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Luzern

Mein «ikonenhafter Auftritt» im Film – oder wie aus Vorsicht Stolz wird

Als die Autorin am Frauenstreik ungefragt gefilmt wurde, empfand sie das als unangenehm. Jetzt ist sie Teil eines Dokumentarfilms – was die Gefühlslage verändert hat.
(Screenshot
«Nach dem Sturm»)

Beatrice Vogel

Sie haben das vielleicht schon erlebt: Leute, die Sie kennen, oder sogar Sie selbst tauchen in einem Beitrag im Fernsehen auf, in der «Tagesschau» oder in «Schweiz aktuell». Die Person weiss oft gar nicht, dass sie gefilmt wird, ist aber an einer Demo, an der Fasnacht oder sonst im öffentlichen Raum unterwegs und im Blickfeld der Kamera.

Mir ist so etwas noch nie passiert – bis vor kurzem: Als die Filme des Innerschweizer Filmpreises per Stream verfügbar waren, erhielt ich eine Nachricht von einer Freundin. Sie schrieb von einem «geradezu ikonenhaften Auftritt» meinerseits im Film «Nach dem Sturm». Natürlich musste ich mir das anschauen. Und tatsächlich: In einer Sequenz von etwa zwei Sekunden bin ich während des Frauenstreiks 2019 in Luzern zu sehen, ganz allein, mit einer Fahne in der Hand.

Ich gebe zu: Ein bisschen stolz bin ich auf den durch seine Bildsprache tatsächlich ziemlich ikonenhaften Auftritt. Ich bin nun Teil eines Zeitdokuments. Damit gehe ich gewissermassen in die Geschichte ein – und ist das nicht unser aller Ziel? Wobei so ein anonymer Auftritt wohl eher in Vergessenheit gerät als manche Artikel, die ich für die Zeitung schreibe. Mit Letzteren leiste ich eher einen Beitrag für die Gesellschaft, wodurch ein Eingehen in die Geschichte auch verdienter wäre.

Ich kann mich noch gut an diesen «Film-Moment» erinnern. Ich habe den Blick der Kamera gespürt. Das war mir allerdings unangenehm, weshalb ich mich abgewandt habe, was man im Film ebenfalls sieht. Woher das Unwohlsein kam? Weil ich nicht ausdrücklich zugestimmt habe, gefilmt zu werden. Die ständige Präsenz von Smartphones, die schnelle Verbreitung von Bildern haben mich sensibilisiert auf Datenschutz und Persönlichkeitsrechte. Ich achte in der Regel darauf, dass ich nicht in ein fremdes Video hinein platze. Wenn Freunde mich filmen oder fotografieren, weise ich sie darauf hin, dass einige Bilder nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Zwar bin ich es mittlerweile gewohnt, dass mein Gesicht in der Zeitung erscheint. Dass ich nun – wenn auch anonym – in einem Dokumentarfilm vorkomme, ist für mich trotzdem eine neue Dimension von Öffentlichkeit. Natürlich hätte ich den Filmer am Frauenstreik bitten können, das Bildmaterial von mir nicht zu verwenden. Doch der Moment war zu flüchtig, die Möglichkeit, dass ich tatsächlich in den Nachrichten (oder gar in einem Film) auftauche, für mich zu abwegig, als dass sich echte Bedenken einstellten.

Ich bin froh, hinsichtlich Videoaufnahmen vorsichtig zu sein – wer weiss, wovor mich das noch schützen wird! Als ich die Szene im Film sah, stellte sich das Unwohlsein aber nicht ein. Ich fand es eher lustig und eben, ich bin ein bisschen stolz. Trotzdem werde ich mich künftig wieder abwenden, wenn ich merke, dass ich ungefragt gefilmt werde – auch wenn es damit bei dem einen ikonenhaften Auftritt bleibt.

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