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Luzern

Schnee stellt Blinde vor Herausforderungen – Horwer zeigen sich hilfsbereit

Der starke Schneefall der letzten Tage stellt für Sehbehinderte eine Herausforderung dar. Viele Betroffene gingen daher im Winter nur ungern aus dem Haus, sagt der Blindenverband.
Schneebedeckte Gehwege können für Blinde problematisch sein. (Symbolbild: Gaetan Bally/Keystone (Zürich, 28. Januar 2002))
David Coulin, Kommunikationsbeauftragter des BFVI. (Bild: zVg)

Pascal Studer und Lucien Rahm

Pascal Studer und Lucien Rahm

Hand aufs Herz: Wie fest beeinträchtigt Sie der Winter? Wahrscheinlich müssen Sie sich etwas wärmer kleiden. Ein gutes Profil an den Schuhsohlen wäre sicherlich auch keine schlechte Idee. Vielleicht gehen Sie mit einem dicken Schal umwickelt und einer Mütze bis tief ins Gesicht gezogen morgens aus dem Haus, gewappnet für einen frostigen Tag. Doch fällt Ihnen auch auf, dass der Kanaldeckel, an dem Sie jeden Morgen vorbeilaufen, nun mit einer Schneeschicht überzogen ist?

Wahrscheinlich nicht. Doch Josef Zimmermann hat es gemerkt. Nicht etwa, weil er sich für das Luzerner Abwassersystem interessiert. Sondern weil er seit fast 50 Jahren blind ist. Und als Sehbehinderter ist er auf akustische Signale angewiesen – wie das Plätschern des Wassers, das durch den Kanaldeckel an die Oberfläche und in seine Ohren gelangt. Nur so weiss er, wo er ist.

«Viele Betroffene verlassen zu dieser Jahreszeit nur ungern ihre Wohnung», schreibt der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband in einer Mitteilung. Josef Zimmermann sagt als Betroffener, warum das so ist: «Im Winter sind viele Geräusche, die für uns Sehbehinderte zur Orientierung sehr wichtig sind, abgedämpft oder sogar überhaupt nicht mehr wahrnehmbar.»

Zimmermann pendelt jeden Tag von seinem Wohnort Nottwil nach Horw. Das Plätschern aus dem Kanaldeckel ist dabei nicht das einzige, was fehlt. Hier wurde ein Dorfbrunnen trocken gelegt, dort verschüttete ein Schneepflug die Trottoirkante oder eine Bodenleitlinie. «Im Schnee nützt auch ein Blindenstock nicht viel», sagt Zimmermann.

«Grosse Hilfsbereitschaft bei den Menschen»

So unangenehm Zimmermann die aktuellen Wetterverhältnisse beschreibt, so schwärmend spricht er von all den Leuten, die ihn unterstützen. «Ich spüre eine sehr grosse Hilfsbereitschaft bei den Menschen», sagt Zimmermann. Besonders lobende Worte findet er für die Bahnhofhilfe der SBB, denn Zimmermann muss auf seinem Arbeitsweg jeweils im Bahnhof Luzern umsteigen. Ohne die Unterstützung der Bahnhofhilfe sei dies nicht möglich, gerade weil es immer mehr spontane Gleiswechsel gäbe. Darüber hinaus hilft ihm im Alltag ein Blindenhund. «Was diese Tiere leisten, ist schlicht sagenhaft», sagt er.

Doch auch die treuen Vierbeiner konfrontiert die kalte Jahreszeit mit Herausforderungen. «Durch Niederschläge wie Schnee und Regen werden die Gerüche intensiviert. Dies hat zur Folge, dass die Blindenführhunde abgelenkt und unruhiger sind», heisst es bei der Stiftung Schweizerische Schule für Blindenführhunde. Ausserdem seien gesalzene Strassen schmerzhaft für die Pfoten der Vierbeiner.

Die Blindenhunde werden darauf trainiert, Trottoirschwellen anzuzeigen. Deshalb sei es besonders wichtig, dass diese Schwellen frei von Schnee bleiben. Ansonsten werde daraus für den Hund ein Hindernis, das er trainiert ist, zu umgehen.

Lust auf winterliche Spaziergänge abhängig von Individuum

Der winterlichen Herausforderungen ist sich auch der Blinden-Fürsorge-Verein Innerschweiz (BFVI) in Horw bewusst. In dessen Wohnheim und Werkstätten leben und arbeiten über 100 Personen mit einer Sehbehinderung. Gemäss David Coulin, Kommunikationsbeauftragter des BFVI, könne man aber nicht generell davon ausgehen, dass die Bewohner bei Schneefall weniger gern an die frische Luft gehen. «Ob die Bewohner es vermeiden, bei schneebedeckten Strassen nach draussen zu gehen, ist sehr von der Person abhängig und nicht unbedingt an die Sehbehinderung gekoppelt», sagt David Coulin. Die Bodenleitsysteme seien in Horw sehr gut ausgebaut und jeweils vom Schnee freigeräumt.

Rund ums Wohnheim und die Werkstätten des BFVI lege man ein besonderes Augenmerk auf die Räumung der Gehwege und der Bodenlinien, bestätigt Peter Gauch, Leiter der Werkdienste Horw. «Wenn immer möglich, nehmen wir das in unserer Prioritätenliste nach oben.»

Ein weiterer Pluspunkt ist laut Coulin zudem, dass der BFVI in der Horwer Bevölkerung gut verankert sei. «Die Einwohner von Horw sind sensibilisiert und zeigen sich gegenüber den Sehbehinderten jeweils sehr hilfsbereit», sagt Coulin.

Luzerner Strassenarbeiter räumen Bodenlinien frei

Um die Sicherheit von Sehbehinderten zu verbessern, fordert auch der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband in seiner Mitteilung, insbesondere bei Fussgängerstreifen die Randsteine, den Raum um Fussgängerampeln sowie die Bodenleitlinien von Schnee zu befreien. In der Stadt Luzern setze man diese Massnahmen um, sagt Florian Aschbacher, Leiter Betrieb und Strassenunterhalt bei der Stadt Luzern, auf Anfrage.

Nebst dem, dass der Schnee generell von den Gehwegen geräumt wird, achte man auch bei den Bodenleitlinien darauf, dass sie freigeschaufelt werden. «Sind sie vereist, werden sie zudem mit Salz bestreut.» Solche Leitlinien seien vermehrt an Bushaltestellen zu finden. Auch die Trottoirübergänge bei Fussgängerstreifen schaufeln die Stadtarbeiter frei, sowie auch Fussgängerinseln und die Bereiche um Fussgängerampeln, sagt Aschbacher.

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