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Luzern

Studieren während der Coronapandemie: In Luzern endet ein aussergewöhnliches Semester

Wegen Covid-19 mussten Universitäten und Hochschulen ihren Betrieb rigoros umstellen, Studierende sich komplett neu organisieren. Beteiligte erzählen, wie sie mit der ungewohnten Situation umgegangen sind.
Nur der Dozent ist hier: ein Vorlesungssaal ohne Studierende an der Universität Luzern. (Bild: Urs Flüeler/Keystone (16. März 2020))
Der HSLU-Campus Technik und Architektur in Horw.  (Bild: PD)

Pascal Studer

Pascal Studer

Die Coronapandemie hat das Leben der Studentinnen und Studenten über Nacht auf den Kopf gestellt. Vorlesungen und Seminare besuchten sie plötzlich von zu Hause aus im virtuellen Raum. Zudem fielen Einnahmen aus Nebenjobs weg, weil weite Teile der Wirtschaft – wie beispielsweise die Gastronomie – während Wochen fast gänzlich lahmgelegt waren.

Fabienne Zurbriggen befindet sich im Endspurt ihres vierten Bachelor-Semesters an der Universität Luzern. Hier studiert die 21-Jährige Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften. Sie sagt: «Die Struktur des Alltags hat sich fundamental verändert.» Trotz Corona hatte sich die Merlischacherin für das vergangene Semester viel vorgenommen. Und zwar nicht nur akademisch: Seit Januar arbeitet sie Teilzeit bei der Schindler Aufzüge AG. «Nach einer kurzen Einarbeitungszeit musste ich schon bald ins Homeoffice», erklärt Zurbriggen – eine weitere Herausforderung neben den erschwerten Bedingungen im Studium.

Den Alltag komplett umgekrempelt

Auch die 25-jährige Mara Küttel studiert an der Universität Luzern, absolviert derzeit ihren Master in Rechtswissenschaft. Von Medizinrecht über Strafverteidigung bis hin zum Schutz der Menschenrechte – ihre Interessen sind breit gefächert. «Ich habe in den nächsten Wochen fünf Leistungsnachweise», sagt sie. Zwei davon finden mündlich statt, die anderen drei schriftlich – entweder in Form einer Arbeit oder einer Prüfung von zu Hause aus. «Ich bin gespannt, wie das laufen wird», sagt Küttel, die neben dem Studium Teilzeit in einer Anwaltskanzlei arbeitet.

«Es war zeitweise schwierig, die Disziplin während des Semesters hochzuhalten.»

Es scheint offensichtlich: Die Belastung der Studentinnen und Studenten hat während der Coronapandemie zugenommen. So hatte etwa eine Meinungsumfrage der Zürcher Forschungsstelle Sotomo Ende März ergeben, dass sich der Gemütszustand vor allem bei Jugendlichen im Verhältnis zu anderen Altersgruppen verschlechtert hatte. Den Hauptgrund dafür ortet die Forschungsstelle in der ungeregelten Übergangsphase der Studenten. So haben sie weder in der Arbeitswelt richtig Fuss gefasst noch ihren Ausbildungsweg erfolgreich abgeschlossen.

Fast 43'000 Franken für Studenten in Not

Entsprechend wichtig ist die Unterstützung der Institutionen. Diesen Eindruck hat auch Lukas Portmann. Der Kommunikationsbeauftragte der Universität Luzern sagt: «Aufgrund der Coronapandemie haben wir für die Studierenden das Info- und Betreuungsangebot ausgebaut.» Für Studenten, die ihrer Militär- oder Zivildienstpflicht nachkommen mussten, wurden Spezialregelungen geschaffen. Weiter hat die Universität einen Hilfefonds organisiert, um Studenten in finanzieller Notlage zu helfen. Dabei werden Beträge zwischen 500 und 1500 Franken gesprochen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Bis Anfang Woche hätten die Verantwortlichen der Universität Luzern 36 Gesuche im Umfang von 42'900 Franken bewilligt, sagt Portmann.

Gemeinsam betreiben alle drei Luzerner Hochschulen zudem eine psychologische Beratungsstelle. Dass auch die Nachfrage nach Beratungsterminen gestiegen ist, bestätigt Marco von Ah, Leiter der Kommunikations- und Marketingabteilung der Pädagogischen Hochschule (PH) Luzern. Er sagt: «Insbesondere ab Mitte Mai waren unsere Psychologinnen und Psychologen überdurchschnittlich ausgelastet.» Gründe für den Andrang seien Zukunftsängste – viele Studentinnen und Studenten hätten wegen Corona ihre Nebenjobs verloren und stünden daher finanziell unter Druck – oder Trauerarbeit, weil Angehörige verstorben seien. Auch die unbekannte Prüfungssituation, das Lernen in der Isolation und die generelle Unsicherheit im Familien- und Berufsleben hätten die Studenten belastet.

Neben der Unterstützung in organisatorischer, psychologischer und finanzieller Hinsicht sahen sich die Luzerner Bildungsinstitutionen auch selbst mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. PH-Sprecher von Ah sagt dazu exemplarisch:

«Wir mussten für die rund 2200 Studierenden insgesamt 3500 Prüfungssituationen neu organisieren.»

Auch dank viel Nachtarbeit sei dieser Kraftakt gelungen, fügt von Ah an. Um die anfallenden Aufgaben zu bewältigen, haben die Verantwortlichen zudem eine sogenannte Coronataskforce gegründet. Noch immer tauschen sich die Beteiligten mehrmals pro Woche aus. Denn eines war von Beginn weg klar: Die Studentinnen und Studenten sollten trotz Corona kein Semester verlieren.

Über 150'000 Stunden im virtuellen Raum

Dieselbe Haltung haben die Verantwortlichen der Hochschule Luzern (HSLU). Sigrid Cariola, Leiterin der Unternehmenskommunikation, sagt: «Oberstes Ziel war es, dass Studierende im Abschlusssemester ihr Diplom machen können. Auch die übrigen Studierenden sollten das Semester in gewohnter Qualität weiterführen können.» Dafür hätten die Verantwortlichen in den vergangenen Wochen «Hunderte von Modulen» umgestellt. Das Resultat: Allein zwischen Mitte April und Mitte Mai fanden während rund 150'000 Stunden Unterricht, Sitzungen und Konferenzen im virtuellen Raum statt – über 140'000 Personen haben daran teilgenommen.

Insgesamt seien die Rückmeldungen der Studentinnen und Studenten positiv ausgefallen. Gleichzeitig hätten die Studierenden und die Dozierenden aber auch erfahren, wie wichtig der Präsenzunterricht für viele Lernprozesse und den kreativen Austausch sei. Cariola erklärt: «Als Fachhochschule zeichnen wir uns durch einen hohen Praxisbezug aus. Technische Studienrichtungen sowie die Departemente Design und Kunst oder Musik sind auf spezielle Infrastrukturen wie Labors, Ateliers und Übungsräume angewiesen.» Bei anderen Studienrichtungen, wie etwa Soziale Arbeit, spielten Gruppencoachings und Workshops eine besondere Rolle. Cariola:

«Diese liessen sich online kaum eins zu eins übersetzen.»

Fabienne Zurbriggen und Mara Küttel blicken auf ein anspruchsvolles Semester zurück. Nicht nur das Lernen war in den vergangenen Wochen erschwert, auch die Distanz zu ihren Mitstudierenden machte ihnen zu schaffen. Fabienne Zurbriggen sagt dazu: «Ich vermisse meine Kolleginnen und Kollegen – ich gehe nämlich nicht nur wegen der Vorlesungen in die Uni.» Und auch Mara Küttel sagt bestimmt: «Der persönliche Austausch mit meinen Mitstudierenden hat mir in meinem zweitletzten Semester meines Studiums am meisten gefehlt.»

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