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Luzerner Regierung will das Hofsterben im Berggebiet bremsen

Kleinbetriebe im Luzerner Berggebiet sollen durch eine Gesetzesänderung in den Genuss von Privilegien kommen, wie sie derzeit nur grössere Höfe kennen. Ob sich damit der Strukturwandel verlangsamt, ist allerdings fraglich.
Blick auf die Schrattenfluh, von Marbachegg aus. Die Luzerner Regierung will Kleinbetriebe im Berggebiet unterstützen. (Bild: Christian Beutler/Keystone, 29. Juni 2016).

Die Zahl der Luzerner Bauernhöfe hat zwischen 2000 und 2016 um einen Fünftel abgenommen, am stärksten in der Bergzone. Diesen Strukturwandel will die Regierung bremsen: Sie schlägt dem Parlament eine Änderung des Landwirtschaftsgesetzes vor.

Künftig sollen mehr Kleinbetriebe im Berggebiet als landwirtschaftliches Gewerbe gelten und von damit verbundenen Privilegien profitieren: Für Höfe mit Gewerbestatus gilt das bäuerliche Bodenrecht. Bei einer Betriebsübergabe innerhalb der Familie profitieren Nachkommen von einem Vorzugspreis, der weit unter dem Verkehrswert liegt. Punkto Raumplanung können beispielsweise Einrichtungen für Agrotourismus bewilligt werden. Zudem werden für landwirtschaftliche Gewerbe Pachtzinse tiefer festgelegt als für Höfe unter der Gewerbegrenze.

Massnahme zur Existenzsicherung

Aktuell zählt der Kanton Luzern in der Bergzone 1532 Betriebe. 1131 davon gelten bereits als landwirtschaftliches Gewerbe, 134 kämen aufgrund der Gesetzesänderung per 1. Januar 2019 neu hinzu. Technisch gesehen wird die Gewerbegrenze tiefer angesetzt – bei 0,6 statt 0,8 SAK. Das entspricht einer 60-Prozent-Stelle bei einer 50-Stundenwoche.

SAK steht für Standardarbeitskraft und ist die Einheit zur Bemessung der Betriebsgrösse. Sie beschreibt den Aufwand, der für die Bewirtschaftung eines Hofes nötig ist. Der Wert entscheidet auch darüber, ob ein Betrieb Direktzahlungen erhält – dafür braucht es mindestens 0,2 SAK.

Laut Botschaft der Regierung liegt die Gewerbegrenze bei einer Mehrheit der Kantone in allen Zonen bei 1,0 SAK – eine Berechnung, wie sie Luzern anstrebt, kennen bislang nur das Tessin und Glarus. Im Kanton Bern ist der politische Wille für eine Senkung auf 0,6 SAK ebenfalls vorhanden.

Bauernverband begrüsst Änderung

Die Pläne der Regierung kommen beim Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband sehr gut an: «Wir begrüssen den Entscheid der Regierung ausdrücklich», sagt Geschäftsführer Stefan Heller. «Durch den Gewerbestatus sind raumplanerisch die Hürden weniger hoch, auch dürfte sich die Finanzierung von Strassenprojekten vereinfachen.» Denn für die Erschliessung von Höfen im Berggebiet gibt es von Bund, Kanton und Gemeinde nur Geld, wenn diese als landwirtschaftliche Gewerbe gelten.

«Wir gehen nicht davon aus, dass sich die Herabsetzung der Gewerbegrenze stark auf den Strukturwandel auswirken wird.»

Stefan Heller, Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband

«Hingegen gehen wir nicht davon aus, dass sich die Herabsetzung der Gewerbegrenze stark auf den Strukturwandel auswirken wird. Wir sprechen hier von sehr kleinen Betrieben mit beispielsweise 9 Kühen und 8 Hektaren Land in teilweiser Hangneigung», sagt Heller, der auch Vorstandsmitglied im Solidaritätsfonds für die Luzerner Bergbevölkerung ist. Er rechnet damit, dass auch in Zukunft jährlich 1,5 Prozent aller Betriebe verschwinden. Aktuell zählt Luzern rund 4500 direktzahlungsberechtigte Höfe.

Kantonsrat spurte mit zwei Vorstössen vor

Das Geschäft wird voraussichtlich in der September-Session erstmals beraten. Die Regierung legt dem Parlament die Gesetzesänderung ohne Vernehmlassung vor. Der Grund dafür sind zwei Vorstösse mit der gleichen Stossrichtung: Mit 79 zu 25 Stimmen wurde im Dezember eine Motion von Pius Kaufmann (CVP, Wiggen) als erheblich erklärt. Und schon im September 2015 wurde eine Motion von FDP-Kantonsrätin Helen Schurtenberger (Menznau) als Postulat überwiesen – mit 59 zu 37 Stimmen. Interessant dabei war das Verhalten der SVP: Hatte sich die Fraktion 2015 noch grossmehrheitlich für eine teilweise Erheblicherklärung des Postulats ausgesprochen, war sie 2017 bis auf eine Ausnahme für die Überweisung als Motion.

Ausgelöst hatte die Forderung eine Anpassung auf Bundesebene: Seit 2016 gelten neue Berechnungsgrundlagen zur SAK-Bestimmung. Die Anpassung der Faktoren sollte den technischen Fortschritt abbilden, brachte aber gleichzeitig Kleinbetriebe unter Druck. Dies wollten Schurtenberger wie Kaufmann korrigieren – mit dem Spielraum, den der Bund den Kantonen in dieser Frage einräumte. Kaufmann sagt: «Mit dem Richtplan hat sich der Kanton Luzern den Auftrag gegeben, in Gemeinden mit traditioneller Streubauweise und Abwanderungstendenzen die Dauerbesiedlung gezielt zu fördern. Die Senkung der Gewerbegrenze ist eine Massnahme dafür.»

Wohl kein Beschleuniger für Agrotourismus

Innovative Bauern sollen nicht gebremst werden und von einfacheren Bewilligungsverfahren profitieren. «Wer einen Stall für Schlafen im Stroh umnutzen will, soll dies machen können», sagt Kaufmann. Einen Boom in Sachen Agrotourismus erwarten aber weder Heller noch Kaufmann. Der Gemeindeammann von Escholzmatt-Marbach, der seinen Hof verpachtet hat, sagt: «Das ist ein hartes Business, diesen Schritt wagen nur wenige.»

Als gering erachten die beiden auch die Gefahr, dass mit der Änderung der Gewerbegrenze Kleinbetriebe künstlich am Leben gehalten werden. «Der Strukturwandel folgt anderen Gesetzen und hängt nicht von solchen technischen Änderungen ab», sagt Heller. Und Kaufmann fügt an: «Die fehlende Nachfolge ist oft das viel grössere Problem.»

«Der steigende Schutzstatus für existenzgefährdete Betriebe ist aus Sicht einer produzierenden Landwirtschaft fragwürdig.»

Raimund Rodewald, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz

Eine tiefe Gewerbegrenze im Berggebiet hält auch die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz für «grundsätzlich sinnvoll», so Geschäftsleiter Raimund Rodewald. «Der steigende Schutzstatus für existenzgefährdete Betriebe ist im heutigen Wettbewerbsumfeld und aus Sicht einer produzierenden Landwirtschaft allerdings fragwürdig.» Rodewald warnt: Wenn es nur darum gehe, Nebengewerbe und Wohnbauten zu ermöglichen, die später aufgrund einer Betriebsaufgabe zonenwidrig würden, «wäre dies nicht im Dienste der Raumplanung und der Landwirtschaft».

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