notifications
Luzern

Luzerner Mädchenschule St. Agnes: Hier wurde «à la française» unterrichtet

Das Mädchenpensionat St. Agnes in der Stadt Luzern wurde 1893 gegründet und 1990 geschlossen. Die St.-Agnes-Schwestern blicken auf die Geschichte ihrer Schule zurück. Einst ging hier gar eine Prinzessin zur Schule.
Klara Maria, die Oberin der Schwesterngemeinschaft St. Agnes, vor dem Bellevue-Gebäude am Abendweg 1 in Luzern, dem Standort des ehemaligen Mädchenpensionats.
(Bild: Pius Amrein (31. Juli 2018))
Schülerinnen beim Turnunterricht in der Turnhalle. «Körperliche Ertüchtigung, Gymnastik und Anmut» lautete die Devise.
Klavier-, Gitarren- und Geigenunterricht im Mädchenpensionat St. Agnes.
(Historische Bilder: Archiv Schwesterngemeinschaft St. Agnes)

Hugo Bischof

Hugo Bischof

Hugo Bischof

Viele Luzernerinnen, aber auch Auswärtige werden sich noch gut an das Mädcheninstitut St. Agnes erinnern. Es befand sich im «Bellevue»-Gebäude am Abendweg 1 in der Stadt Luzern, nahe des alten Friedhofs an der Kreuzung Adligenswilerstrasse. Die Agnes-Schule gibt es seit 28 Jahren nicht mehr. Heute befindet sich im «Bellevue» unter anderen die Katholische Landeskirche und eine Montessorischule.

Das Institut St. Agnes wurde am 22. Juli 1893 gegründet, also vor 125 Jahren. Dieses Jubiläum begeht die Schwesterngemeinschaft St. Agnes heuer unter anderem mit einer Ausstellung. Um mehr über die Geschichte der Schwestern zu erfahren, haben wir uns mit ihrer aktuellen Oberin verabredet.

Schwester Oberin – eine vife ältere Dame

Schwester Klara Maria ist eine vife ältere Dame. Sie ist mit 87 Jahren die jüngste der noch verbliebenen vier Agnes-Schwestern. Gekleidet im schlichten weissen Kleid ihrer Gemeinschaft, empfängt sie uns im Schwesternheim Rosenhalde an der St.-Anna-Strasse, wo die Agnes-Schwestern heute leben. Klara Maria wuchs in Selzach bei Solothurn auf. Ursprünglich hiess sie Lotti Kocher und war Bäckerstochter. Sie wurde früh schon Präsidentin eines katholischen Arbeiterinnenvereins. Mit 30 Jahren trat sie in ein Dominikanerinnenkloster ein.

Der Impuls für die Gründung der Agnes-Gemeinschaft Luzern ging von Frankreich aus. Dort führten die Schwesterngemeinschaften der Dominikanerinnen mehrere Mädchenschulen, als sie sich entschlossen, eine Niederlassung in einer «bekannten Schweizer Stadt» zu gründen. Das Institut wurde nach der heiligen Agnes benannt. Für die Schule wurde 1893 zuerst die Villa Friedheim im Wettstein-Park an der Brambergstrasse 7 gemietet. Diese war aber bald zu klein für die vielen Schülerinnen. Anfang 1895 kauften die Dominikanerinnen deshalb das Hotel Bellevue. Dieses hatte allerdings trotz seiner wunderbaren Lage mit Blick auf die Stadt und den See nie als Hotel gedient.

Das «Bellevue»-Gebäude war 1865 erbaut worden. Ab 1872 waren darin die Büros der Gotthardbahn untergebracht. Kurze Zeit gehörte die Liegenschaft dem Stift St. Leodegar, bevor sie die Dominikanerinnen erwarben. Im Oktober 1895 hatte die Agnes-Schule schon zehn Primar- und Sekundarklassen – acht in deutscher, zwei in französischer Sprache. «Damals galt die Erziehung à la française als sehr vornehm und fein und wurde besonders von begüterten Patrizierfamilien geschätzt», heisst es in der Jubiläumsschrift. Eine prominente Schülerin war etwa Prinzessin Irène von Griechenland. Auch Töchter aus deutschen Adelsfamilien und von Auslandschweizern besuchten zusammen mit Luzerner Schülerinnen den Unterricht.

Französisch lernen und zur Swissair gehen

Schon bald platzte das Institut auch am neuen Standort aus allen Nähten. Es kam eine Handelsschule dazu. 1902 wurde ein erster Trakt angebaut, der heutige Flügel am Abendweg 1. 1914 entstand eine Terrasse mit Blick auf Hofkirche und Kapellbrücke. Später folgten weitere Um- und Anbauten, etwa ein grosser Studiersaal sowie ein zusätzlicher 4. und 5. Stock am Abendweg 1. Das Kursangebot wurde ausgebaut, ein Kindergarten kam dazu. Die Schule öffnete sich für breite Bevölkerungsschichten.

Zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg lebten zeitweise bis zu 40 Schwestern im Sankt Agnes. Besonders für Mädchen aus dem Tessin sei St. Agnes interessant gewesen, sagt Schwester Klara Maria: «Wenn sie zurückkehrten, hatten sie ein gutes Deutsch. Viele lernten auch Französisch, um bei der Swissair arbeiten zu können.» Während des Zweiten Weltkriegs nahm die Zahl der Schülerinnen ab. «Nach dem Krieg kamen auch keine Ausländerkinder mehr nach Luzern», erzählt Schwester Klara Maria.

Steigende Kosten und Nachwuchsprobleme
bei den Schulschwestern

Dazu gab es bei den Schulschwestern Nachwuchsprobleme. «Wir mussten mehr weltliche Lehrerinnen einstellen, was die Schulkosten in die Höhe trieb.» Öffentliche Subventionen gab es keine. «Erst als wir eine Klasse auflösten, erklärte sich die Stadt Luzern bereit, einen finanziellen Beitrag zu leisten, allerdings nur für ein Jahr», sagt Schwester Klara Maria. «Vorher gab es von der Stadt keine fünf Rappen.»

Auch das reichte nicht; ab den 1980er-Jahren wurde die Schule immer kleiner. Zuletzt wurden im St. Agnes nur noch eine kleine Anzahl Sprachkurse unterrichtet. 1990 wurde die Schule geschlossen. Die Schwestern verkauften das «Bellevue» an das Bistum Basel. 2009 zogen sie sich auch aus dem Ostflügel zurück und veräusserten diesen an die Landeskirche, die dort heute ihre Verwaltung hat. Neben einer Montessorischule, die sich dort einmietete, befindet sich im Gebäude heute auch Curaviva, der Verband Heime und soziale Institutionen Schweiz. Auch die höhere Fachschule für Sozialpädagogik der Hochschule Luzern hat dort Räume, ebenso wie das Institut für kirchliche Weiterbildung der Theologischen Fakultät der Universität Luzern. Die Dominikanerinnen selber üben seither vermehrt Dienste in Heimen aus und unternehmen Hausbesuche.

Die drei verbliebenen Mitschwestern der Oberin Klara Maria sind alle pflegebedürftig. «Meine Aufgabe ist es, diese in Liebe in Krankheit und Altersbeschwerden bis zum Tode zu begleiten», sagt Klara Maria. Ihr Ableben werde auch das Ende der St.-Agnes-Gemeinschaft in Luzern bedeuten.

Andere Mädchenschulen
erlitten ein ähnliches Schicksal

Andere Mädchen-Institute in Luzern haben ein ähnliches Schicksal erlitten. So etwa die von den Dorothea-Schwestern geführte private Mädchen-Tagesschule am Institut Rhaetia in der Stadt Luzern. Sie wurde 2017 nach über 100-jährigem Bestehen geschlossen. Die Gründe waren auch hier ein starker Rückgang der Schülerinnenzahlen sowie Nachwuchsprobleme bei den Schulschwestern. Das Gebäude an der Lindenfeldstrasse in Luzern wurde einer Wohnnutzung zugeführt. 2003 geschlossen wurde das Töchterinstitut Marienburg in Wikon. Das ehemalige von den Baldegger Schwestern geführte Töchterinstitut Stella Matutina in Hertenstein wird seit 1995 als Bildungshaus mit religiösen und anderen Angeboten geführt.

Hinweis: «125 Jahre Dominikanerinnen in Luzern»: Ausstellung im Gebäude der Katholischen Landeskirche am Abendweg 1 in Luzern, im ehemaligen Institut St. Agnes. Geöffnet: Montag bis Freitag, zwischen 8 und 17 Uhr. Die Ausstellung dauert bis zum 20. September.

Kommentare (0)