Natalie Ehrenzweig
Natalie Ehrenzweig
Natalie Ehrenzweig
Von aussen wird Fabian Biasio wohl als Fotograf wahrgenommen, der in den letzten Jahren auch Filme gemacht hat. «Doch eigentlich kam ich über den Film zur Fotografie», sagt der 43-Jährige. 1995 gewann er als Zürcher die Innerschweizer Jugendfilmtage. Aber professionelle Filme zu drehen war damals sehr teuer. «Also habe ich mich der Fotografie zugewandt. Als 2012 Nikon eine Videofunktion in ihre Fotokameras einbaute, trug das zur Demokratisierung des bewegten Bildes bei. Und ich fing wieder an zu filmen», erinnert er sich. Inzwischen hat Fabian Biasio neben seiner Tätigkeit als Fotojournalist und Fotograf einige kürzere Filmprojekte realisiert und arbeitet auch im Auftrag, zum Beispiel für Caritas Schweiz. Nun kommt aber sein erster abendfüllender Dokumentarfilm ins Kino.
Eigentlich hätte es ein Auftragsfilm zum 30-Jahr-Jubiläum des Verbandes palliative.ch werden sollen. «Doch bei der Arbeit hat es mir den Ärmel reingenommen.» So ist «Sub Jayega – Die Suche nach dem Palliative-Care-Paradies» kein Auftragsfilm mehr, sondern ein richtiger Kinofilm.
Der Tod seines Vaters macht den Anfang
Ausgehend vom Tod seines Vaters, der in einem Spital starb, macht sich Fabian Biasio in einer Art Roadmovie auf die Suche nach dem Ort, an dem in Würde sterben möglich ist. «Den Weg zum Tod kann man bewusster oder unbewusster angehen. In unserer Kultur fehlt vielleicht die nötige Gelassenheit im Umgang mit dem Tod. Ich glaube, wenn man den Tod nicht verdrängt und in sein tägliches Leben integriert, macht man bereits alles richtig», sagt der Filmemacher. Bei der Palliativ-Pflege geht es darum, dass Heilung nicht im Vordergrund steht, sondern die Lebensqualität der kranken Person. «In der Schweiz, in unserem System, fehlt dazu oft das Geld. Gerade die Fallpauschale ist hier ungerecht, weil die Dauer des Sterbeprozesses oft unabsehbar ist», bedauert Biasio.
Mit seinem Film möchte er aufklären – er habe nämlich selbst auch nicht viel über das Thema gewusst, bevor er sich durch den Tod seines Vaters erstmals mit Palliativ-Pflege befasste. «Als Filmer und Fotograf will ich auf Missstände hinweisen, ich werde immer politisch sein und versuchen, ein Thema in einem neuen Licht zu zeigen», betont Fabian Biasio. So sei er denn auch ein Dokumentarfilmer, der versuche, die Menschenwürde zu respektieren und gleichzeitig neugierig zu sein: «Ein gewisser Voyeurismus schwingt immer mit. Dessen muss man sich bewusst sein. Im Idealfall kann man dem Publikum so ein Geheimnis anvertrauen, ohne übergriffig oder sensationslüstern zu sein.»
Im Internet ist das bewegte Bild im Vorteil
Ob Fabian Biasio als Fotograf oder Filmer unterwegs ist, macht für ihn keinen grossen Unterschied, denn er erzähle immer eine Geschichte: «Als Fotograf bin ich vielleicht mehr dem Zufall überlassen, fange den Zauber des Augenblicks ein. Beim Filmen hingegen ist die Handlung komplexer, muss ich mehr planen, muss vorher wissen, was ich erzählen möchte», meint er. Dass er seine Themen vermehrt als Filmer angehe, habe auch damit zu tun, dass die Reportagefotografie ein sterbendes Medium sei: «Es gibt nur noch wenige Printmedien, die den Platz für eine Fotoreportage haben und diese auch finanzieren können und wollen. Ein Bild darf heute oft nur noch 40 Franken kosten. Und im Internet ist das Bewegtbild sowieso im Vorteil.»
Das Reisetagebuch, das Fabian Biasio vorlegt, eigne sich besser als Film, denn als Fotoreportage: «Da wäre der Fokus ein anderer gewesen». Doch die Auseinandersetzung mit dem Sterben hat vor zwei Jahren mit der Fotoausstellung «So ein schöner Tod» begonnen. «Damals habe ich in einem kleinen Rahmen zum ersten Mal Bilder vom Sterbeprozess meines Vaters gezeigt. Heute mache ich das mit einem guten Gefühl. Mein Vater hätte Freude, dass ich die Geschichte erzähle», ist er überzeugt. Der Film ist aber keine Verarbeitung, die hat vorher stattgefunden.
«Über den Tod wird zu viel Trara gemacht»
Trotzdem hat Fabian Biasio in den Gesprächen und in den Begegnungen in der Schweiz, in Indien und in Australien auch für sich neue Erkenntnisse gewonnen:
«Es geht beim Sterben eigentlich um Kleinigkeiten. Heute glaube ich, dass schon ein warmes Bett genügt, um friedlich sterben zu können, mehr nicht. Über den Tod wird zu viel Trara gemacht. Sterben tut jeder und es ist viel weniger spektakulär als eine Geburt.»
Inzwischen schneidet Fabian Biasio bereits an einem neuen Dokumentarfilm über einen Alzheimerkranken, den er während acht Jahren mit seiner Kamera begleitet. Tabus gibt es für ihn nicht viele. «Ich werde das Publikum aber von einem Film über mein eigenes Sterben verschonen», meint er schmunzelnd.
Der Film «Sub Jayega – die Suche nach dem Palliative-Care-Paradies» wird am Donnerstag, 16. Mai, um 18.00 Uhr im Kino Bourbaki in Luzern gezeigt. Nach der Vorführung findet eine Podiumsdiskussion mit Fachleuten zum Thema Palliative Care statt. Nach dem 16. Mai läuft der Film im Stattkino Luzern. Mehr Informationen über Fabian Biasio: www.biasio.com.