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Luzern

Luzerner Lehrer sorgen sich um Ranking

Neu werden im Kanton Luzern mit dem Leistungstest «Stellwerk» nicht nur die Schüler verglichen, sondern auch die Klassen. Wenn diese zu stark vom kantonalen Schnitt abweichen, muss die Schulleitung handeln. Dieses Vorgehen erntet bei den Lehrern Kritik.
Luzerner Sekschüler müssen im zweitletzten und letzten Schuljahr den Stellwerktest absolvieren. (Symbolbild: Boris Bürgisser)

Roseline Troxler

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Roseline Troxler

Für alle Zweit- und Drittsekschüler im Kanton Luzern heisst es einmal pro Jahr: Antraben zum Stellwerktest. Dabei handelt es sich um einen einheitlichen Test, der ein Leistungsprofil der Schüler erstellt. Der Test dient laut Charles Vincent, Leiter der Dienststelle Volksschulbildung, in erster Linie der Standortbestimmung der einzelnen Schüler.

Er zeigt aber auch den Leistungsstand einer Klasse beziehungsweise das Ergebnis auf Kantonsebene auf. Die Ergebnisse werden seit Jahren kantonal ausgewertet und publiziert. «Neu erhalten die Schulleitungen zusätzlich die Ergebnisse aufbereitet für ihre Schule. Dies soll für sie eine Erleichterung darstellen.»

Beispielaufgabe 1: Deutsch

Doch viele Luzerner Lehrerinnen und Lehrer, die den Test mit ihren Schülern durchgeführt haben, gingen bis vor kurzem davon aus, dass es nur um eine Standortbestimmung für die Schüler geht. Laut Vincent wurden die Schulleitungen allerdings bereits vor einem Jahr über diesen Schritt informiert. Er sagt: «Wir haben die Daten, welche wir bereits vorher kantonal ausgewertet haben, nun erstmals mit dem Vergleich an die Schulleitungen gesendet und diese gebeten, Schlussfolgerungen zu ziehen.»

Bei Abweichung braucht es eine Begründung

Das kommt nicht überall gut an. Eine Sekundarlehrerin ärgert sich: «Es werden nicht mehr nur die Schüler, sondern auch die Lehrer miteinander verglichen.» Denn bei Klassen, welche um mehr als zehn Prozent vom kantonalen Durchschnitt abweichen, muss die Schulleitung neu Stellung nehmen und Massnahmen vorsehen. Dies bestätigt Charles Vincent. Der Fall sei dies bei rund zehn von 179 Klassen. In den Vergleich und die Beurteilung mit einbezogen werden die Kompetenzen in Mathematik und Deutsch. Die Abweichungen von zehn Prozent und mehr betreffen in den meisten Fällen nur eines der beiden Fächer.

Beispielaufgabe 2: Deutsch

Zu den Massnahmen, die getroffen werden können, sagt er: «Eine Möglichkeit sind zusätzliche Förderlektionen für die Klassen, weitere Stunden für Deutsch als Zweitsprache oder etwa ein Coaching für die Lehrperson.» Dass bei einem schlechten Abschneiden der Klasse die Lehrer Unterstützung erhalten sollen, passt vielen Lehrern nicht. Vor allem auch, weil Klassen mit vielen Fremdsprachigen oder Niveau C-Klassen öfters abweichen. Charles Vincent begründet: «Beim Stellwerk am Ende der 9. Klasse sind Fördermassnahmen nicht mehr möglich. Wenn die Auswertung vorliegt, haben die Schüler die obligatorische Schulzeit bereits beendet.»

«Der Zweck des Vergleichs muss transparent sein»

Hubert Müller, Schulleiter der 5. bis 9. Klasse in Willisau, kann «nachvollziehen, dass der Kanton die Resultate des Stellwerks auch in die kantonale Schulentwicklung einbeziehen will». Die Rückfrage der Dienststelle bei einer Abweichung von zehn Prozent und mehr sei legitim. Ähnlich tönt es bei Vreni Völkle, Rektorin der Volksschulen in der Stadt Luzern. «Bei grösseren Abweichungen muss die Schule ein Interesse haben, die Gründe dafür zu finden und Massnahmen abzuleiten.» Auch Lukas Brunner, Schulleiter der Schule Berghof Wolhusen, findet es für die Weiterentwicklung der Schule positiv, wenn sich das Team darüber unterhalte, wie es zu den Resultaten gekommen sei und welche Massnahmen man treffen könne.

Beispielaufgabe 3: Mathematik

Trotz des interessanten Vergleichs sehen die Schulleitungen auch Gefahren: «Der Zweck des Vergleichs muss transparent sein. Es soll kein Ranking zwischen den Schulen oder Lehrpersonen daraus resultieren», betont Völkle. Dies sieht auch Brunner so: «Der Stellwerktest liefert einen Durchschnitt. Das Resultat hängt sehr von der Zusammensetzung der Klassen ab. Dass der Kanton nun die Schulen mit den Resultaten der Stellwerktests vergleichen will, finde ich problematisch.» Für Völkle hat die demografische Zusammensetzung einen grossen Einfluss auf die Testergebnisse.

Resultate nicht «auf goldenen Altar legen»

Der Stellwerktest als Förderinstrument wird hingegen als gute Sache angesehen. So wüssten die Schüler, wo sie stehen und die Lehrer, welche Themen zu repetieren sind, sagt Brunner. Für Müller liefert der Test einen interessanten «Quervergleich mit Tausenden von anderen Schülern oder Klassen». Er warnt allerdings davor, «die Resultate auf den goldenen Altar zu legen». Sie würden nur einen kleinen Teil der Lernziele abbilden.

Beispielaufgabe 4: Mathematik

Brunner sieht im Test negative Folgen für die Lehrer: «Der Rückschluss, dass gute Stellwerkresultate bedeuten, dass die Lehrperson besser unterrichtet als eine, bei der die Klasse schlechte Resultate absolviert, ist falsch.» Bei solchen Vergleichen müsse man aufpassen, dass der Druck nicht zu gross wird. «Ich kenne Lehrpersonen, welche vor den Stellwerktests nicht mehr gut schlafen, da sie Angst haben, dass die Schüler schlechte Resultate haben.» Eine Lehrerin bestätigt die Befürchtungen und glaubt, dass Lehrer mit ihren Klassen künftig gezielter auf die Stellwerktests hin lernen werden.Vincent hat ein gewisses Verständnis für die Vorbehalte, sagt aber: «Wir haben bei der Einführung der Stellwerktests vor zehn Jahren diese Verwendungsform noch nicht geplant. Deshalb wurde nicht darauf hingewiesen, dass wir den Stellwerktest 9 auch für die Qualitätsentwicklung der Schulen brauchen.» Dafür auf andere Tests zu setzen, würde zu Mehrkosten führen, gibt er zu bedenken.

Die Lösungen der 4 Beispielaufgaben: 1) richtig, falsch 2) wieder 3) 17 4) A2, B1, C3

Weitere Infos zum Stellwerktest gibt eshier.

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