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Luzern

Weinlese ist in vollem Gang: Lockdown macht Luzerner Winzer erfinderisch

Im Kanton Luzern hat der Wümmet begonnen. Die Weinbauern erwarten einen aussergewöhnlich guten Jahrgang. Doch der Lockdown trübt die Vorfreude. Wegen ihm sind die Rebbauern mit dem Verkauf ungefähr drei Monate im Rückstand.
Peter Schuler bei der Arbeit im Rebberg beim Schloss Heidegg. (Bild: Pius Amrein (Gelfingen, 17. September 2020))
Sonne strahlt durch die Weinreben. (Bild: Pius Amrein (Gelfingen, 17. September 2020))
Weinlese auf dem Weingut Heidegg. (Bild: Pius Amrein (Gelfingen, 17. September 2020))

Reto Bieri

Reto Bieri

Reto Bieri

Die Luzerner Winzer und ihre fleissigen Helferinnen und Helfer haben in diesen Tagen mit der Weinernte begonnen. «Aktuell wird der Riesling-Silvaner gelesen, vergangene Woche war die Sorte Solaris dran», sagt Beat Felder, Rebbaukommissär Zentralschweiz am BBZN in Hohenrain. Vier bis fünf Wochen dauert der Wümmet. Dank des sonnigen und trockenen Wetters zeichne sich eine sehr gute Ernte ab. Abgesehen von einem zehntägigen Kälteeinbruch Mitte Juni, der sogenannten Schafskälte, sei das Wetter dieses Jahr ideal gewesen. Den Rekordertrag von 2018 werde man nicht erreichen, jene vom Vorjahr sei aber in Reichweite, immerhin die zweithöchste je geerntete Menge.

Doch haben die Luzerner Winzer in ihren Weinkellern Platz für den neuen Jahrgang? Gemäss Medienberichten kämpfen die Weinbauern in der Westschweiz und dem Wallis mit Überproduktion und Absatzproblemen. Eine im Mai im Nationalrat eingereichte Motion fordert gar, die Kontingente für ausländische Weine zu senken, um die einheimische Produktion zu schützen, die von Covid-19 hart getroffen wurde. Das lehnt der Bundesrat ab. Er hat aber 10 Millionen Franken bereitgestellt, um Schweizer Wein zu deklassieren, das heisst zu vergünstigen. Damit will der Bund den Markt stabilisieren und die Traubenpreise stützen.

Luzerner Weinbau boomt

Im Kanton Luzern sei die Ausgangslage anders, sagt Rebbaukommissär Felder. «Die Überproduktion ist in den grossen Schweizer Weinbaugebieten schon länger ein Problem.» Sorten wie Chasselas, die zu den bekannten und meistverkauften in der Schweiz gehören, gibt es im Kanton Luzern nicht. Auch der Blauburgunder wird in Luzern mit 18 Prozent der Fläche verhältnismässig wenig angebaut, so Felder. 73 Hektaren beträgt die Luzerner Weinbaufläche. Zum Vergleich: Im Wallis sind es rund 4800 Hektaren. Trotz Corona: Der Luzerner Weinbau boomt nach wie vor. Die Fläche nimmt gemäss Beat Felder jedes Jahr um fünf bis zehn Prozent zu, auch 2020.

Corona mache aber auch den Luzerner Weinbauern zu schaffen. Genaue Zahlen liegen noch nicht vor, aber: «Meine Wahrnehmung ist, dass die Rebbauern wegen des Lockdowns ungefähr drei Monate im Rückstand sind mit dem Verkauf», sagt Beat Felder. Grund: Restaurants waren zu, Anlässe wie GV, Hochzeiten und Bankette fallen weg. Positiv ist für Felder, dass die Luzerner Winzer neue Kunden im Privatbereich gewinnen konnten. Zudem hätten viele Schweizer Touristen nach einheimischen Tropfen gefragt. Dies habe manchen Gastrobetrieben die Augen geöffnet. Felder:

«Es gibt in den Restaurants jetzt mehr Luzerner Weine im Sortiment.»

Einigermassen gut über die Coronarunden gekommen ist der Betrieb von Mathias und Cristina Brunner. Sie bewirtschaften in Eich, Hitzkirch und im Aargau rund 10 Hektaren Reben. Der 44-jährige Winzer und Önologe ist einer der grössten Produzenten im Kanton Luzern. «Wir konnten den Verlust in der Gastronomie fast ausgleichen, weil wir bei den Privatkunden zugelegt haben», so Brunner. Dafür hätten sie einigen Aufwand betrieben. Jeden Samstag organisierten sie während zweier Stunden einen Lagerverkauf. «Es lief sehr gut, die Leute sind Schlange gestanden.» Viele Bestellungen gingen zudem per Website ein. «Unser Weinkeller ist leer. Wir sind froh, dass wir ernten können.»

Qualität vor Quantität

Den Luzerner Winzern komme entgegen, sagen Beat Felder wie auch Mathias Brunner, dass sie die vom Bund vorgegebenen Ernte-Obergrenzen nicht ausreizen. Beim Rotwein ist 1 Kilogramm Trauben pro Quadratmeter erlaubt, bei den weissen Sorten 1,2 Kilogramm. Die Luzerner legen die Grenze freiwillig 200 Gramm tiefer an. Mathias Brunner erntet gar nur zwei Drittel der Maximalmenge. «Dafür steigt die Qualität des Weins.»

Auch bei Thomas und Ines Bisang vom gleichnamigen Weingut in Dagmersellen finden sich nur noch wenige Flaschen im Keller. «Umsatzmässig sind wir fast so gut unterwegs wie im Vorjahr.» Trotzdem, der Lockdown sei einschneidend gewesen. «Wir mussten neue Absatzkanäle finden. Wir haben die Kunden vermehrt online angeschrieben, was wir sonst weniger machen. Dadurch konnten wir mehr an Private verkaufen.»

Die Weintage, die jeweils an zwei Juni-Wochenenden mit bis zu 800 Personen stattfinden, sind ins Wasser gefallen. «Wir haben stattdessen ein Zelt gekauft und dort ein Bistro eingerichtet. Es war von Juni bis Mitte August jeweils am Freitag und Samstag offen. So konnten wir die Weintage einigermassen kompensieren», sagt Thomas Bisang, der in Dagmersellen und Reiden fünf Hektaren Reben bewirtschaftet.

Umsatz bricht um 25 Prozent ein

In Kastanienbaum freut sich Winzer Toni Ottiger über die bevorstehende gute Ernte. Er betreibt seit 40 Jahren an der Südspitze der Horwer Halbinsel einen sieben Hektaren grossen Weinbaubetrieb inklusive Lohnkelterei. Ottiger beziffert die Einbussen wegen Corona auf rund 25 Prozent. «Aufholen kann man das nicht, man muss sich arrangieren.» Rund die Hälfte seiner Weine wird in der Gastronomie verkauft. «Es gab keine Geschäftsessen, keine Kongresse in Stadt und fast keine ausländischen Touristen.»

Beim Weingut Heidegg in Gelfingen schätzt Inhaber Peter Schuler den Umsatzverlust auf rund 20 Prozent. Das sei nicht allzu dramatisch. «Wir sind Schwankungen gewohnt, zum Beispiel durch Frost oder Hagel.» Das Weingut Heidegg im Seetal, rund acht Hektaren gross, konnte beim Verkauf an Private ebenfalls zulegen, um rund 30 Prozent. Der Lockdown habe ihn am Anfang beunruhigt und gestresst, sagt Peter Schuler. «Im Moment läuft es aber wieder rund.» Besonders freut er sich auf die aktuelle Ernte. «Sie wird hervorragend ausfallen.»

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