die Weidunterteilung hat weitere Vorteile. Jeder Betrieb kann selber entscheiden, wann er mit seinem Vieh vom Unterstafel auf den Oberstafel zügeln will. Sogar der Zeitpunkt der Alpfahrt kann jede Älplerfamilie selber bestimmen.

Weidunterteilung heisst faire Futterteilung

«Im Prinzip ist der Vorgang beim Prozess der Weidunterteilung immer der gleiche», sagt Werder. «Zuerst werden die Weiden begangen, nach Futterertrag kartiert und die Topografie beurteilt. Zudem steht eine rationelle Weidebewirtschaftung im Zentrum. Diese exakte Analyse ist erforderlich, damit die Aufteilung fair ist. Es geht im Prinzip darum, das Futter unter den Bewirtschaftern zu teilen.»

Nach der Aufnahme der Weidgebiete in Zusammenarbeit mit dem Allmendaufseher Josef Schuler und dem Weidchef der Korporation Uri legte das Büro Alpe die Pläne vor. Diese wurden zuerst mit den Älplern besprochen. Da gab es auch Spannungen und unterschiedliche Meinungen, die ausdiskutiert wurden. Laut Werder wurde aus diesen Vorschlägen und Ideen die Weidaufteilung entwickelt. Dieser Prozess dauerte drei Jahre. Als alle Pläne genehmigt waren, haben Cornel Werder und der Allmendaufseher Josef Schuler mit Spray und Hagstössen die Weiden verpflockt. Die Weidaufteilung ist zurzeit in der Versuchsphase. Sie dauert fünf Jahre.

Für den Älpler Kari Riedi brachte das Alpkonzept nur Vorteile: «Jeder konnte seine Treibung erhöhen. Vor allem im Gebiet Chinzertal sind heute weniger Tiere, weil zwei Älplerfamilien bereits auf den obersten Stafel ziehen. Die Tiere sind ruhiger, der Milchertrag ist gestiegen. Es gibt bei diesem Alpkonzept nur Gewinner.»

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