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Luzern

Wegen des guten Zusammenhalts: Die Luzerner Gemeinde Ruswil ist das «Schweizer Dorf des Jahres»

Ruswil trägt nun den Titel «Schweizer Dorf des Jahres 2020». Der Grund: Die Bevölkerung hat während der Coronakrise besonders viel Solidarität gezeigt. Wir haben mit den Köpfen hinter den ins Leben gerufenen Projekten gesprochen.
Benno Geisseler, Verena Zurkirchen und Patrick Wicki (von links).
(Bild: Boris Bürgisser
(Ruswil, 16. September 2020))

Livia Fischer

Digitale Schnitzeljagden und Tanzvideos für die ganze Familie, Einkaufshilfen und Telefonketten für ältere Menschen – die Liste der Projekte, die während der Coronapandemie im ländlichen Ruswil entstanden sind, geht noch weiter. «Das Zusammenspiel der verschiedenen Vereine und die Solidarität in der Bevölkerung waren grossartig», schwärmt CVP-Gemeindepräsident Franzsepp Erni. Dass Ruswil damit zum «Schweizer Dorf des Jahres 2020» gewählt wurde, ist für ihn darum vor allem symbolisch von Bedeutung. Denn anders als in den Vorjahren wurde heuer nicht nach dem schönsten, sondern nach dem kreativsten, solidarischsten und hilfsbereitesten Dorf gesucht. «Qualitäten, die wir auch weiterhin beibehalten wollen», so Erni. Als Belohnung wird ein Dorffest organisiert, coronabedingt allerdings erst nächsten Sommer.

Den Stein ins Rollen gebracht hat Patrick Wicki. Der CVPler aus Ruswil gründete gleich am 19. März eine Facebook-Gruppe mit dem Namen «Ruswil – metenand und förenand». Das Ziel: Ruswilerinnen und Ruswiler, die auf Unterstützung angewiesen sind, mit jenen zu vernetzen, die gerne helfen. Die Regel: Auf Geldzahlungen und Gegenleistungen wird verzichtet. Wer kann, hilft, wer darauf angewiesen ist, nimmt Hilfe an. Unentgeltlich.

Etwas für den Körper und fürs Köpfchen

Auf Facebook wurden aber nicht nur Kontakte geknüpft. Wicki, der Turn- und Sportlehrer an der Berufsschule in Emmenbrücke ist, stellte unter anderem auch Videos mit Bewegungs- oder Bastelideen online. Innert kürzester Zeit umfasste die Facebook-Gruppe über 500 Mitglieder, immer mehr Angebote kamen hinzu. Irgendwann machte ihn die Ruswilerin Nadja Schöpfer mit einem Online-Beitrag darauf aufmerksam, dass ihr Dorf doch an dem Wettbewerb der «Schweizer Illustrierten» mitmachen könnte. Wicki nahm mit dem Gemeinderat Kontakt auf, sammelte die laufenden Projekte im Rahmen der Gesundheitskrise und schickte die Bewerbung ab. Zuerst wählte eine Jury die Top-zwölf-Gemeinden aus insgesamt 60 eingegangenen Vorschlägen, schliesslich stimmten die Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz über das Siegerdorf ab.

Dass Ruswil das Rennen gemacht hat, freut auch Verena Zurkirchen: «Es ist wunderbar, dass unser Zusammenhalt jetzt auch nach aussen leuchtet. Und eine Bestätigung, dass es hilft, wenn man in schwierigen Situationen zusammensteht.» Als Präsidentin des katholischen Vereins «FrauenRuswil» lancierte sie zusammen mit Frauen des Vorstands ebenfalls mehrere Projekte. So gründeten sie etwa gleich zu Beginn der aussergewöhnlichen Lage eine Hotline. Anders als bei der Telefonkette, die von der örtlichen Pro Senectute organisiert wurde, ging es nicht darum, direkt jemanden zum Reden am Draht zu haben. Das Prinzip: Hilfsbedürftige konnten anrufen und der Verein «FrauenRuswil» vermittelte ihnen einen Helfer oder eine Helferin aus insgesamt 90 Personen, die sich gemeldet haben – als Einkaufshilfe oder um den Rasen zu mähen. Und kurz vor Ostern kauften sie mit Unterstützung der Gemeinde bunte Frühlingsblumen bei lokalen Gärtnereien auf, die sonst hätten kompostiert werden müssen, und verteilten sie schliesslich an alle 2850 Ruswiler Haushalte.

Ruswil in Bildern:

Corona-Sonnenblumen und Dutzende Flaggen

Was Zurkirchen damals noch nicht wusste: Ihre Schwester, Theres Hirsiger, hatte fast zeitgleich eine ähnliche Idee. Die Ruswilerin, die bei der Spitex arbeitet, wollte ihren Arbeitskolleginnen und -kollegen für ihren Einsatz danken und verteilte zig Sonnenblumenkerne an Ruswiler Bauernfamilien, welche diese dann setzten, um mit den blühenden Sonnenblumen den Menschen im Gesundheitsbereich eine Freude zu bereiten (wir berichteten). Die Idee kam so gut an, dass sich irgendwann der Schweizer Bauernverband einschaltete und mittels Medienmitteilung die Bauernfamilien in der ganzen Schweiz zum Säen von Sonnenblumen aufrief.

Mit dem Versand von Blumen wollte auch Benno Geisseler, Geschäftsführer und Inhaber der Elektromatik AG in Ruswil, einigen seiner Kunden eine Freude bereiten. «Die Rückmeldungen waren überwältigend. Schon erstaunlich, was so ein Blüemli in einer solchen Zeit ausmacht», sagt er gerührt.

Ein aufmunterndes Zeichen anderer Art setzte der lokale Gewerbeverein, wessen Präsident Geisseler ist. Denn der Verein machte nicht nur Werbung für kreative Angebote wie Hauslieferdienste seiner Mitglieder. Er bot auch finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung der Einkaufsgutschein-Verlosungsaktion «Jetzt bist du dran!» durch die Organisation «LOS!Ruswil». Zudem produzierten die Gewerbler in Zusammenarbeit mit der Gemeinde rund 50 Fahnen und hängten sie anschliessend im ganzen Dorf auf – alle mit einem Frühlingssujet und einem Spruch wie «Zusammen schaffen wir's» bedruckt. «Unsere Botschaft: Es bringt nichts, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken. Wir müssen uns der Sache annehmen und positiv in die Zukunft schauen», erklärt der Familienvater. Die Flaggen bleiben noch sicher bis zu den Herbstferien hängen, danach sei Zeit für etwas Neues.

Porträt der Gemeinde Ruswil:

Video: Gemeinde Ruswil

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