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Luzern

Luzerner Bahnhofstrasse soll bis Ostern autofrei werden – doch der Stadtrat weiss noch nicht wie

Fünf Jahre nach dem Ja zur autofreien Bahnhofstrasse hat das Luzerner Stadtparlament den Stadtrat mit der sofortigen Umsetzung beauftragt. Allerdings gibt es gleich mehrere Stolpersteine.
Die Bahnhofstrasse und der Theaterplatz sollen nach dem Willen des Stadtparlaments möglichst rasch autofrei werden. (Archivbild: Pius Amrein)
Für Fussgänger und Velofahrer: So soll sich die Bahnhofstrasse in Luzern dereinst präsentieren. (Visualisierung PD)
In diesem Bereich vor der Hauptpost soll die unterirdische Velostation entstehen. (Bild Urs Flüeler/Keystone, 23. Juli 2018)
Die Velos auf der Bahnhofstrasse sollen im Untergrund verschwinden. (Bild Boris Bürgisser, 28. Mai 2018)

Robert Knobel

Robert Knobel

Robert Knobel

Robert Knobel

Das Stadtluzerner Stimmvolk sagte im Jahr 2013 Ja zu einer autofreien Bahnhofstrasse. Jetzt, fünf Jahre später, präsentiert sich die Strasse noch immer wie damals: Die Autos stauen sich Richtung Seebrücke, während unzählige parkierte Velos jeden noch so kleinen Platz auf den Trottoirs belegen. Bei den Parteien wächst der Unmut. «Das ist ein fragwürdiger Umgang mit dem Volkswillen», ärgerte sich Nico van der Heiden (SP) am Donnerstag im Stadtparlament. Und mit Verweis auf die baldige Realisierung der neuen Cheerstrasse in Littau sagte er:

«Es ist offenbar einfacher, für 20 Millionen eine ganz neue Strasse zu bauen, als auf einer bestehenden Strasse ein Fahrverbotsschild aufzustellen.»

Deshalb macht das Parlament dem Stadtrat nun Dampf. Es hat ein Postulat von SP, Grünen und GLP überwiesen. Dieses fordert, zumindest im unteren Teil der Bahnhofstrasse (Theater-/Seidenhofstrasse), schon per Karfreitag 2019 ein Fahrverbot zu verhängen. Dieser Auftrag bringt den Stadtrat allerdings in ein Dilemma. Verkehrsdirektor Adrian Borgula (Grüne) sagte im Rat dazu:

«Das wird sehr schwierig, diese Forderung umzusetzen.»

Gründe dafür gebe es mehrere. Der wichtigste ist das Parkhaus Kantonalbank. Wer von dort zum rechten Seeufer gelangen will, muss heute über die Bahnhofstrasse zur Seebrücke fahren (siehe grüne Linie unten). Wird die Bahnhofstrasse gesperrt, gibt es für die Autos nur noch den Weg über die Pilatusstrasse (orange). Doch dazu muss zuerst die Einmündung Winkelriedstrasse/Pilatusstrasse entsprechend angepasst werden.

Der Stadtrat wäre eigentlich bereit gewesen, eine baldige Teilsperrung der Bahnhofstrasse in die Wege zu leiten. Die Kosten dafür hätten sich auf rund 240'000 Franken belaufen. Doch das Parlament hat den Kredit kurzerhand auf 80'000 Franken gekürzt. Das sei viel zu wenig, sagte Adrian Borgula. Mit diesem Betrag könne man nur die Signalisation und die Verkehrsführung anpassen. Eine Aufwertung des frei werdenden Strassenraums, etwa mit Sitzgelegenheiten, sei damit nicht möglich, wie Adrian Borgula kritisierte:

«Dann werden wir einfach eine grosse, leere Asphaltfläche haben.»

Und als wäre das nicht genug: Ab Anfang 2019 herrscht in der Stadt Luzern ein budgetloser Zustand, weil die SVP gegen das Budget das Referendum ergriffen hat. Damit sind selbst die 80'000 Franken mindestens bis zur Volksabstimmung im Frühling blockiert.

Aus 6 werden 20 Millionen Franken

Schon bei der Abstimmung 2013 war klar, dass die Bahnhofstrasse nicht nur autofrei, sondern auch komplett umgestaltet werden soll. 2016 ist das Projekt «Take a walk on the bright side» als Sieger aus einem Gestaltungswettbewerb hervor gegangen:

Die Kosten für die Umgestaltung wurden ursprünglich auf rund 6 Millionen Franken angesetzt. Inzwischen ist aber klar, dass es über dreimal mehr sein wird: Insgesamt 20 Millionen Franken will der Stadtrat in die Bahnhofstrasse investieren. Dies einerseits, weil die Planung für die Umgestaltung wesentlich komplexer ist als angenommen.

Der Stadtrat macht dafür unter anderem die nötige Umlegung von Werkleitungen verantwortlich. Deshalb beantragte er dem Parlament einen Zusatz-Planungskredit von 1,3 Millionen Franken. Grossstadtrat Roger Sonderegger (CVP) fand dies «unvorstellbar, wenn man denkt, dass die Planung jetzt eigentlich schon abgeschlossen sein müsste.» Da habe es «gravierende Fehler beim Projektmanagement» gegeben. Stadtrat Adrian Borgula streute Asche auf sein Haupt:

«Das ist kein Ruhmesblatt.»

Man habe die Komplexität der Sache, insbesondere bei den Werkleitungen, unterschätzt, räumte Borgula ein. Zudem habe man personelle Engpässe bei den zuständigen Verwaltungsstellen gehabt.

Velos sollen in den Untergrund

Der Hauptgrund für die massiven Mehrkosten ist aber, dass der Stadtrat ein zusätzliches Grossbauwerk ins Projekt Bahnhofstrasse aufnehmen will: Vor der Hauptpost soll eine unterirdische Velostation mit 1100 Plätzen entstehen. Die Velostation soll 13,4 Millionen Franken kosten.

Das Stadtparlament hat am Donnerstag den Bericht und Antrag Neugestaltung Bahnhofstrasse und Velostation Bahnhofplatz beraten. Dabei wurde folgendes beschlossen:

  • Ein Zusatzkredit von 1,3 Millionen Franken für die weitere Planung der Umgestaltung der Bahnhofstrasse wurde bewilligt.
  • Ein Planungskredit von 2 Millionen Franken für die Velostation wurde bewilligt.
  • Im vorderen Teil der Bahnhofstrasse wird es nach Eröffnung der Velostation zwar keine oberirdischen Veloabstellplätze mehr geben. Ein generelles Velo-Parkverbot, wie von der CVP gefordert, wurde aber abgelehnt.
  • Ob die Benutzung der Velostation kostenpflichtig sein wird, bleibt vorerst offen. Die CVP scheiterte mit dem Antrag, dies bereits jetzt festzulegen.
  • Die heutigen Parkplätze für Motorräder und Mofas werden zwar von der Bahnhofstrasse verschwinden. Doch sie sollen anderswo kompensiert werden. Das hat eine Mehrheit von Bürgerlichen und GLP entschieden.
  • Eine spätere Erweiterung der Velostation soll möglich sein. Das wird bereits in der Planung entsprechend berücksichtigt.

Mit dem 2-Millionen-Kredit für die Planung der Velostation wurde laut Nico van der Heiden (SP) ein «Meilenstein für die Veloförderung» gesetzt.

Werden die Velofahrer Parkgebühren akzeptieren?

Eine Kontroverse entbrannte im Parlament insbesondere über die Bewirtschaftung der unterirdischen Veloabstellplätze. Für Korintha Bärtsch (Grüne) gehören Gratis-Parkplätze in Bahnhofsnähe zum Service Public. Rieska Dommann (FDP) fand es hingegen zu früh, darüber zu reden:

«Zuerst braucht es ein klares Betriebskonzept, in dem auch ersichtlich ist, welche Dienstleistungen die Velostation anbieten soll.»

Die Frage nach der Bewirtschaftung ist aber durchaus brisant. Ob die Velofahrer eine Benutzungsgebühr überhaupt akzeptieren würden, ist fraglich. Dies um so mehr, da wie erwähnt auf der Bahnhofstrasse auch künftig kein Parkverbot für Velos herrschen wird. Die Gefahr besteht daher, dass die Stadt auf einem schlecht ausgelasteten unterirdischen Veloparking sitzen bleibt, während sich die Zweiräder weiterhin auf der Bahnhofstrasse türmen.

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