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Zug

Mein Lieblingsgegenstand: Auf zwei Schienen ins grosse Glück

Das Generalabonnement gibt Redaktor Marco Morosoli die Freiheit auch ohne Plan ans Ziel zu kommen.
Marco Morosoli zeigt seinen Lieblingsgegenstand: sein Generalabonnement der 1. Klasse. (Bild: Stefan Kaiser, Zug, 5. August 2019)

Marco Morosoli

Das Bahn-Gen stammt von meinem Vater. Mehr als 40 Jahre arbeitete er bei den SBB in der Einnehmerei. Ohne Computer war das keine leichte Aufgabe. Ich habe mich immer wieder gewundert, wie er Streckentarife aus dem Kopf dahersagen und immer die richtigen Billett-Masken finden konnte, auch wenn es eine lange Schlange vor seinem Schalter gab. Das Thema Bahn war in unserer Familie allgegenwärtig. Bei Verwandtschaftsbesuchen in Brunnen habe ich meine Eltern jeweils um Erlaubnis gefragt, im dortigen Bahnhof verbleiben zu dürfen.

Meine Eltern haben nur eine Bedingung gestellt: «Laufe dort nur auf dem schwarzen Strich.» Dieser befand sich genau in der Mitte des Perrons. Ihre Begründung: So wirst du nicht von einem durchfahrenden Zug weggeblasen. Ich laufe noch heute im Bahnhof Brunnen in der Mitte des Perrons, obwohl der schwarze Strich schon längst verschwunden ist. Das Bahnhofpersonal in Brunnen hat ab und an auch gefragt, wohin ich denn wolle. Meine Antwort: «Ich schaue den Zügen zu und schreibe die Wappen von Lokomotiven auf.» Das ist eine Passion.

Wo Bahnhof steht, ist Zug drin

Die Gotthard-Lokomotive Les Verrières habe ich zwar in den 1960er-Jahren noch nicht auf die Reihe gekriegt, wie ich meinen Notizen aus dieser Zeit entnehmen kann. Diesen Zungenbrecher kann ich heute korrekt schreiben, geblieben ist einzig meine mehr als gewöhnungsbedürftige Handschrift.

Ein weiterer Vorteil aus der Tätigkeit meines Vaters für die Bahn: Ich konnte, bis ich 26 Jahre alt war, ein SBB-Billett für ein Viertel des regulären Preises kaufen. Überall wo Bahnhof draufsteht, ist auch Zug drin. Auch heute noch gehe ich in der Schweiz wie auch im Ausland auf die Bahnhöfe. Schaue mich um und freue mich über jeden Zug, den ich dort zu Gesicht bekomme oder durchfahren sehe. So kommen mir oft neue Reisen in den Sinn.

Seit der Jahrtausendwende kaufe ich mir jedes Jahr mit dem Generalabonnement ein Sorglospaket für den öffentlichen Verkehr. Der Preis kennt bei diesem Gut zwar nur eine Richtung, aber das blende ich beim Kauf jeweils aus. Als die Karte der mobilen Freiheit noch blau war, und ich mir das Upgrade für die erste Klasse gönnte, bekam ich wenigstens einen gelben Strich. Mit dem Swiss Pass ist es auch mit dieser Herrlichkeit vorbei. Deshalb kann es passieren, dass ich als «Erstklässler» in einem Zug fahre, in dem sich die beiden Fahrklassen nur durch die Farbe der Polster unterscheiden.

Ich war schon als Kleinkind grün unterwegs

Darüber zu klagen lohnt ebenso wenig wie über die vielen Verspätungen. Alles hat seinen Grund, ändern kann ich das so oder so nicht. Schon eher nervt mich das regelmässige Sonntagsspielchen «Schlag das Generalabonnement», welches die «Neue Zürcher Zeitung» kürzlich auf einen Donnerstag verlegt hat. Da wird mir jeweils vorgerechnet, dass meine gekaufte Mobilität zu billig sei. Ich kann getrost sagen, dass ich mein Generalabonnement nicht heraushole. Ich wage die Behauptung, dass es noch sehr vielen Menschen so geht, die ein GA kaufen. Das GA vermittelt mir die Freiheit, in der Schweiz herumzukurven, wo ich gerade will. Bei sehr vielen Touren ist für mich so oder so der Weg das Ziel.

Ich bin schon als Kleinkind grün unterwegs gewesen, als das Wort Klimadebatte niemandem etwas gesagt hat. Mein Auto habe ich verkauft. Ich geniesse es, im Zug zu lesen, empfehlenswert ist auch das Kopfkino oder mit 100 Stundenkilometern durch einen Bahnhof zu brausen, um herauszufinden, welchen Namen er hat. Ich habe so die Schweiz kennen gelernt. Mittlerweile lässt sich die Karte für die freie Fahrt durch die Schweiz auf dem Smartphone deponieren. Eines ist für mich klar: Komme, was wolle, das Generalabonnement für die erste Klasse bleibt auf Mann, sorgt es doch für Transport und hebt meine Freude am Leben. Es ist Freiheit, wie ich sie verstehe.

In der Sommerserie der «Zuger Zeitung» stellen die Redaktorinnen und Redaktoren ihre Lieblingsgegenstände vor.

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