Markus Zwyssig
Markus Zwyssig
«Wer nid tanzä und beedälä cha, dem trüüräd wänn's nä butzt kei Tiifel derna», heisst es in der inoffiziellen Urner Hymne «Zoogä-n-am-Boogä.»
Video: Historisierende Darstellung einer Aufführung von «Zoogä-n-am-Boogä» (Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm «Danioth – der Teufelsmaler»)
Der Urner Gassenhauer stammt von Bärti Jütz, der in seinem Leben nur drei Lieder geschrieben hat. «Wenn eini eppä zwängi isch» und «Wätterbrün wiä Kafesatz» sind die anderen beiden Lieder des mit 25 Jahren verunglückten Musikanten.
Jetzt nehmen sich Hanspeter Müller-Drossaart, Schauspieler mit Urner Wurzeln, sowie die beiden Musiker Carlo Gamma und Fränggi Gehrig Liedern von Bärti Jütz, aber auch zahlreichen weiteren alten Urner Tanz- und Spottliedern an.
Die frechen Urner Chilbi-Lieder werden aber nicht wie üblich gesungen, sondern die Texte und Melodien meist getrennt vorgetragen. Dann und wann aber singen und spielen die drei auch ein Lied gemeinsam – immer mit viel Humor. Bei unserem Probenbesuch am Donnerstagnachmittag hält Müller-Drossaart auch mal einen Chilbikrapfen in der Hand und bewegt seine Finger so, als könnte man dieser Urner Spezialität Töne entlocken. Was die drei bieten, gibt dem Zuhörer Gelegenheit, die alten Lieder als neues, überraschendes Hörerlebnis wahrzunehmen.
Nach erfolgreichen Chilbiabend folgt nun die Tournee
Entstanden ist die Idee zu diesem speziellen Zusammentreffen von Musikern und Schauspieler bei einem Chilbiabend in Amsteg. Christof Hirtler, Fotograf und Leiter des Bildfluss-Verlags, hatte für die Veranstaltungsreihe «Amstäg! Literatur & Musik» Müller-Drossaart, Gamma und Gehrig eingeladen. Die Veranstaltung im Oktober vergangenen Jahres war ein Erfolg. Das Programm machte allen Beteiligten so viel Spass, dass sich die drei nun auf eine Tournee begeben.
Müller-Drossaart rezitiert die Liedtexte und beleuchtet das Umfeld ihrer Entstehung. Angereichert wird das Ganze mit hintergründigen, unterhaltsamen Geschichten zur Chilbizeit, zum Kulinarischen und zum Brauchtum. Müller-Drossaart trägt alles in träfem Urner Dialekt vor. Der Schauspieler ist mit Uri und Obwalden eng verbunden. Er wurde in Sarnen geboren, wo er seine ersten Lebensjahre verbrachte. Danach ist er nach einem Umzug der Familie in Erstfeld aufgewachsen. Ab seinem 13. Lebensjahr hat er die Internatsschule am Kollegium Sarnen besucht.
Die bekannten Urner Chilbli-Lieder haben es Müller-Drossaart angetan. Beim Pressetermin gibt er gleich ein paar gesangliche Kostproben. «Beim genauen Hinhören entdeckt man die literarischen Qualitäten», sagt er nach dem Vorsingen. «Solch träfe Sprachbilder und witzig-angriffige Liedzeilen gibt es sonst kaum in der Schweiz.» Die Freude auf die Chilbi war stets gross, denn das war einer der wenigen Anlässe, bei dem man damals den kargen Alltag für einmal vergessen konnte. Deutlich wird bei den Liedern auch: Die Macht der Kirche war damals wahnsinnig gross. Der Pfarrer hatte das Sagen. Vorgeschrieben wurde sogar, wann man heuen durfte und wann nicht. Die Vorschriften habe man aber auch umgangen: «Wenn am Sonntag das Tanzen verboten war, hat man es kurzerhand auf den Montag verschoben», weiss Müller-Drossaart.
Auch musikalisch steckt viel Potenzial in den alten Liedern
Vorgetragen wird alles mit viel Ironie. Denn inzwischen hat sich ja einiges geändert. Tanzen kann man längst nicht mehr nur an der Chilbi. Und trotzdem schwingt auch sehr viel Liebe für die Lieder mit: «Jedes Chilbi-Liäd ist eigentlich eine Hymne», gibt sich Fränggi Gehrig überzeugt. «So viele Hymnen hat sonst kein anderer Kanton.» Die beiden Musiker entdecken viele schöne Melodien und ganz viel Potenzial im spielerischen Umgang mit den alten Liedern. Beim Improvisieren sind neue Facetten des bekannten Liedguts zu entdecken. Müller-Drossaart, Gehrig und Gamma überraschen auch mit einem neuen, aktuellen Chilbi-Liäd.
Bald gehen die drei auf eine Tour, die sie durch die Kantone Uri, Nid- und Obwalden sowie Schwyz führt. Den Anfang nimmt die Reise in Unterschächen. Einen Abstecher gibt es auch nach Andermatt. «Ob wird dort einen Sawiris-Jodel bringen, ist noch offen», sagt Müller-Drossaart und lacht verschmitzt.