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Luzern

Nachhaltiger Tourismus: Luzerner organisiert Reisen zu bedrohten Völkern im Regenwald

Können touristische Reisen in den Regenwald Ecuadors nachhaltig sein? Zwei Veranstalter, darunter ein Luzerner, sagen ja. Wir waren dabei.
Der Luzerner Reiseveranstalter Martin Rüegg in Ecuador beim Volleyball mit einem einheimischen Knaben. (Bild: PD)
Hier schläft es sich einfach, aber behaglich.
Im Dschungel unterwegs.
Abenteuer am Amazonas.

Pirmin Bossart, Ecuador

Pirmin Bossart, Ecuador

Pirmin Bossart, Ecuador

Pirmin Bossart, Ecuador

Nur fünf Personen haben in der kleinen Propellermaschine Platz, die auf dem Flugfeld in Puyo bereitsteht. Die Kleinstadt in Ecuador liegt am Rand des Amazonasbeckens. Hinter den letzten Häusern beginnt der Regenwald. Wir brechen auf in ein unzugängliches Territorium, das man als Individualtourist nicht besuchen kann.

Die kleine Maschine fliegt tief und rüttelt durch Wolkenfelder. Dann und wann geben sie den Blick frei auf braun gefärbte Flüsse, die durch den Dschungel mäandern. Rundherum und bis an den Horizont: Ein endlos grünes Meer von Bäumen.

«Reisen haben meine Sicht auf das Leben verändert»

Nach einer Stunde Flug und zwei Stunden zu Fuss und mit dem Boot erreichen wir das Siedlungsgebiet der Achuar. Sie feiern gerade ein Fest mit Volleyball, Fussball, Musik und Tanz. Wir werden herzlich eingeladen, daran teilzunehmen.

Das Achuar-Territorium umfasst zwei Millionen Hektaren unberuhrten tropischen Regenwald, eine der biologisch viel­faltigsten und ursprunglichsten Regionen der Welt. Die Annehmlichkeiten der Zivilisation liegen weit hinter uns. Aber Handys sind auch hier verbreitet. Einige Männer filmen mit, wenn die weissen Besucher tanzen und mit den Einheimischen den gegorenen Manioksaft aus rotbraunen Tontassen trinken.

Im gleichen Einzugsgebiet des nordwestlichen Amazonasbeckens leben die Sápara. Ihr Territorium und die anliegenden Gebiete sind vom Abbau von Öl und anderen Bodenschätzen bedroht. China hat mit dem Ecuador Konzessionen für die Ölförderung ausgehandelt, damit der Staat im Gegenzug die Millionenkredite von China begleichen kann: Ein Deal, der auf Kosten der indigenen Völker und ihren Lebensräumen geht.

«Ich habe aus der Sicht der Betroffenen erfahren, dass die Nachfrage nach Ol, Mineralstoffen, Rohstoffen oder Fleisch ihren Lebensraum direkt betrifft und eine existenzielle Gefahr ist», sagt der Luzerner Martin Rüegg. Er ist Kadermitglied eines multi­nationalen Konzerns und hat schon zwei Reisen mitorganisiert. Sie haben seine Sicht auf das Leben und die Welt als System stark verandert. «Mir wurde klar, dass unsere westliche Vorstellung vom Leben weder glück­lich macht noch nachhaltig ist.»

Zum Beispiel habe er einen anderen Bezug zu Geld bekommen. «Ich betrachte es heute als Tauschmittel und nicht mehr als Selbstoptimierungszweck. Ich bin viel achtsamer mit der Natur geworden. Ich esse kein Fleisch mehr und habe eine Solaranlage auf meinem Hausdach.» Nicht zuletzt hat Rüegg im Konzern seine Aufgabe im hoheren Management aufgegeben, um sich auf eine neue Rolle zu fokussieren, «in der ich andere Wertvorstellungen einbringen kann».

So weit fliegen, um diese Erfahrungen zu machen?

Während der zehn Tagen im Urwald erleben die westlichen Besucher die immensen Schönheiten dieser Lebensräume, lernen die reiche Pflanzenwelt und ihre Verwendungen im Alltag kennen. Die Biodiversität des Regenwaldes ist ein gigantischer Rohstoff, der den indigenen Völkern alles bietet, was sie zum Leben brauchen: Bis hin zu den vielen uns unbekannten Pflanzen, die für medizinische Heilzwecke verwendet werden.

Die Reise macht auch Widersprüche bewusst. Tausende von Kilometern Flugreise, um in einem der abgelegensten Gebiete der Welt mit zwei indigenen Völkern in Kontakt zu kommen, die den fremden Besuchern einen Einblick in ihre Kultur gewähren – kann das nachhaltig sein? Zentral sei der Prozess, der zur Reflexion und zur Umsetzung des Erfahrenen führe, bei sich und im persönlichen Umfeld, findet Rüegg. «Das wiegt aus meiner Sicht den Ressourcenkonsum dieser Reise auf.»

Die Reisenden sind im täglichen Austausch mit den Einheimischen, leben aber getrennt in eigenen Unterkünften. Die Hütten haben Palmenblätterdächer, aber keine Wände. Nachts liegt man geschützt unter dem Moskitonetz. Es gibt eine Küche und sanitäre Anlagen, alles ist sehr schlicht und sauber. Man haust mitten im Urwald und fühlt sich geborgen im Universum.

Die winzigen Tourist-Inseln mitten im Regenwald wurden mit Unterstützung der Pachamama Alliance gebaut. Die kalifornische Organisation engagiert sich für eine ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Wirtschafts- und Lebensweise auf diesem Planeten. Zu ihren Projekten mit indigenen Völkern im Amazonasbecken gehört gezielter Ökotourismus.

«Die Reisenden werden für den Lebensraum Regenwald und die Anliegen der einheimischen Bevölkerung sensibilisiert», sagt Rüegg. «Das unterstützt die Völker in ihrem Kampf für die Erhaltung ihres Lebensraumes. Sie sind nicht mehr schutzlos den Deals ausgeliefert, die über ihre Köpfe hinweg gemacht werden.»

So verhinderte diesen Sommer ein Regionalgericht in Ecua­dor vorerst eine geplante Veräusserung von 180000 Hektaren Land zur Ölförderung und verlangte, dass die betroffenen Völker bei Infrastruktur­plänen mit einbezogen werden. Das ist ein erstes positives Resultat.

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