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Luzern

Wie im Krieg: 1971 verwüstete eine missglückte Sprengung die Luzerner Kleinstadt

Der Abriss der alten Kaserne sollte den Weg für die moderne Stadtentwicklung ebnen. Doch dabei ging einiges schief. Die Pannen sind ein Symbol für die bis heute klaffende städtebauliche Wunde am Kasernenplatz.
Ganze Stockwerke der ehemaligen Kaserne stürzten bei der Explosion auf die Strasse. (Quelle: Stadtarchiv Luzern)
Städtebauliche Wunde: Der Kasernenplatz ist heute vor allem eine Einfallsachse. (Manuela Jans- Koch)
Die Infanteriekaserne Luzern (grosses Gebäude hinten). Im Vordergrund der legendäre «Mississippidampfer» auf der Reuss, der ebenfalls abgerissen wurde. (Quelle: Stadtarchiv)
Aus der Vogelperspektive wurde das wahre Ausmass der Zerstörung sichtbar. (Quelle: Stadtarchiv)
Die alte Kasernenuhr ist heute im Zytturm in der Museggmauer zu sehen. (Lz / Boris Bürgisser)

Robert Knobel

Robert Knobel

Robert Knobel

Robert Knobel

Robert Knobel

Das Luzerner Stadtarchiv stellt in regelmässigen Abständen neue Bildergalerien zu historischen Themen aus seinem Archivschatz online. In der neuesten Ausgabe sind eindrucksvolle Bilder vom Abriss der alten Kaserne enthalten. Die Infanteriekaserne aus dem 19. Jahrhundert, die zu ihren besten Zeiten weit über 1000 Soldaten beherbergte, fiel am 15. April 1971 der Stadterneuerung zum Opfer.

Eine Erneuerung notabene, die aus heutiger Sicht als missraten gilt. Anstelle der monumentalen Kaserne steht heute der Autobahnanschluss Luzern-Zentrum sowie das Naturmuseum, das im historischen Stil neu gebaut wurde.

Schon seit Jahrzehnten wird der Kasernenplatz als städtebauliche Wunde bezeichnet. Trotz zahlreicher Ideen – von der Uni bis zur Salle Modulable – gelang es bislang nicht, diesen Ort städtebaulich sinnvoll zu organisieren.

Aus dieser Sicht mussten die Pannen rund um den Abriss der Kaserne fast schon als schlechtes Omen gelten: Am 15. April 1971 punkt 8.30 Uhr wurden die 90 Kilogramm Sprengstoff gezündet, die zuvor im Gebäude platziert worden waren. Doch offenbar hatte man sich dabei etwas verrechnet. Statt dass der Militärbau wie vorgesehen in sich zusammenfiel, stürzten ganze Stockwerke auf die Strasse. Verletzt wurde dabei glücklicherweise niemand. Doch die Masten der VBL-Leitungen wurden wie Zündhölzer umgeknickt, zudem wurden durch die Wucht der Explosion zwei Kastanienbäume gefällt. Die Bilder zeigen eindrücklich, wie die Luzerner Kleinstadt einem Trümmerfeld glich:

Der Sprengmeister erklärte nach der misslungenen Aktion im «Vaterland», dass man wohl die Sprengsätze etwas anders im Gebäude hätte verteilen müssen. Aber schliesslich, so folgerte die Zeitung, werde auch nicht alle Tage ein Gebäude dieser Grösse gesprengt. Da könne schon mal etwas schief gehen.

Wenigstens die Kasernenuhr wurde gerettet

Beinahe wäre es übrigens zu einem weiteren Versäumnis gekommen: Nur Franz Germann, Immobilienverwalter des Kantonsspitals, war es zu verdanken, dass von der ehrwürdigen Kaserne wenigstens die Uhr gerettet werden konnte. Das ist auf der Website des Vereins Turmuhren Luzern nachzulesen. Demnach sass Germann tags zuvor beim Feierabendbier im «Galliker» am Kasernenplatz. Zufällig war auch der Sprengmeister dort. Als sich Germann nach dem Schicksal der Kasernenuhr erkundigte, erklärte der Sprengmeister lapidar, er könne sie ja am nächsten Tag aus dem Bauschutt ausbuddeln. Doch Germann machte sich mit Mitarbeitern des Kantonsspitals umgehend zur Kaserne auf, um die Uhr abzumontieren. Heute ist die Kasernenuhr von 1862 im Turmuhrenmuseum im Zytturm zu sehen.

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