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Luzern

Mit dem Eingänger durch China: Junger Luzerner auf Velotour im fernen Osten

Yannou Kronenberg (19) aus Luzern reiste von Schanghai nach Hongkong – mit dem Velo.
Yannou Kronenberg nach der Ankunft in Hongkong. (Bilder: Yannou Kronenberg)
Yannou Kronenberg am Grenzübergang zwischen Jangxi und Fujian.
Aussicht auf die Uferpromenade in Schanghai.
Im Verlauf der Reise musste Kronenberg sein Velo mehrmals reparieren.
Grenzübergang zwischen den Provinzen Jiangxi und Fujian.
Sackgasse beim Grenzübergang Jangxi-Fujian.

Emanuel Schüpfer

Emanuel Schüpfer

Emanuel Schüpfer

Emanuel Schüpfer

Emanuel Schüpfer

Emanuel Schüpfer

Von Schanghai nach Hongkong war der Luzerner Yannou Kronenberg (19) mit dem Velo unterwegs. Er lernt seit gut vier Jahren Mandarin und sei «fasziniert von China», wie er sagt. Im Sommer 2019 machte er die Matura und trat im September eine Sprachreise nach Asien an. So blieb er einige Wochen in Schanghai, um sein Mandarin zu verbessern. Kurz vor dem Ende seines Aufenthalts entschloss er sich für die Tour mit einem chinesischen Eingängervelo, das er vor Ort für umgerechnet 200 Franken kaufte.

Eine Reise nach dem Sprachaufenthalt sei zwar schon im Voraus geplant gewesen. «Ich musste schon bei der Eingabe des Visums meine Aufenthaltsdauer in China angeben», sagt Kronenberg.

«Dass ich diese Reise mit dem Velo antreten würde, habe ich spontan entschieden. Das Abenteuer reizte mich.»

Seine Eltern hätten die Reise gutgeheissen. «Sie sind nämlich auch leidenschaftliche Velofahrer und früher mal von Alaska nach Südamerika gefahren. Meine Mutter war etwas besorgt, hat mich aber auch unterstützt.» Am 16. November sei in Schanghai losgefahren, am 7. Dezember erreichte er Hongkong. Von dort aus flog Kronenberg zurück in die Schweiz.

Viele Einladungen und einen Gratis-Extraschlauch

«Nebst Schlafsack und Matte, Kleidern und Hygieneartikeln hatte ich noch Schulsachen und Feriensouvenirs dabei», sagt Kronenberg. Übernachtet habe er meistens draussen. Bei Regen oder extremer Kälte schlief er in Herbergen oder bei Leuten, die ihn einluden. So sei er mit geraden mal insgesamt 150 Franken durchgekommen. Angst, mit Fremden mitzugehen, habe Kronenberg keine gehabt. «Die Chinesen sind allgemein sehr gastfreundlich und nett. In den Dörfern kam man schnell ins Gespräch.» Besonders auf dem Land hätten die Leute Freude, einen Ausländer begrüssen zu dürfen. «Ein Mechaniker hat mir das Velo repariert und fast nichts dafür verlangt. Er hat mir sogar einen Extraschlauch geschenkt und mich zu ihm nach Hause eingeladen. Die Chinesen drängten mir jeweils eine Einladung fast auf.»

Es sei auch zu kuriosen Situationen gekommen. «Teilweise fuhr ich Etappen auch in der Dunkelheit. Eines Nachts fiel mein Vorderlicht aus. Trotzdem fuhr ich weiter und bemerkte, dass mir schon seit geraumer Zeit ein Auto folgt. Nachdem es über 30 Minuten an meinem Hinterrad ‹klebte›, hielt ich in der Hoffnung an, das Auto würde weiterfahren. Der Autofahrer hielt jedoch auch an und stellte sich als harmlos heraus. Er erzählte mir, ihm sei aufgefallen, dass mir ein Licht fehlt. Also habe er sich entschlossen, mir zu folgen und mit seinen Autoscheinwerfern den Weg für mich auszuleuchten.»

Smog statt Berge und blauer Himmel

Geredet habe er mit den Chinesen über alles Mögliche. «Häufig startete ein Gespräch mit der Frage nach dem Preis meines Velos. Offenbar schien ihnen das wichtig zu sein.» Als Schweizer sei er oft auf die Uhren und Banken angesprochen worden. Und: «Sie schwärmten auch von den Bergen und dem blauen Himmel. Dieser ist in weiten Teilen Chinas wegen des Smogs praktisch nie zu sehen.»

Oft sei auch um Politik gegangen, etwa die Proteste in Hongkong. «Die chinesischen Bürgerinnen und Bürger waren ‹pro China› eingestellt und blickten misstrauisch auf die Demokratiebewegung in Hongkong. Sie fragten mich: Was wäre dir wichtiger: Demokratie oder Sicherheit?» Für die meisten Chinesen gebe es nicht beides. Sie würden im Staatsfernsehen die Gewalt in Hongkong und im Gegensatz dazu in Rest-China Einheit sowie Sicherheit sehen. «Dadurch wird den Menschen das Bild vermittelt, das Rechte wie freie Meinungsäusserung und ein demokratisches System zu Streit und Krawall führen.» Das chinesische Fernsehen reduziere die Freiheitsbewegung in Hongkong «auf eine Gruppe Krawallmacher».

«Wir im Westen sehen in Hongkong eine Revolution, einen Aufbruch. Die Chinesen hingegen sehen Zerstörung.»

In Schanghai, einer internationalen Stadt, hätten sich aber auch Einheimische offen mit Kronenberg über die Missstände in China unterhalten: den Überwachungsstaat, die Unfreiheit, die Zensur. Solche Gespräche seien vor allem mit jungen Menschen wie Studenten möglich gewesen. Seine Gastmutter dagegen habe von der Sprachschule ein Verbot erhalten, mit ihren Gästen über Politik zu reden. In Hongkong habe Kronenberg sich «wohler und erleichtert gefühlt». «Es hat viel weniger Kameras als im restlichen China.»

Busse wird direkt auf das Smartphone zugestellt

Was ihm auffiel: Fast alle Chinesen besitzen ein Smartphone. Es gehe praktisch nicht mehr ohne. «Man braucht es beispielsweise als ID oder um Zahlungen abzuwickeln.» Der Verkehr sei «sehr ordentlich gewesen». Denn: «Im Vergleich zur Schweiz gibt es in China auch im Verkehr viel mehr Überwachungskameras. Wer in Schanghai zum Beispiel bei Rot über eine Ampel läuft, wird von den Überwachungskameras per Gesichtserkennung erfasst. Vielerorts erhält die betroffene Person die Busse direkt aufs Smartphone und ihr Foto wird auf der ‹Wall of Shame› öffentlich blossgestellt. Das ist schon krass.»

Kronenberg selbst befürwortet eine so umfassende Überwachung «auf keinen Fall». Doch diese trage auch zur Sicherheit bei. Er selbst konnte sogar mal davon profitieren, als ein Taxifahrer ihn fälschlicherweise beschuldigte, eine Fahrt nicht bezahlt zu haben. Es handelte sich wohl um eine Verwechslung. «Nachdem der Polizist die Überwachungskameras checkte, war ich entlastet und durfte weitergehen.»

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