Urs-Ueli Schorno
Urs-Ueli Schorno
«Nach mehr als 40 Jahren aktiver Politik, davon 35 Jahre im Parlament auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene, habe ich mich entschieden, im Herbst 2019 nicht mehr für den Ständerat zu kandidieren.» Mit diesem Satz liess CVP-Schwergewicht Konrad Graber am Mittwochabend vor den Delegierten der CVP Luzern die Katze aus dem Sack. Er beendete zugleich auch Spekulationen um eine allfällige Bundesratskandidatur nach dem absehbaren Rücktritt von CVP-Magistratin Doris Leuthard. Die laufende Legislatur werde er noch mit vollem Einsatz zu Ende führen, so Graber weiter.
Dass diese Ankündigung für viele überraschend kommt, weiss auch der 60-Jährige. «Ich bin fit, glücklicherweise bei bester Gesundheit, und es steht auch kein Skandal im Haus», fügte Graber vor über 200 Delegierten an. Er sei immer der Auffassung gewesen, dass solche Ämter auch von einem gesunden Wechsel leben würden. «Als jemand, der in der jungen CVP gross geworden ist, möchte ich einer kommenden Generation nicht im Wege stehen.»
Graber wünscht sich einen Nachfolger mit Schnauf für zwei Legislaturen
Es werde wichtig sein, so Graber weiter, dass seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger die aktuellen Dossiers während mindestens zwei Legislaturen mitgestalten könne. «Die zurzeit anstehenden zentralen Fragen wie Altersvorsorge, unser Verhältnis zur EU und Gesundheitskosten werden uns über die nächste Legislatur hinaus beschäftigen.»
Graber betonte vor den Delegierten auch, seine Entscheidung erfolge nicht etwa aus Frustration, «sondern im Wissen, dass es auch ein Leben nach der Politik gibt». An Beschäftigung wird es ihm sicher nicht fehlen: Er bleibt Partner und Verwaltungsrat des Finanzberatungsunternehmens BDO sowie Verwaltungsratspräsident von Emmi. «Was darüber hinaus allenfalls erfolgt, ist noch völlig offen. Klar ist, dass ich mich politisch nicht mehr aktiv betätigen werde.» Er könne sich aber gut vorstellen, dass er sein Wissen und seine Erfahrung auf andere Weise «nutzstiftend» einbringe. Und: «Bestimmt werde ich in den kommenden Jahren auch mein Gesamtarbeitspensum etwas reduzieren.»
CVP hält an Sitzanspruch fest
Der Zeitpunkt für Grabers Ankündigung ist delikat. Schliesslich stehen am 20. Oktober 2019 die Wahlen der Luzerner Stände- und Nationalräte an. Als stärkste Partei im Kanton Luzern wird die CVP ihren Anspruch auf einen Sitz im Ständerat geltend machen wollen. Auch ihre drei Sitze im Nationalrat will die Luzerner CVP fraglos verteidigen – selbst wenn der Stand Luzern in der nächsten Legislatur insgesamt einen Nationalratssitz weniger zugesprochen bekommt (9 statt 10).
Den CVP-Anspruch auf einen der beiden Luzerner Ständeratssitze bestätigt auch Christian Ineichen, Präsident der CVP Luzern. Ob, wie von Graber angedacht, ein jüngerer Kandidat oder eine Kandidatin portiert wird, kann Ineichen noch nicht sagen. Für solche Spekulationen sei es zu früh. «Wir werden den normalen Prozess durchlaufen: Zuerst werden die Wahlkreise ihre Empfehlungen abgeben, dann liegt es an den Delegierten, Personen auszuwählen.»
Dass der gestandene Politiker Graber, wenn auch kein Vakuum, dann doch eine Lücke hinterlassen wird, weiss auch Ineichen: «Wir können uns ausserordentlich glücklich schätzen, jemanden wie Konrad Graber in unseren Reihen zu haben.» Seine Fähigkeiten, Brücken zu bauen, Kompromisse zu erreichen und als stiller Schaffer im Hintergrund zu wirken, seien nicht hoch genug zu bewerten. Doch Ineichen ist überzeugt: «Wir haben sehr gute Kandidaten.»
«Mein nächstes politisches Ziel bleibt die Wahl als Regierungsrat im März 2019»
Regierungsrat Guido Graf
Diese möglichen Kandidaten für die Nachfolge Grabers als Ständerat, aber auch mögliche Luzerner Bundesratskandidaten hielten sich gestern zurück. Etwa Regierungsrat Guido Graf: Vor Kurzem durfte noch davon ausgegangen werden, dass ein nationales Amt für ihn ausser Reichweite steht. Eben weil der Ständeratssitz von Parteikollege Konrad Graber besetzt war– und er selbst nicht für den Nationalrat kandidieren wollte. Nun hat sich Graber auch als Bundesratskandidat aus dem Rennen genommen. Für Graf ändert sich deshalb an seinen Zielen nichts: «Mein nächstes politisches Ziel bleibt die Wahl als Regierungsrat im März 2019», betonte er gestern im Anschluss an die Versammlung.
Derweil verweilten die meisten Delegierten gestern noch etwas länger beim Apéro in der Stadthalle. Besonders gefragt war natürlich Konrad Graber - doch die Frage nach seiner Nachfolge stand gestern quasi schon im Raum. Noch liess sich, weder vor den Medien noch vor Parteikollegen, kaum ein Vertreter in die Karten blicken lassen, aber Gedanken machen werden sich in den nächsten Tagen viele. Ein Parteivertreter sagt hinter vorgehaltener Hand: «Die, die es heute am stärksten Verneinen, haben wohl das grösste Interesse.»