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Luzern

Vorstösse im Luzerner Kantonsrat: Zwei Grüne Frauen sind am fleissigsten

Kurz vor den Luzerner Kantonsratswahlen steigt die Zahl der Vorstösse stark an. Unsere Legislatur-Bilanz zeigt riesige Unterschiede zwischen den Parteien. Und: Ein Sechstel der Politiker schrieb mehr als die Hälfte aller Anfragen, Postulate und Motionen.
Die Grüne Fraktionschefin Monique Frey.

Lukas Nussbaumer

Lukas Nussbaumer

42 Vorstösse: So lang ist die Liste der Anfragen, Postulate und Motionen, die an der letzten Session des Luzerner Kantonsrats vom 3. und 4. Dezember eingereicht wurde. Das ist eine überdurchschnittlich hohe Zahl, wie der Blick in die Vergangenheit zeigt.

Seit der Vereidigung der Parlamentarier am 22. Juni 2015 wurden 53 Sessionstage abgehalten und 615 Vorstösse platziert – pro Tag also rund 12. Die aktuelle Vorstossflut erstaunt allerdings nicht: In dreieinhalb Monaten sind Kantonsratswahlen. Erstaunlich ist dafür, wie wenige Politiker hauptverantwortlich sind für diese riesige Menge: Nur 20 Kantonsräte, also ein Sechstel des Parlaments, haben mehr als die Hälfte aller Vorstösse verfasst – exakt 320 (siehe Grafik). 13 der 20 fleissigsten Parlamentarier stammen aus den Reihen der nicht in der Regierung vertretenen Parteien SP, Grüne und GLP.

Monique Frey: «Ich bin mitverantwortlich für das Land»

Die Fleissigste der Fleissigen ist die Grüne Fraktionschefin Monique Frey. Die Emmerin hat 31 Vorstösse eingereicht. Das ist mehr als 40 Prozent der Vorstosszahl der 25-köpfigen FDP-Fraktion. Auf Platz 2 folgt Freys Fraktionskollegin Christina Reusser aus Ebikon.

Agronomin Frey, die als Beraterin im Bereich Ernährungssicherheit und Märkte bei der Caritas angestellt ist, wendet rund 30 Prozent ihrer Arbeitszeit für das Kantonsratsmandat auf. Sie begründet ihre Ausdauer im Schreiben von Vorstössen zum einen mit ihrem Auftrag als Parlamentarierin. «Ich will nicht nur die Botschaften der Regierung diskutieren, sondern auch den Kanton weiterentwickeln.» Ausserdem sei sie eine mitverantwortliche Bürgerin dieses Landes. «Meine Enkelin soll sich angesichts der Klimaveränderung in 20 Jahren nicht fragen: ‹Wieso habt ihr nichts unternommen?›.»

«Heute werden viele Vorstösse mit dem Argument, keine Kapazität für die Antwort zu haben, abgeschmettert.»

Monique Frey, Fraktionschefin Grüne, Emmen


Auf die Bremse zu treten kommt für die 53-Jährige, die dem Kantonsrat seit 2008 angehört, denn auch nicht in Frage. Erst recht nicht nach dem Ausscheiden der linken Frau aus der Regierung nach den Wahlen im Frühjahr 2015. «Das Regierungsgremium ist einseitig geworden. Es gibt niemanden mehr, der es in seiner bürgerlichen, männlichen Blase stört.» Die Grünen würden ihre Sichtweise zur Finanz-, Sozial- sowie Umwelt- und Klimapolitik deshalb weiter mit Vorstössen einbringen, kündet Frey an. Dies trotz der abnehmenden Qualität der Antworten auf die Fragen und Forderungen ihrer Partei. «Früher haben sich die Dienststellen von Vorstössen noch herausgefordert gefühlt. Heute wird vieles mit dem Argument, keine Kapazität für die Antwort zu haben, abgeschmettert.»

Urs Dickerhof: «Ich liebe die Kommissionsarbeit»

Am anderen Ende des politischen Spektrums und des Vorstoss-Rankings steht ein Mann, der wie Monique Frey in Emmen wohnt: Urs Dickerhof. Das politische Urgestein– der 65-Jährige sitzt seit 2003 im Parlament, das er 2013 präsidierte – ist SVP-Mitglied und hat in den vergangenen dreieinhalb Jahren nur einen Vorstoss eingereicht.

Dass er nicht öfter zu diesem Mittel gegriffen habe, liege teils an seinen Aufgaben im Rat. Dickerhof meint seine aktuellen Präsidien der Gesundheitskommission und der SVP-Fraktion sowie sein früheres der Spezialkommission für das Sparpaket «Leistungen und Strukturen 2». Dazu sei man als Finanzpolitiker weniger auf Vorstösse fokussiert, sondern suche nach Lösungen. Der frühere Emmer Finanzvorsteher will die Menge an Vorstössen denn auch keinesfalls als Massstab für die Qualifikation eines Politikers bemühen. «Für mich ist die Kommissionsarbeit wichtiger. Dort werden die Botschaften der Regierung zerpflückt. In den Kommissionen kann ich mich einbringen.»

«Die Kommissionsarbeit ist wichtiger. Dort werden die Botschaften der Regierung zerpflückt.»

Urs Dickerhof, Fraktionschef SVP, Emmen


Dickerhof hinterfragt zudem die Wirksamkeit vieler Vorstösse. «Ich stelle fest, dass es oft wichtiger ist, in den Medien Präsenz zu erzielen, als wirklich etwas auszulösen.» Das gelte auch für spontan anmutende, jedoch vorbereitete Wortmeldungen im Plenum. «In den Kommissionen wird freier diskutiert. Aber dort gibt es keine Zuschauer. Darum liebe ich die Kommissionsarbeit.»

Ludwig Peyer: «Fraktionschefs nehmen sich etwas zurück»

Ludwig Peyer politisiert als Fraktionschef der CVP in der Mitte – und dort befindet er sich auch in Bezug auf die Zahl der Vorstösse. Wer auf der Webseite des Kantonsrats nach seinen Vorstössen sucht, erzielt zwar hohe 15 Treffer. Doch 12 davon hat der Willisauer namens der CVP-Fraktion deponiert, es gehen also nur 3 auf sein eigenes Konto. Damit liegt der 54-Jährige parteiintern im Durchschnitt. Als Fraktionschef nehme man sich mit persönlichen Eingaben «naturgemäss etwas zurück», erklärt Peyer. Im Übrigen könne es «ja nicht das Ziel sein, möglichst viele einzureichen».

Die hohe Zahl der Vorstösse von links kann der Ständeratskandidat gut nachvollziehen. «Es handelt sich um das Mittel von Oppositions- und Kleinparteien.» Die grossen Parteien könnten viel direkter Einfluss nehmen, da sie in den Kommissionen und im Plenum Mehrheiten herbeiführen könnten. Er wehre sich deshalb auch gegen die immer wieder gestellte Forderung einer Kontingentierung der Vorstösse pro Parlamentarier.

David Roth: «Finanzdepartement foutiert sich am häufigsten um eine anständige Antwort»

Gegen eine Limitierung der Vorstösse kämpfen würde auch SP-Präsident David Roth, wie Ludwig Peyer Anwärter auf einen Ständeratssitz. Der 33-Jährige hat mit 21 am drittmeisten Vorstösse geschrieben, viele davon zu Finanzthemen, einem Schwerpunkt des in der Planungs- und Finanzkommission sitzenden Stadtluzerner Politikers. Er sagt: «Die Menschen, die mich gewählt haben, können von mir erwarten, dass ich mich für ihre Anliegen einsetze. Unabhängig davon, wie viel Arbeit daraus resultiert.»

«Die Menschen, die mich gewählt haben, können erwarten, dass ich mich für ihre Anliegen einsetze.»

David Roth, SP-Kantonsrat, Luzern


Roth setzt rund 25 Prozent seiner Arbeitszeit für das Kantonratsmandat ein, eine komplizierte Motion könne schon einmal zu einem Aufwand von 30 bis 40 Stunden führen. Die Qualität der regierungsrätlichen Stellungnahmen bezeichnet Roth als «sehr unterschiedlich. Das Finanzdepartement foutiert sich am häufigsten um eine anständige Antwort».

Michèle Graber: «Bevor ich eine Anfrage stelle, recherchiere ich»

Andreas Moser und Michèle Graber betonen, gute politische Arbeit wiederspiegle sich nicht in der Zahl der Vorstösse. Die Fraktionschefs von FDP und GLP sagen auch, ihre Mitglieder würden keine Vorstösse nur um der Aufmeksamkeit Willen einreichen. Graber (53), die neun Vorstösse und damit mehr als der durchschnittliche GLP-Parlamentarier eingereicht hat: «Bevor ich eine Anfrage stelle, recherchiere ich. Dann erübrigt sich ein Vorstoss oft.»

«Vieles liesse sich mit einem Telefon an die Verwaltung erledigen.»

Andreas Moser, Fraktionschef FDP, Luzern


Moser bläst ins gleiche Horn: «Vieles liesse sich mit einem Telefon bei der Verwaltung erledigen.» Ein Vorstoss koste im Durchschnitt rund 7000 Franken; die FDP gelange deshalb lieber selten, dafür mit wirkungsvollen Eingaben an die Regierung.

Andreas Moser: «Die Musik spielt oft ausserhalb des Ratssaals»

Für den 58-jährigen Moser, der selber nur drei Vorstösse verfasst hat, «spielt die Musik oft ausserhalb des Ratssaals». Gerade dort seien Gespräche im Vorfeld von Sessionen zur Beschaffung von Mehrheiten sehr bedeutend. Und ganz zentral sei die Kommissionsarbeit: «Dort werden wichtige Entscheide getroffen.»

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