Christian Glaus
Ein Satz soll die Stadt Luzern wieder aus dem Schlamassel ziehen: «Abbrüche von Bauten [...] sind ausnahmsweise zulässig, wenn diese für den Zweck der Ortsbildschutzzone B nicht von Bedeutung oder störend sind.» Dies schlägt der Stadtrat als Reaktion auf mehrere ähnlich gelagerte Fälle vor (Artikel vom 6. September): Mehrfach hat er den Abbruch von Häusern bewilligt, wurde aber vom Gericht zurückgepfiffen.
Nach einem Bundesgerichtsentscheid sind nun Abbrüche in der Ortsbildschutzzone B, welche grosse Teile des Stadtzentrums ohne Altstadt betrifft, nicht mehr möglich. Die Ergänzung im Bau- und Zonenreglement soll dies wieder rückgängig machen. Dies schlägt der Stadtrat in seiner Stellungnahme zu einer Motion von Rieska Dommann (FDP) vor.
Doch mit seiner Formulierung wirft der Stadtrat noch mehr Fragen auf. Was heisst eigentlich störend? Und wer entscheidet, ob ein Gebäude störend oder nicht von Bedeutung ist? Architektur ist bekanntlich Geschmackssache. Je nach Betrachter kann ein anderes Gebäude als störend empfunden werden.
Entscheidungshoheit liegt bei Baudirektion
Eine wichtige Rolle in dieser Frage dürfte der Stadtbaukommission zukommen. Es handelt sich dabei um ein achtköpfiges Fachgremium, welches die Baudirektion bei Veränderungen in der Ortsbildschutzzone B berät. «Dazu gehören auch Abbrüche», sagt Daniel Bernet, Jurist der städtischen Baudirektion. In der Stadtbaukommission sitzen mehrheitlich Architekten und Landschaftsarchitekten. Dazu kommen – aufgrund ihres Amtes – Denkmalpflegerin Cony Grünenfelder und Stadtarchitekt Jürg Rehsteiner.
«Für die Beurteilung, ob ein Gebäude störend oder nicht von Bedeutung ist, ist die Baudirektion als Baubewilligungsbehörde zuständig.»
Daniel Bernet, Städtische Baudirektion
Die Stadtbaukommission hat allerdings nur eine beratende Funktion. «Für die Beurteilung, ob ein Gebäude störend oder nicht von Bedeutung ist, ist die Baudirektion als Baubewilligungsbehörde zuständig», erklärt Bernet. Die Baudirektion müsse ihr Ermessen pflichtgemäss ausüben. Als Grundlage diene das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung (ISOS) und das kantonale Bauinventar. In letzterem sind geschützte oder schützenswerte Bauten erfasst.
Über den stadträtlichen Vorschlag wird sich das Parlament voraussichtlich am 20. September beugen. Dann entscheidet der Rat, ob Rieska Dommanns Motion überwiesen wird. Dieser will Abbrüche auch dann erlauben, wenn diese von öffentlichem Interesse sind. Das geht dem Stadtrat allerdings zu weit, weshalb er die Motion ohne diesen Zusatz entgegennehmen will.
Begriff «störend» ist juristisch «problematisch»
So oder so dürfte das Geschäft noch viel zu reden geben. Schon Dommann kritisierte gegenüber unserer Zeitung, es sei unklar, was unter einer Störung des Stadtbildes zu verstehen sei. Auch Nico van der Heiden (SP) und Roger Sonderegger (CVP) haben Bedenken. Beide sind wie Dommann Mitglied der Baukommission des Stadtparlaments. Sonderegger spricht von einem «schwierigen Fall». Es sei fraglich, ob die vom Stadtrat vorgeschlagene Formulierung vor Gericht standhalten würde. Van der Heiden ergänzt: «Das Wort störend ist juristisch ein hoch problematischer Begriff.»
Die Auslegung des Begriffs sei schwierig, sagt der SP-Politiker und verweist auf das Schulhaus Grenzhof in Littau, das sich allerdings nicht in einer Ortsbildschutzzone befindet. «Der Stadtrat findet das Gebäude störend, der Denkmalschutz hingegen überhaupt nicht.» Das Beispiel zeigt, was störend ist, kann ganz unterschiedlich ausgelegt werden. Den Grenzhof erachtet der Stadtrat nicht wegen seiner Architektur als störend, sondern weil das Gebäude nicht in seine Pläne für den Schulraum in Littau passt.
Es scheint also, dass der Stadtrat mit seinem Formulierungsvorschlag noch keine mehrheitsfähige Lösung gefunden hat. Gut möglich, dass das Stadtparlament Dommanns Motion überweist – verbunden mit der Hausaufgabe, eine klarere Formulierung zu finden. Der Zeitpunkt dafür würde gut passen: Nach einer allfälligen Überweisung der Motion muss der Stadtrat eine überarbeitete Fassung des Bau- und Zonenreglements vorlegen, welche wiederum im Parlament behandelt wird.