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Luzern

Zwischenbilanz des Coronasommers: Schweizer federn das Ausbleiben internationaler Touristen ab

Die internationalen Touristen fehlen in Luzern, die Zahl der Logiernächte ist im Vergleich zum Vorjahr massiv eingebrochen. In der Zentralschweiz gibt es aber auch Branchen, die von der Krise profitieren.
Melanie Bloch aus Zürich macht mit ihren Söhnen Avery (Mitte) und Myles Ferien auf dem TCS-Campingplatz in Horw. Dieser ist einer der Gewinner des Coronasommers.
(Boris Bürgisser, 6. August 2020)
Vor allem für ausländische Touristen ein Magnet: die Kapellbrücke.  (Urs Flüeler/Keystone (13. Juli 2020))
Der TCS-Campingplatz in Horw ist diesen Sommer fast permanent ausgebucht. 
(Boris Bürgisser, 6. August 2020)
Auf dem Schiff müssen alle Maske tragen. (Urs Flüeler/Keystone (10. Juli 2020))

Beatrice Vogel

Beatrice Vogel

Beatrice Vogel

Beatrice Vogel

Beatrice Vogel

Der Coronasommer 2020 ist aussergewöhnlich, vor allem für den Tourismus. In Luzern fällt die sonst grosse Gruppe der asiatischen und amerikanischen Touristen weg, dafür finden vermehrt Gäste aus der Romandie den Weg in die Zentralschweiz.

«Es ist auffallend, wie viele Gäste aus der Schweiz, insbesondere aus der Romandie, in unserer Region Ferien machen. Der Marktanteil der Schweizer Gäste hat sich aktuell verdoppelt», sagt Sibylle Gerardi, Mediensprecherin der Luzern Tourismus AG. Zusätzliche Schweizer Gäste gibt es nicht nur in der Stadt, sondern vor allem auf der Luzerner Landschaft, in Uri oder Ob- und Nidwalden. Die letzte Umfrage von Anfang Juli in der Tourismusbranche rund um den Vierwaldstättersee zeigt laut Gerardi ein klares Bild: Ausländische Gäste aus Übersee wie auch Reisegruppen gibt es kaum, aus Europa kommen vor allem an den Wochenenden wieder mehr Touristen.

Mit Abstand am meisten Gäste kommen aus der Schweiz, «auch solche, die noch nie oder schon lange nicht mehr in der Zentralschweiz waren». Diese interessieren sich nicht nur für die klassischen Sehenswürdigkeiten wie die Kapellbrücke, sondern vor allem für unbekanntere Destinationen und Angebote, wie Gerardi ausführt:

«Wandern und andere Outdoor-Aktivitäten sind im Trend.»

Gutscheine sollen Schweizer Gäste anlocken

Auf dieses Bedürfnis zielt die im Frühling reaktivierten Kampagne für den «Zentralschweizer Gutschein» von Luzern Tourismus. Laut Sibylle Gerardi beträgt dessen Umsatz seit Dezember 2019 rund 280'000 Franken: «Es wurden rund 21'600 Gutscheine gekauft, die bei 111 Anbietern der Region eingelöst werden können.» Mitte August werden mit der «City Card» und einem «Tell-Pass»-Angebot zwei weitere Kampagnen folgen, die es Touristen ermöglichen, die Vierwaldstättersee-Region von Luzerner Hotels aus zu entdecken.

«Die Kampagne von Luzern Tourismus scheint sich bereits auszuzahlen», sagt Josef Williner, Präsident der City Vereinigung Luzern. Auch er ist erfreut über die vielen Touristen aus der Westschweiz. Zwar sei die Kundenfrequenz in der Luzerner Innenstadt tiefer als gewöhnlich, doch der Durchschnittsverkauf sei höher. «Schweizer tätigen oft Spontankäufe und geben auch grössere Beträge aus. Das Portemonnaie sitzt lockerer in den Ferien.»

Grundsätzlich sei die Stimmung bei Geschäften und Kunden positiv. Man spüre, dass der stationäre Detailhandel in dieser Zeit unterstützt werde. Kunden achten auch vermehrt auf regionale Herkunft der Produkte, so Williner. Gerade die Lebensmittelbranche profitiere davon. Auch die Freizeit- und Modebranche sei derzeit zufrieden, «was jedoch die Verluste aus dem Lockdown nicht wettmacht», betont Williner. Am stärksten leiden jene Geschäfte, die auf den Tourismus ausgerichtet sind, etwa aus der Uhren- und Reisebranche. Generell haben sich die Umsätze in den letzten beiden Monaten erfreulich entwickelt. Dies sei eine Momentaufnahme, so Williner, «es liegt noch ein langer Weg vor uns».

Hotels werden kurzfristig gebucht

Bei den Hotels gibt es derweil grosse Unterschiede. Verändert hat sich hier gemäss Sibylle Gerardi das Buchungsverhalten. «Hotelbuchungen werden oft sehr kurzfristig getätigt. Und die Gäste erkundigen sich öfter nach den Annulationsbedingungen.» Gerade in der Stadt kämpfen Hotels mit einer tiefen Auslastung, ebenso Seminarhotels, während ländliche und auch Berghotels teils sogar mehr Buchungen als 2019 verzeichnen. «Etwa in den Regionen Schwyz, Weggis, Vitznau, Rigi und Entlebuch läuft es sehr gut», sagt Conrad Meier, Präsident Luzern Hotels und Zentralschweiz Hotels sowie Direktor des Grand Hotel Europe.

«Positiv ist zu erwähnen, dass es einzelne Betriebe gibt, die eine gute Auslastung haben», so Meier. Oftmals konzentrieren diese sich schon seit Jahren auf den nationalen Markt, haben einen direkten Zugang zum See oder seien spezialisiert auf ein Segment wie etwa «Biken». «Bezüglich der internationalen Märkte sieht es momentan in der Stadt Luzern schwierig aus, und wir erwarten erst ab 2021, dass diese sich langsam erholen», so Meier. «Von grossen internationalen Reiseveranstaltern haben wir die Bestätigung erhalten, dass bis Ende November weder amerikanische noch chinesische Reisegruppen einreisen werden.» In der Stadt Luzern betrage der Anteil an internationalen Gästen normalerweise rund 77 Prozent. Meier:

«Wie es in Zukunft aussehen wird, ist quasi Kaffeesatz lesen.»

Wie die derzeitige Situation konkret für Stadtluzerner Hotels aussehen kann, zeigt Patrick Hauser auf, Inhaber des Hotels Schweizerhof: «Unsere Zimmerauslastung von Juni bis Juli liegt bei knapp 20 Prozent, vor einem Jahr waren es 90 Prozent.» Die Tendenz sei leicht zunehmend, doch für den Rest des Jahres rechne der «Schweizerhof» nicht mit einer höheren Auslastung. Der Anteil Logiernächte von Schweizer Gästen sei markant gestiegen – auf 64 Prozent (Juni/Juli 2019: 8 Prozent). «Und in den letzten Wochen stellen wir eine Zunahme von Gästen aus den Nachbarstaaten und dem restlichen Europa fest», so Hauser. Die Gäste reisen einzeln oder mit Freunden und Familie an.

Das Hotel Schweizerhof ist bekannt als Veranstaltungsort. Doch sämtliche grössere Events wie das Blue Balls oder das World Band Festival wurden abgesagt. «Wir haben nun eine leichte Zunahme von Buchungen für Anlässe wie Familien- und Firmenfeiern», sagt Hauser. Das kurzfristig organisierte «Schweizerhof unplugged Festival» im Juni sei von den Hotelgästen wie auch von den auftretenden Musikern sehr geschätzt worden. Die Schwierigkeit dabei: «Wegen immer wieder wechselnder Regelungen müssen Eventbuchungen immer wieder überprüft und teils angepasst werden.»

Campingplatz seit 20. Juni permanent ausgebucht

Während die Hotels darben, werden Campingplätze regelrecht überrannt. «Seit dem 20. Juni sind wir praktisch permanent voll», sagt etwa Theo Froelich vom TCS-Campingplatz in Horw. Bis zum Ende der Sommerferien sehe es gut aus mit den Buchungen. Auch auf dem Horwer Camping übernachten mehr Romands als üblich, sagt Froelich und erwähnt einen weiteren Unterschied zu anderen Jahren: «Normalerweise haben wir viele ausländische Gäste auf Durchreise, die nur ein, zwei Nächte bleiben. Jetzt kommen mehr Schweizer, die bis zu zwei Wochen buchen.» Regionale Anziehungspunkte für Camping-Gäste sind laut Theo Froelich das Verkehrshaus, der Pilatus und die Stadt Luzern.

Tatsächlich verzeichnet das Verkehrshaus mehr Schweizer Gäste als in anderen Jahren – wobei insgesamt weniger Museumseintritte verkauft wurden: Im Juni waren es 31'617, im Juli 49'205 Eintritte. Das sind im Vergleich zum Vorjahr im Juni 32 Prozent weniger, im Juli minus 14 Prozent. «In einem normalen Monat Juli macht der Anteil ausländischer Touristen 30 Prozent aus. Ein Drittel der fehlenden ausländischen Gäste wurde im Juli 2020 von Schweizer Besuchern kompensiert», sagt Olivier Burger, Mediensprecher des Verkehrshauses. «Wir konnten zudem beobachten, dass vermehrt Besucher aus der Westschweiz und dem Tessin zu uns kamen.»

Wenn es regnet, bleiben die Schiffe leer

Einen starken Einbruch an verkauften Tickets verzeichnet die Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee. Laut Geschäftsführer Stefan Schulthess hat die SGV in den vergangenen zwei Monaten im Vergleich zum Vorjahr 49 Prozent weniger Fahrkarten verkauft. «Davon sind rund 30 Prozent die wegfallenden ausländischen Gäste. Daneben fahren auch weniger Schweizer mit dem Schiff», so Schulthess. Die Gründe dafür: «Die Maskentragpflicht auf dem Aussendeck hilft nicht, und die Stadt Luzern ist touristisch tot.»

Schweizer seien im Vergleich zu ausländischen Touristen zudem wetteraffiner. Regne es, bleiben die Schiffe leer. «Dieses Jahr kommen wir wohl noch mit zwei blauen Augen davon, ein zweites Krisenjahr würde die SGV in der heutigen Form finanziell aber nicht überleben», sagt Schulthess. Eine Prognose für das Budget 2021 zu machen, sei sehr schwierig. «Aktuell rechnen wir damit, dass 2021 immer noch weniger internationale Gäste kommen als vor der Coronakrise.»

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