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Zug

Mein Lieblingsgegenstand: Grün, ästhetisch, multifunktional

Nicht nur praktisch ist meine Tasse – sie erinnert mich auch an eine aufregende Zeit, in der alles neu war.
Das Lieblingsobjekt von Redaktor Fabian Gubser: Ein Keramik-Becher. (Bild: Stefan Kaiser, Zug, 14. August 2019)

Fabian Gubser

Ich studierte in Winterthur. Eingerichtet in einer schnuckeligen WG in der Nähe meiner Fachhochschule, hatte ich morgens lediglich fünf Gehminuten in den Hörsaal zu bewältigen. Um von der ideal gelegenen Wohnsituation grösstmöglich zu profitieren, schlief ich möglichst lange – und kam natürlich jeweils knapp (aber doch pünktlich und da bin ich stolz drauf!) zur Vorlesung. Meinen Kaffee, der eigentlich für den Genuss am mittelsauberen WG-Tisch vorgesehen war, nahm ich kurzerhand gleich mit. Die umfassendste Befriedigung trat übrigens dann ein, wenn der den Morgen-Pessimismus vertreibende Song aus meinen iPhone-Kopfhörern genau dann ein Ende fand, wenn ich die Schule betrat. Herrlich!

Eines Tages drückte mir eine Kollegin nach der Vorlesung eine grüne Tasse in die Hand. Bei ihr sei sie nur rumgestanden, bei mir sei sie wohl besser aufgehoben, meinte die Kollegin augenzwinkernd. So nett! Aus Praktikabilitätsgründen verzichtete ich zwar später auf den dazugehörigen abwaschbaren Deckel (wie sympathisch!), doch der Becher begleitet mich überraschenderweise bis heute.

Eine aufmerksame und mutige Mitstudentin

Folgende Spezifikationen sollen verdeutlichen, wieso meine Tasse so gut zu mir passt: erstens die stattliche Grösse. Äusserst praktisch, da man sich nur selten zum Auffüllen bemühen muss. Zudem korreliert sie mit meinem stark ausgeprägten Durst. Zweitens das Material: Keramik geht zwar schnell zu Bruch, ist aber auf jeden Fall ästhetisch ansprechender als ein Plastikbecher und hat deshalb gute Chancen, länger als der letztgenannte in einem Haushalt zu überdauern. Drittens die Multifunktionalität: Egal ob Wasser, Kaffee oder Tee. Meiner Tasse steht alles.

Ich hab’s ihr zwar nie gesagt, aber eigentlich fand ich diese Kollegin – die ich eigentlich gar nicht so gut kannte – ziemlich mutig. Als fast Einzige schickte sie während den Vorlesungen immer wieder Fragen nach vorne. Gewisse erschienen einigen Mitstudierenden zwar als etwas banal, was sie mit einem Kichern oder Getuschel Kund taten – aber gerade deswegen dachte ich nach dem Studium oft an meine Kollegin zurück. Sie, der dies offensichtlich egal war. Was für eine Einstellung!

Unerwartete Begegnung im Auslandssemester

Nie hätte ich gedacht, zu wie viel Berühmtheit es meine grüne Tasse bringen würde. Als ich ein Jahr darauf während dem Auslandssemester in euphorischem Zustand nächtlich durch die Quartiere der französischen Stadt Lille schlenderte, stiess ich an einer Ecke fast mit einer Schweizerin zusammen. «Hey, du bist doch der, der morgens immer mit der Kaffeetasse einlief?» Ich erkannte sie anfangs nicht als meine Kommilitonin, musste aber nach ihrem Satz gleich lachen. Vielleicht tranken wir danach ein Bier zusammen – so genau weiss ich es nicht mehr.

Ehrlich gesagt löst meine Tasse in mir auch etwas Wehmut aus. Denn ich fühlte mich in meiner Studenten-Stadt Winterthur sehr wohl. Ich entdeckte joggend die architektonisch sehr ansprechenden Familien-Quartiere – beispielsweise mit gemütlich renovierten Bauernhäuser –, wobei ich überall nett gegrüsst worden bin. Der umgebende Wald mit seinen Aussichtstürmen, das mit einer grandiosen Aussicht ausgestattete Freibad, die hohe Anzahl an Ausgehmöglichkeiten abends. Was will man mehr?

Kaffeepause geht immer

Auch der Bevölkerungs-Mix in Winterthur ist erfrischend anders: Eher jüngere Menschen wohnen (und leben!) dort, arbeiten tun vor Ort nur sehr wenige. In anderen Städten drängt sich der Eindruck auf, dass die Menschen nur arbeiten. Ist es nicht unerhört, dass manchmal Bars und Fitnesszentren abends um die gleiche Zeit schliessen?

Naja, auf jeden Fall bin ich nicht nur ein grosser Fan des morgendlichen Aufwach-Kaffees, sondern auch von der kurzen, aber feinen Kaffeepause zwischendurch, von mir aus auch abends. Meine grüne Tasse erinnert mich immer wieder daran.

Mit diesem Beitrag endet die Serie Mein Lieblingsgegenstand der «Zuger Zeitung».

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