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Luzern

«Wir wollen nicht verdienen, nur überleben»: Luzerner Schausteller fühlen sich von der Politik vergessen

Wegen Corona finden derzeit keine Messen statt. Das stellt Schausteller vor Probleme. Die Luzerner Schaustellerfamilien Jolliet und Zanolla erzählen, wie sie die Krise meistern.
(Bild: Natalie Ehrenzweig)
Schausteller Jean-Marc Jolliet (Bild: Manuela Jans-Koch (Grosswangen, 28. Mai 2020))
(Bild: Natalie Ehrenzweig)

Natalie Ehrenzweig

Natalie Ehrenzweig

Natalie Ehrenzweig

Jedes Jahr freuen sich Tausende darauf, einen Teddy zu schiessen, Nidlezältli und eine Wurst zu essen und natürlich, mit all den tollen Bahnen zu fahren. In Zeiten der Coronamassnahmen geht dies nicht. Und die Schausteller fühlen sich bis jetzt vom Bundesrat alleingelassen.

«Unsere Saison geht von März bis November. Als wir gerade loslegen wollten, mussten wir daheimbleiben. Das heisst, dass wir seit bald sieben Monaten keine Einkünfte mehr haben», beschreibt Eugen Zanolla die momentane Situation der Schweizer Schausteller. Eigentlich wäre die Schaustellerfamilie, die mit sechs Geschäften in der Schweiz unterwegs ist, zurzeit in Chur an einer Chilbi.

«Der Frühling ist für uns eine wichtige Zeit, denn Pausen zwischen den Engagements sind noch grösser. So haben wir mehr Zeit für Auf- und Abbau. Nach dem Stillstand im Winter ist das nötig. Die Handgriffe müssen wieder sitzen und die Abläufe wieder jedem klar sein, bis dann die hektische Zeit ab August anfängt», sagt er.

Fahrgeschäfte erleiden Standschäden

Neben den seit Monaten fehlenden Einnahmen befürchtet die Luzerner Schaustellerfamilie ausserdem, dass die Anlagen durch die lange Pause Standschäden erleiden könnten. Davon kann auch die Familie Jolliet, ebenfalls Luzerner Schausteller, ein Lied singen. Im Win­ter hat sie immerhin den «Pe­gasus» im Winterlunapark in Genf. «Unsere zweite grosse Bahn, die ‹Maxximum 2›, haben wir hier daheim aufgestellt, nachdem sie drei Monate gestanden war. Prompt klemmten schon einige Bremsen», betont Jean-Marc Jolliet. Zudem mussten die Schausteller wie jedes Jahr die Last­wagen bei der MFK vorführen. Dies habe man dieses Jahr quasi für nichts gemacht.

Hohe Fixkosten und bis zu 20 Angestellte

Die Zanollas beschäftigen erst sieben und später im Jahr bis zu zwanzig Angestellte, grossteils aus dem Ausland. Die ausbleibenden Einkünfte stehen grossen Rechnungen gegenüber. «Wir müssen Personenschaden in der Höhe von 16 Millionen Franken versichern. Und bis jetzt kommt uns die Versicherung nicht entgegen, obwohl sie im Moment kein Risiko hat», sagt Eugen Zanolla. Die Familie Jolliet hat immerhin etwas Wohlwollen von der Bank erfahren. «Wir sind in Kontakt, und sie hilft uns damit, die Leasingraten grad nicht zu verlangen. Doch das wird auch nicht monatelang möglich sein. Aus­ser­dem haben wir einen Covid­-Kredit und Kurzarbeit beantragt», erzählt Brigitte Jolliet.

Herzblut und Schweiss stecken die Familien in ihre Geschäfte. Jetzt fürchten sie um ihre Existenz. «Wir gehörten zum Schweizer Kulturgut. Meine Grosseltern sind schon 1923 an Chilbis gefahren. Im Jahr besuchen zirka 6,5 Millionen Menschen in der ganzen Schweiz Chilbis, Messen oder Volksfeste, an denen Schausteller arbeiten», betont Eugen Zanolla. Trotzdem hat der Bundesrat an keiner Pressekonferenz dargelegt, wie er der Berufsgruppe helfen will. «Wir wollen nicht verdienen, nur überleben», sagen Jolliets.

Forderung von 30 Prozent des letztjährigen Umsatzes

Eugen und Lisa Zanolla pflichten ihnen bei. «Wir sind am ersten Mai über den Verband an das Seco gelangt und haben mit ihnen diskutiert. Wir haben 30 Prozent des letztjährigen Umsatzes gefordert. Dies, weil unsere Saison nur acht Monate dauert. Nun warten wir auf Antwort», erläutert Lisa Zanolla, die nicht nur SVP-Kantonsrätin ist, sondern auch zuständig für die Region Luzern bei «Vereinigte Schausteller-­Verbände der Schweiz».

«Dass diskutiert wird, ob zum Beispiel das Connyland öffnen darf, verwundert uns doch sehr. Unser Stichdatum ist jetzt noch der 1. September», sagt Eugen Zanolla enttäuscht ob der ausbleibenden Öffnungsmassnahmen des Bundesrats. Und wenn erst dann Veranstaltungen mit über 1000 Personen erlaubt werden: «Uns haben schon meh­rere Veranstalter für September abgesagt», beklagt Brigitte Jolliet.

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