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Nidwalden

Nackte Haut und seltsame Töne im Nidwaldner Museum: So sah der Performanceabend von Rochus Lussi aus

«Happen» titelt Rochus Lussi seine Performanceabende. Was er im Nidwaldner Museum geschehen lässt, ist ziemlich ungewöhnlich.
Glynis Ackermann stellte die Zerbrechlichkeit des menschlichen Körpers in einen Rahmen. (Bild: Romano Cuonz (Stans, 29. August 2020))
Beat Unternährer spielte mit Tönen eines Einkaufswagens und des Museums. (Bild: Romano Cuonz (Stans, 29. August 2020))
Rochus Lussi spielte mit Zitaten von Annemarie von Matt und stellte dabei die lästige Haushaltsarbeit ins Bild. (Bild: Romano Cuonz (Stans, 29. August 2020))

Romano Cuonz

Romano Cuonz

Romano Cuonz

Das jahrhundertealte Stanser Winkelriedhaus und selbst der zeitgenössische Pavillon ihm gegenüber dürften am Wochenende über das, was rund um sie herum geschah, einigermassen gestaunt haben. Da bewegte sich eine nackte Frau, sehr tänzerisch und mit viel Ästhetik in Gestik und Mimik, vom einen zum andern Bauwerk. Über den Kies des Innenhofes lief sie, an Jo Achermanns Skulptur vorbei und rund um den Pavillon herum. Die Nackte war die in England geborene und in Basel lebende Künstlerin Glynis Ackermann.

Zum Sommer im Nidwaldner Museum eingeladen hatte sie der Stanser Bildhauer Rochus Lussi. Seit Jahren gilt er als bedeutender Förderer von Performance-Projekten. Mit der Reihe «Happen» stiess er von allem Anfang an auf grosses Publikumsinteresse. Und auch am Wochenende vermochte Lussi – trotz Regen – viele Leute zu seinem «Happen 3» ins Winkelriedhaus zu locken.

Das Alte mit dem Neuen verbinden

Sein erster Gast, die 68-jährige Glynis Ackermann, war ehemals als Tänzerin am Zürcher Opernhaus aktiv. In der Kunst wie auf Theaterbühnen ist der nackte Körper als ursprünglichstes und direktestes Mittel für Gestaltung und Inszenierung heutzutage Normalität. Als Ackermann vor elf Jahren ihre Liebe zur Performancekunst entdeckte, war für sie klar, dass sie den Fokus weiterhin auf den nackten Körper richten würde. Seither realisiert sie Projekte für Galerien und Kunsträume und arbeitet mit Performancekünstlern in der Schweiz und Europa zusammen.

Im Mittelpunkt ihres Interesses steht der Energiefluss zwischen ihrem Körper und Objekten. «In Stans wollte ich die Energien meines Körpers als Landschaft sprühen lassen», bekennt sie. Zu Beginn trat sie aus der Tür des ehrwürdigen Winkelriedhauses auf den Platz. In den Händen hielt sie einen Rahmen, wie er allen Menschen von ihrer Geburt an vorgegeben ist. «Ich wollte von der alten Zeit in eine neue gehen – den alten Teil des Museums mit dem modernen Pavillon verbinden.» Für Kunstschaffende sei es eine wichtige Sache, den Rahmen, in dem man gefangen sei, gelegentlich aufzubrechen. Und eben dies ist Glynis Ackermann in Stans auf eindrückliche Weise gelungen.

Faustknöchel-Rhythmus und Türknarren

Lussis zweiter Gast war der Baarer Psychologe, Künstler und Posaunist Beat Unternährer. Als er in den Pavillon trat, zog er eine Art Einkaufswägelchen mit einer Lautsprecherbox hinter sich her. Vor seinem Körper hing eine Lade mit jeder Menge Kabeln und Elektronik. Konzentriert horchte der Künstler, was seine Bewegungen für Geräusche auslösten. Die Sensoren reagierten auf jede Position im Raum. Er erklärt: «Wie beim Posaunenspiel korrigierte oder änderte ich den Sound immer wieder, in diesem Fall von Schritt zu Schritt.» Dazu seien auch Töne aus dem Museum zugekommen. Das Knarren der obersten Tür im Winkelriedhaus etwa. Oder ein Rhythmus, den er mit Faustknöcheln auf Jo Achermanns Holzskulptur geschlagen habe. Seltsame Töne, die anscheinend aus einer andern Welt stammen. Und doch irgendwie urtümlich sind.

«Während des Lockdowns habe ich im Quartierladen viel eingekauft und plötzlich wahrgenommen, wie so ein Wägelchen quietscht und Geräusche produziert», schildert Unternährer. Dies habe ihn dazu animiert, mit seltsamen Klängen zu experimentieren. Ein bisschen wie in seinem Beruf als Psychologe sei es gewesen: «Gut zuhören und improvisierte Lösungen suchen.» Seine Sound-Performance wirkte aufmüpfig. Aber eben auch sehr erfrischend, weil man so etwas zuvor noch kaum je gesehen und gehört hatte.

Gastgeber wäscht sich intensiv mit Seife

Lussi knüpfte mit seiner eigenen Performance schliesslich an jene der Gäste an. Direkter Ausgangspunkt aber war für ihn die zeitlich verlängerte Ausstellung zu Annemarie von Matt. «Diese Frau fasziniert mich», hält der Nidwaldner fest. Mit zwei Wassereimern und Stricken ausgerüstet, stellte er sich zu ihren Bildern und zitierte immer wieder ihre Aphorismen. Etwa jenen, der ihm als früherer Hausmann sehr nahe geht: «Ich bin Künstlerin – aber meine Versuche‚ etwas in Kunst zu schaffen, werden durch ‹Hushaltsglumpp› ausgemerzt.» Später verliess Lussi den Pavillon und den Garten, ging zum Dorfbach, tauchte die Eimer in den Brunnen und füllte sie mit Wasser. Darauf wusch er sich intensiv mit Seife. «Solche Rituale verbinden mich mit Annemarie von Matt.» In unserer Zeit aber eben auch mit der Coronakrise.

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