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Luzern

Nach Eklat in Basel: Haben Kinder Platz im Luzerner Parlament?

Der Fall einer jungen Kantonsrätin, die wegen ihres Babys aus dem Ratssaal gesperrt wurde, sorgt für Schlagzeilen. Tatsache ist: Es bestehen keine klaren Verhaltensregeln für Parlamentarier.
Eine Basler Kantonsrätin wurde aus dem Ratssaal verwiesen, weil sie ihr Baby dabei hatte. (Bild: Michael Fritschi)

Ismail Osman

Was geschah: Eine Kantonsrätin will in den Ratssaal, um an einer Abstimmung teilzunehmen. Doch der Ratspräsident verwehrt ihr den Eintritt. Der Grund: Die Kantonsrätin hat ihr zweieinhalb Monate altes Baby dabei, welches sie draussen stillte und das nun im Tragetuch schläft.

Die Szene spielte sich letzte Woche im Basler Grossen Rat, dem Kantonsparlament von Basel-Stadt, ab. In der Folge kam es im Ratshaus zu wütenden Protesten und lautstarken Diskussionen zwischen diversen Parlamentarierinnen und Parlamentariern und dem Ratspräsidenten Remo Gallacchi (CVP), wie die «Basler Zeitung» berichtete. Letztlich wurde Grossrätin Lea Steinle (Grüne) wieder in den Saal gelassen. Die rechtliche Grundlage müsse nun geprüft werden.

Was aber sind die rechtlichen Grundlagen, die für ein Parlament eine Art «Hausordnung» konstituieren sollen? Auf den ­Luzerner Kantonsrat bezogen wären dies das Kantonsratsgesetz und die Geschäftsordnung des Kantonsrats. Letztere hält in ­Bezug auf das Verhalten der Parlamentarierinnen und Parlamentarier fest, dass diese sich «an die Regeln des parlamentarischen Anstandes» zu halten sowie beleidigende und verletzende Äusserungen zu vermeiden haben. Näher definiert werden diese Regeln jedoch nicht.

Familie und Politik sind kaum vereinbar

Das Kantonsratsgesetz wiederum enthält Regelungen zur Anwesenheit auf der Tribüne und im Ratssaal. So bedarf der Zugang zum Ratssaal der Bewilligung des Präsidenten oder der Präsidentin. «Es ist nicht explizit geregelt, ob eine Mutter (oder ein Vater) ein Kleinkind in den Kantonsratssaal mitnehmen darf», teilt die Staatskanzlei auf Anfrage mit. Der konkrete Einzelfall müsste beurteilt werden; die Entscheidung würde dem Kantonsratspräsidenten respektive der Kantonsratspräsidentin obliegen. «Wir sind überzeugt, dass im Kanton Luzern eine pragmatische und gleichzeitig den Interessen des Kantonsrats genauso wie dem Kindeswohl gerecht werdende Lösung gefunden würde.»

Der Basler Vorfall stellt die Vereinbarkeit von Karriere und Familie in Frage, mit der sich insbesondere junge Mütter konfrontiert sehen. «Grundsätzlich sollte die Vereinbarkeit von Familie und politischem Amt im Interesse ­jedes Parlaments liegen», sagt Yvonne Schärli, Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (EFK). «Dazu gehört ein Entgegenkommen – in diesem Falle heisst das konkret, dass einer Grossrätin ermöglicht wird, an einer Abstimmung im Rat teilzunehmen.»

Dieses Entgegenkommen sei zentral, um mehr Frauen für die Politik zu gewinnen. Dies wieder­um ist ein zentrales Anliegen der EFK. So wurde vergangenen März eine nationale Kampagne unter dem Titel «halbe-halbe» lanciert, die mehr Frauen für die Übernahme politischer Ämter motivieren soll. Zur Kampagne gehörte auch die Aufforderung an die Parteien, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.

Eltern sind in der Pflicht

Dass es im Basler Parlament überhaupt zum Eklat gekommen ist, gibt der Luzerner Alt-Regierungsrätin Rätsel auf: «Kommuniziert man seine Bedürfnisse und die Situation mit den betreffenden Stellen im Vorfeld offen und transparent, sollte so was eigentlich ohne grosse Diskussionen möglich sein. Hat diese Kommunikation stattgefunden und es kommt trotzdem zu einer Ausgrenzung, darf man dies aber keineswegs hinnehmen», sagt Schärli und fügt hinzu: «Es liegt selbstredend in der Verantwortung der Eltern, dass der Betrieb des Rates nicht gestört wird – genauso wie das bei jeder anderen Veranstaltung auch der Fall wäre.»

Mit Blick auf die kommenden Wahlen hat sich im Kanton Luzern das überparteiliche Netzwerk Frauen-Luzern-Politik formiert. Die Frage nach der Vereinbarkeit von politischem Amt und Familie wurde im August, im Rahmen von öffentlichen Workshops, diskutiert, bestätigt Kantonsrätin Claudia Bernasconi (CVP): «Die Diskussion resultierte in der ernüchternden Erkenntnis, dass es enorm schwer ist, beides unter einen Hut zu bringen, und ein sehr starkes privates Netzwerk notwendig ist.» Auch Bernasconi glaubt aber, dass ein Vorfall wie jener aus Basel durch Absprachen im Vorfeld hätte verhindert werden müssen.

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