Roseline Troxler
Brustkrebs – für Frauen eine Horrorvorstellung. Auch deshalb, weil viele davon ausgehen, dass eine Brustentfernung nach der Diagnose in jedem Fall notwendig ist. Doch das muss nicht sein, wie Peter Dubsky, Leiter des Brustzentrums an der Luzerner Hirslanden-Klinik St.Anna, betont. Er ist aber der Ansicht, dass zu viele Ärztinnen und Ärzte sofort operieren und dabei häufig Brust und Lymphknoten amputieren:
«Die Brustentfernung ist immer einfacher für uns Ärzte. Bei der Brusterhaltung muss man viel genauer arbeiten und die finanzielle Abgeltung ist geringer.»
Die Umsetzung werde damit natürlich nicht gefördert. «Die Brusterhaltungsquote liegt in der Hirslanden-Klinik St.Anna bei zwischen 75 und 80 Prozent», sagt Peter Dubsky nicht ohne Stolz. Sein Anliegen ist es aber, dass an möglichst vielen Kliniken Alternativen zu Entfernungen geprüft werden.
Mit diversen Forscherinnen und Forschern hat der Luzerner Arzt deshalb in den letzten Jahren die «Lucerne Toolbox» entwickelt. «Es handelt sich um einen Wegweiser für Ärztinnen und Ärzte, welche Frauen im frühen Stadium von Brustkrebs behandeln.» Die Toolbox beschreibt den Weg von der Diagnose über eine präoperative Chemotherapie bis hin zu einer möglichen Operation, erklärt der Professor:
«Es handelt sich dabei nicht um Richtlinien, sondern um eine Art Werkzeugkasten, aus dem sich der Arzt bedienen kann.»
Publikation in renommiertem Fachmagazin
Peter Dubsky konnte mit der Lucerne Toolbox jüngst einen grossen Erfolg feiern. So wurden die Empfehlungen im renommierten Fachmagazin «Lancet Oncology» publiziert. «Die Freude über die Publikation war riesig. Dass wir die Lucerne Toolbox als Klinik mit einem kleinen Brustzentrum anstossen konnten, macht uns stolz.» Dubsky äussert aber auch Respekt. «Die Veröffentlichung bedeutet, dass unser Werkzeugkasten nun auf globaler Ebene angeschaut und kritisiert wird», erklärt der Luzerner Arzt. Die Publikation hat zur Folge, dass die Vorgehensweise in die internationalen Standards bei der Behandlung von Brustkrebs aufgenommen werden dürfte. Und Peter Dubsky hofft, dass ein Umdenken stattfinden wird.
Wenn die Brust erhalten werden soll, wird zunächst intensiv Chemotherapie gemacht und danach analysiert, ob der Tumor genügend geschrumpft ist, erklärt Dubsky. Nicht in jedem Fall könne natürlich auf eine Operation verzichtet werden. Der Leiter des Brustzentrums ärgert sich allerdings über Ärzte, die pauschal sagen, dass Frauen sich die Brust lieber entfernen lassen wollen. «Es gibt Frauen, die sich das tatsächlich wünschen, selbst wenn der Tumor genügend geschrumpft ist. Zentral ist aber, dass den Frauen die verschiedenen Optionen mit ihren Vor- und Nachteilen aufgezeigt werden.» Ausserdem lohne es sich, die Betroffenen zu diesem Vorgehen zu ermuntern, wenn der Tumor durch die Chemotherapie stark geschrumpft sei:
«Unsere Aufgabe ist es, unsere Patientinnen aufzuklären, damit sie sich nicht aus Angst sogleich für eine Brustentfernung entscheiden.»
Obwohl die Brust mit plastischer Chirurgie wieder aufgebaut werden könne, wirke sich die Operation auf die Lebensqualität aus. «Nur eine erhaltene Brust bleibt berührbar und empfindlich.» Die Wünsche der Frauen unterscheiden sich laut Peter Dubsky je nach Land erheblich. «In Amerika ist der Anteil der Frauen, welche sich eine Brustentfernung wünschen, mehr als doppelt so hoch.»
Toolbox entstand an einer Konferenz in der Stadt Luzern
Wie aber ist es überhaupt zur Entstehung der Lucerne Toolbox gekommen? Ihren Namen verdankt sie dem Austragungsort einer Konferenz, die vor zwei Jahren in Luzern stattfand. Teilgenommen haben Fachleute aus ganz Europa und den USA. «Es waren nebst Chirurgen Vertreter verschiedener Disziplinen dabei, welche im Zusammenhang mit der Behandlung von Brustkrebspatientinnen stehen.» Und wichtig für Peter Dubsky: Vor Ort waren auch Patientenvertreter. «Das Vorgehen in der Lucerne Toolbox haben wir aus Patientensicht geschildert, ein in der Wissenschaft noch unübliches Vorgehen.»
Wie wird die Lucerne Toolbox von Experten beurteilt? Wolfgang Janni, Direktor der Frauenklinik Universitätsklinikum Ulm, begrüsste gegenüber der «NZZ am Sonntag» den entwickelten «Werkzeugkasten». Einen grossen Mehrwert sieht er darin, dass die Toolbox komplizierte Situationen einfach erkläre. Susanne Bucher, Co-Chefärztin und Leiterin Brustzentrum am Luzerner Kantonsspital (Luks), sagt auf Anfrage: «Ob das Instrument künftig einen wesentlichen Beitrag im Bereich der neoadjuvanten Therapie leistet, wird sich erst langfristig beurteilen lassen.» Bei dieser Therapieform handelt es sich um Therapien mit dem Ziel, vor einer Operation die Tumormasse zu reduzieren. Die Möglichkeiten für Diagnostik und Therapie sind laut Susanne Bucher am Brustzentrum des Luks bereits heute sehr gut und werden laufend weiterentwickelt. «Eine unmittelbare Auswirkung für unsere Patientinnen hat die Toolbox daher nicht.»