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Zug

Museum Burg Zug zeigt Sonderausstellung zur Schweiz im Kalten Krieg

Mit der Sonderausstellung «Ernstfall! Die Schweiz im Kalten Krieg» schliesst das Museum Burg Zug thematisch eine Lücke: Erstmals wird die Materie so umfassend und anschaulich präsentiert.
Museumsdirektor Marco Sigg (links) und Kurator Christoph Tschanz inmitten der neuen Sonderausstellung im Museum Burg Zug. (Bild: Stefan Kaiser (Zug, 17. Juni 2019))

Andreas Faessler

Wie ein stilles Schreckgespenst lagen die politischen Spannungen zwischen Ost und West Jahrzehnte lang über dem gespaltenen Europa der Nachkriegszeit. Die Auseinandersetzungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion schwelten, mehrmals drohte das gegenseitige Säbelrasseln in einen atomaren Dritten Weltkrieg zu münden. Auch in der neutralen Schweiz schlugen sich die Auswirkungen dieses «Gleichgewichts des Schreckens» – des sogenannten «Kalten Krieges» – konkret nieder. Die wachsende Angst in der Bevölkerung vor einer neuerlichen Katastrophe und zunehmendes Misstrauen lösten vor allem ab den 1970er-Jahren gesellschaftliche Strömungen aus. Auf der einen Seite standen die Aufrüstungswilligen, die auf einen möglichen Kriegsausbruch vorbereitet sein wollten. Auf der anderen Seite kamen ausgeprägte Friedens- und Anti-Atombewegungen in Gang, welche die starren Strukturen durchbrechen und politische Reformen anstossen wollten.

Der Fall der Berliner Mauer, vor 30 Jahren, ist das populärste Sinnbild für das Ende des Kalten Krieges. In der Schweiz fand der Konflikt im selben Jahr seinen Schluss insbesondere mit dem «Fichenskandal», im Zuge dessen, die gesellschaftspolitischen Spannungen im Land endgültig aufbrachen.

Die Stimmung greifbar machen

Die Schweiz im Kalten Krieg ist ein bislang vergleichsweise spärlich aufbereitetes Thema, wohl aufgrund der (vermeintlichen) Tatsache, dass das Land nur mittelbar von den Auswirkungen betroffen war. Eine allumfassende Museumsausstellung, welche die kollektiven Sinngebungen und die Deutungsmuster des Kalten Krieges in der Alpenrepublik detailliert und anschaulich beleuchtet, hat es in der Schweiz bis anhin nicht gegeben. Mit der heute startenden Sonderausstellung «Ernstfall! Die Schweiz im Kalten Krieg» schliesst das Museum Burg Zug diese Lücke.

Die Ausstellung fokussiert sich insbesondere auf die gesellschaftlichen Aspekte während der Zeit des Kalten Krieges. «Die Stimmung in der Bevölkerung von damals wird greifbar gemacht», sagt Museumsdirektor Marco Sigg. «Wir wollen mit der Ausstellung eine breite, aufschlussreiche Sicht auf die Thematik gewähren und hoffen, Diskussion und Reflexion anzustossen. Auch wenn es Kontroversen auslöst.»

«Ernstfall» bedeutete für Ausstellungskurator Christoph Tschanz eine besondere Herausforderung. Nicht nur musste er als Zeitzeuge mit einer gewissen Haltung allfällige Befangenheit umgehen, er musste sich vor allem ein ausgeklügeltes Ausstellungskonzept überlegen, wie diese Thematik, welche so stark mit Emotionslagen und kollektivem Gedankengut verbunden ist, visuell umgesetzt werden kann. Wie erfasst man einen «abstrakten» Krieg? Eine ständig drohende Gefahr, die aber nie eintritt? Ein bipolares Weltbild?

Komplexe Materie anschaulich illustriert

Christoph Tschanz löste es einerseits mit einer farblichen Kennzeichnung der gegensätzlichen Bewegungen, den Frieden zu erhalten, sodass der Besucher stets weiss, mit welcher «Gesinnung» er sich gerade auseinandersetzt. Seltene Ton- und Filmdokumente aus diversen Archiven ergänzen die zahlreichen original Exponate und Faksimiles, von denen hier einige zum ersten Mal überhaupt öffentlich gezeigt werden. Wo immer möglich, bringt der Kurator Zuger Aspekte ein, um der Ausstellung auch regionale Akzente zu geben.

Thematisch logisch eingeteilt werden wichtige Sichtweisen auf die Schweiz im Kalten Krieg ausgelotet. Es geht etwa um militärische Massnahmen, zu denen unter anderem auch die «Bloodhound»-Lenkwaffen zählen, von denen eigens ein Exemplar von der Lenkwaffenstellung auf dem Gubel in den Burghof verbracht worden ist. Oder wie hatten Zivilschutzbunker auszusehen, und wie mussten sie gerüstet sein? Illustrierte atomare Endzeitfantasien stehen Bilddokumenten der wachsenden Friedensbewegungen der 1980er-Jahre gegenüber. Die wechselseitigen Feindbilder in der gespaltenen Gesellschaft werden zum Thema, und der Organisation P-26 wie auch dem «Fichenskandal» ist jeweils eine grosszügige Ecke gewidmet. Kurzum: Die breit angelegte Ausstellung überzeugt als aufschlussreiches, sehr durchdachtes und hoch spannendes Panoptikum zum komplexen Thema der Schweiz im Kalten Krieg.

Kennedys Schreibtisch

Die gesamte Sonderausstellung ist eine Eigenarbeit des Museums Burg Zug. Alle Exponate sind in Eigenregie angeschafft worden. Inhaltlich und kontextuell basiert alles auf eigener Recherche. Auch das exklusivste «Glanzstück» dieser von öffentlicher wie privater Hand grosszügig unterstützten Ausstellung hat seinen Weg dank des Kurators in die Burg Zug gefunden: Der Schreibtisch, an dem US-Präsident John F. Kennedy (1917-1963) den ersten Vertrag zum Verbot von Kernwaffentests unterzeichnet hat.

Hinweis
«Ernstfall! Die Schweiz im Kalten Krieg», Ausstellung im Museum Burg Zug bis 26. Januar 2020. Details unter www.burgzug.ch

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