notifications
Luzern

Wie ein Historiker Herzinfarkt und Corona überstehen konnte

Der Luzerner Jürg Stadelmann erlitt letzten Herbst einen Herzinfarkt und steckte sich bei der Reha mit Corona an. Dass er überlebt hat, verdankt er auch ehrenamtlichen Helfern.
Jürg Stadelmann erzählt in seiner Wohnung von seinem Herzinfarkt.
(Bild: Nadia Schärli (Luzern, 17. Juli 2021))

Natalie Ehrenzweig

Es ist der 1. Oktober 2020, Jürg Stadelmann, Luzerner Historiker und Lehrer an der Kantonsschule Alpenquai, fährt mit dem Velo nach Hause. «Irgendwie war mir nicht so wohl. Ich habe noch in einer Bäckerei ein Brötchen gekauft. Darum habe ich den Helm anbehalten und habe das Velo geschoben, um zu essen. Dann erinnere ich mich an nichts mehr», erzählt er.

Ungefähr 30'000 Menschen in der Schweiz sind pro Jahr von einem Herzinfarkt betroffen, rund 8000 Menschen erleiden einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Stadelmann ist einer von ihnen. Als er letzten Herbst auf dem Heimweg einen Herzinfarkt hatte, wurde er dabei beobachtet, wie er zusammenbrach.

Hilfskräfte befanden sich gleich in der Nähe

«Jemand hat den Notruf angerufen. Die haben ihrerseits die ‹First Responder› aufgeboten», sagt er. Der 63-Jährige hatte Glück. Zwei First Responder – Feuerwehrmänner –, die in der Nähe waren, haben ihn innerhalb weniger Minuten erreicht. Auch ein Rettungswagen, der per Zufall im Quartier war, traf bald ein. Stadelmann:

«Man hat mir gesagt, dass pro Minute die Überlebenschancen um 10 Prozent sinken.»

Der Rettungsdienst setzte die Massnahmen der First Responder fort und transportierte Jürg Stadelmann stabil ins Luzerner Kantonsspital.

Er verbrachte dort eine Woche. «Als ich später wieder daheim war, habe ich nachgeforscht. Es war mir ein Bedürfnis, mich bei all meinen Rettungspersonen zu bedanken», sagt er. So hätten sich die Feuerwehrmänner über seinen Besuch sehr gefreut, weil er überlebt hat. «Ich habe ihnen gesagt, dass ich dafür jeden Tag an sie denke, denn bei der Wiederbelebung hatten sie mir je vier, fünf Rippen gebrochen.» Den Helfenden, den Fahrern der Polizei und den Pflegenden konnte der Luzerner inzwischen danken. Wer aber den Notruf informiert hat, weiss er bis heute nicht.

Stadelmann ist überzeugt: Ohne die First Responders wäre er heute tot. «Ich bin sehr beeindruckt von diesen ganz ‹normalen, bodenständigen› Menschen, die sich freiwillig für die Gesundheit anderer einsetzen und sehr bescheiden sind», sagt er. Er sei demütig geworden: «Es braucht so wenig und es kann so schnell gehen, dann ist es vorbei. Ich bin natürlich sehr dankbar dafür, noch da zu sein.»

Wegen Corona war ein zweiter Spitalaufenthalt nötig

Nach seinem Aufenthalt im Luzerner Kantonsspital ging es für Jürg Stadelmann für vier Wochen nach Davos in die Reha, von wo er mit Corona nach Hause kam und die ganze Familie ansteckte. Da er kürzlich von einem Herzinfarkt genesen war, gehörte er zur Risikogruppe. «Ich landete wieder im Spital, musste aber knapp nicht beatmet werden», sagt er erleichtert.

Als sportlicher Mensch hatte Jürg Stadelmann ab und zu einen Unfall. «Ich ging dann einfach ins Spital und liess mich zusammenflicken. Für mich war das jeweils so selbstverständlich», sagt er. Nach den zwei jüngsten Spitalaufenthalten sehe er das etwas anders. «Ich bewundere die Leistung der Menschen im Gesundheitsbereich sehr. Ich erlebte die Pflegenden gut ausgebildet, kompetent und anständig. Sie haben mich mit Würde behandelt, auch als ich ein Häufchen Elend war und ein Armband mit einem QR-Code trug – ich wurde nie als eine Nummer angesehen.»

Er geht mit offeneren Augen durchs Leben

Nachdem Stadelmann den Herzinfarkt überlebt hat, geht er mit offeneren Augen durchs Leben:

«Ich habe überlebt, weil jemand hingeschaut hat und den Notruf angerufen hat und weil die First Responder sehr schnell vor Ort waren.»

Selbst zum First Responder zu werden, habe er sich überlegt, doch er zweifle daran, dass er der Richtige dafür wäre: «Ich könnte wahrscheinlich den Schadenplatz gut organisieren, aber Erste Hilfe leisten – ich weiss nicht so recht.»

Seit über 40 Jahren ist Jürg Stadelmann als Lehrer tätig. Er hoffe natürlich, dass er bei seinen Schülerinnen und Schülern etwas bewirke. «Zurzeit hat man ja oft den Eindruck, dass das Menschenbild sich negativ entwickelt. Aber dass so viele Frauen und Männer bei den First Responders mitmachen, beruhigt mich und lässt mich zuversichtlich sein.»

Kommentare (0)