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Zug

Mein kulinarisches Erwachen

Die meiste Zeit ihres Lebens hat Linda Leuenberger im Glauben verbracht, gut kochen zu können. Das war einmal.
Linda Leuenberger

Linda Leuenberger

Aus einer Familie stammend, für die Essen mehr Nahrung als Genuss ist, dachte ich lange, meine Kochkünste seien ausserordentlich gut. Weder meine Eltern noch mein Bruder können dem Kochen oder dem, was dabei rauskommt, gross etwas abgewinnen. Was mich in dieser Hinsicht zum regelrechten Kuckuckskind macht: Als Einzige getraute ich mich, statt des Anrühr-Stockis auch mal selber Kartoffeln zu stampfen, etwas so Exotisches wie Kokosmilch anzuschaffen oder das Risotto mit einem Schluck Weisswein zu verfeinern.

Mit dem überzogenen Selbstbewusstsein, mir mittels Learning-by-Doing die hohe Kunst des Kochens beigebracht zu haben, habe ich mein Elternhaus dann verlassen. In den fast drei Jahren, die ich mittlerweile in Luzern wohne, mass ich meine Kochkünste immer wieder insgeheim an den wechselnden Mitbewohnern. Ich bildete mir gerne ein, dass meine Speisen ein bisschen mehr von diesem ... «gewissen Etwas» hatten. Ein Mitbewohner, der sich zum Znacht regelmässig Weisstoast-Ketchup-Käse-Sandwiches reindrückte (und mit Käse meine ich den quadratischen plastikmässig-aussehenden einzeln abgepackten Scheibenkäse), bestätigte mich in diesem Glauben jedenfalls zuverlässig.

Doch Sie ahnen es: Wer hoch fliegt, fällt tief. Wir schreiben den 1. Oktober 2020, den Tag meines kulinarischen Erwachens. Frisch umgezogen, tappte ich unbeholfen in der Küche meiner neuen WG herum. Bald schon dämmerte mir: Ich bin umgeben von Küchengeräten, die ich weder je gesehen hatte noch benennen konnte. Ich ahnte Schlimmes.

In den folgenden Wochen musste ich lernen, dass es Menschen – konkret: meine neuen Mitbewohner – gibt, die gewillt sind, für eine selbstgemachte Thai-Currypaste zwei Stunden in der Küche zu stehen. Oder dass es ein Ding ist, Fleisch unendlich lange im Backofen zu schmoren. Dass es ein Knochenjob ist, Pasta selber zu machen, oder dass sich gekochte Eier marinieren lassen. In meiner Bestrebung, mit meinen neuen WG-Gspänli mitzuhalten, habe ich mich von meinen einfältigen Go-To-Gerichten distanziert und mich an einem Apfelkuchen versucht. Doch die Demütigung folgte auf dem Fuss:

«Ja, isch fein. Aber hesch de Teig selber gmacht?»

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