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Uri

Mit den Zeiten als «Geissbub» in bester Erinnerung will Stefan Furger nun die Flurnamen bewahren

Der ehemalige Geissbub Stefan Furger hat zusammen mit Franz Baumann entlang des Alpwegs auf die Gorneralp die Flurnamen mit Täfelchen an Ort und Stelle beschriftet. Der Weg ist für ihn mit vielen Erinnerungen verbunden.

Christoph Hirtler

Christoph Hirtler

Christoph Hirtler

«Entlang des 13 Kilometer langen Wegs von Gurtnellen Dorf bis zum hintersten Stafel auf der Gorneralp befinden sich viele kleine Täler, grosse Steine und gefährliche Stellen – Brüche», sagt Stefan Furger. Er weiss:

«Mit Ausnahme der Alpstäfel sind sie auf keiner Karte verzeichnet. Sie haben aber alle Namen, die von Generation zu Generation mündlich überliefert wurden.»

Die Flurnamen wie Weeri, Haselisgand, Härdbruch, Härdbruchtal, Chellätal, Gitzistäital, Dirri Tannä, Timmerfluähchäli, Reschti, Reschtital und viele andere waren wichtig für die Orientierung auf der Gorneralp.

Die Idee für die Beschriftung der Flurnamen hatte sein Freund Franz Baumann. «Die Namen musste ich nicht erfragen», sagt Furger. Die Flurnamen hat er verinnerlicht.

Von 1968 bis 1972 war der heute 63-Jährige Geissbub auf der Gorneralp. Von Frühling bis Herbst, rund fünf Monate, trieb er täglich mit einem Bruder frühmorgens die Geissen auf die Gorneralp und brachte sie am Abend zurück nach Gurtnellen zum Melken. «Auf graue Vollkernplättchen habe ich mit dem Bleistift von Hand die Buchstaben vorgezeichnet und bin danach mit dem Oberfräser den Linien nachgefahren. Dadurch kam der schwarze Kern zum Vorschein und ich hatte das gewünschte Resultat: eine schwarze Schrift auf grauem Grund. Und die Täfelchen sind zudem wetterfest.»

Erinnerungen an die Geissbubenzeit

Aufgewachsen ist Furger mit zwölf Geschwistern im Waldi, einem kleinen Heimet unterhalb von Gurtnellen-Dorf. «Uns nennen sie ‹ds Gläusis›, nach dem Namen unseres Vaters Niklaus», erklärt Furger. Alle sieben Buben der Familie waren eine Zeit lang Geissbuben. «Wir gingen immer zu zweit», erinnert sich Furger. «Der Ältere ging mit dem Zweitältesten. Dann gab der Älteste das Amt weiter und der Zweitälteste ging mit dem Drittältesten und so weiter. Die sechs Mädchen halfen beim Melken.»

In seinem ersten Jahr als Geissbub war er neunjährig und verantwortlich für rund 50 Geissen. Bereits Mitte Mai, Anfang Juni, rund einen Monat vor der Alpzeit, wurden die Geissen auf die Alp getrieben. «Mutter hat uns um fünf Uhr geweckt», schildert Furger. «Wir tranken eine Tasse Milch – unser Morgenessen – und wir gingen zu den Geisshüttenställen in der Weri.»

Um 5.30 Uhr waren die Geissen gemolken und die Brüder machten sich mit den Tieren auf den Weg. «Die Geissen voraus, mein Bruder Kari und ich hinterher.» Nachdem sie die Tiere in der Gorneralp oberhalb der Kuhweiden getrieben hatten, mussten sie zurück zur Schule. Vor der Schule war um 7.30 Uhr Schulmesse. «Pfarrer Anton Huser kontrollierte genau, wer in der Schulmesse war und wer nicht», führt Furger aus. «Wer nicht erschien, erhielt eine harte Schelte.»

Während der Schulferien seien sie nach dem Auftrieb der Geissen auf der Alp geblieben, so Furger. Zuerst frühstückten sie in der Alphütte mit den Alpknechten, später halfen sie beim Auftrieb der Tiere in die Planggen. Sämtliche Tiere waren beieinander, die Kühe, die Rinder, die Kälber. «Nicht wie heute. Es gab keinen Hag», gibt Furger zu bedenken. Er schildert weiter:

«Wir waren den ganzen Tag am Viehhüten und halfen bei verschiedenen Arbeiten auf der Alp. Zum Beispiel brachten wir den Alpknechten in einem 5-Liter-Chesseli das Essen – Zigersuiffi (Molke und Ziger).»

Anstrengend und manchmal gefährlich

Der Senn habe jeden Abend den Geissbuben die Bestellung aufgegeben, was sie an Kost brauchten – Brot, Magronen, Polenta, wie sich Furger erinnert. «Das mussten wir am folgenden Tag innä­­­trääge.» Ein Geissbauer, der in der Nähe des Ladens beim Gasthaus Bergheim wohnte, nahm am Abend die Bestellung entgegen, kaufte die Lebensmittel ein und stellte sie bereit. Die Älpler hätten auch Karbidsteine für ihre Lampen gebraucht, so Furger. Diese waren in 3- und 5-Kilo-Büchsen verpackt und für die Geissbuben besonders schwer. Weil die Karbidlampen einen sehr hellen und breiten Lichtschein abgaben, brauchten sie auch die Streckenwärter der Gotthardbahn.

«Der Weg war gefährlich, besonders nach starken Niederschlägen», erinnert sich Furger. Dann bestand die Gefahr von Rüfen und Steinschlägen. «Während auf der Alp die Alpknechte zu uns schauten, waren wir auf dem Weg zur Alp uns selbst überlassen.» Einmal habe sich beim Timmerfluächäli eine 4 Meter hohe und 3 Meter breite Felsplatte gelöst und auf den Weg gestürzt. Furger schildert:

«Nur eine halbe Stunde zuvor hatten wir mit den Geissen diese Stelle passiert. Mutter war immer froh, wenn wir am Abend gesund heimkehrten.»

Bereits haben Stefan Furger und Franz Baumann ein neues Projekt: Sie fertigen 80 Täfelchen mit Flurnamen entlang des Geissberg-Themenwegs, einem Rundweg von Gurtnellen zu den imposanten Lawinenverbauungen am Geissberg.

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