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Luzern

Neues Zentrum für Hausarztmedizin will Modelle für die Zukunft entwickeln und die Attraktivität des Berufes stärken

Christoph Merlo ist Co-Leiter des neuen Zentrums für Hausarztmedizin und Community Care an der Uni Luzern. Im Interview erzählt er, welche die Ziele des Zentrums sind und wie dieses der Bevölkerung zugutekommen soll.
Christoph Merlo, Co-Leiter des Zentrums für Hausarztmedizin und Community Care, in seiner Hausarztpraxis an der Furrengasse in Luzern. (Bild: Nadia Schärli (Luzern 3. März 2021 ))

Roseline Troxler

Vor einem Monat wurde das Zentrum für Hausarztmedizin und Community Care an der Uni Luzern aus der Taufe gehoben. Es bezweckt die Forschung, Lehre und Weiterbildung in der Hausarztmedizin und der erweiterten Grundversorgung. Das Zentrum geht aus dem gleichnamigen Institut hervor, das 2014 unter dem Patronat der Ärztegesellschaft des Kantons Luzern entstanden ist. Der Stadtluzerner Christoph Merlo (62), Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, hat das Institut mitinitiiert und ist Co-Leiter des neuen Zentrums, das durch den Kanton Luzern mit jährlich 400'000 Franken finanziert wird.

Wie ist das neue Zentrum an der Uni Luzern entstanden?Christoph Merlo: 2014 gründeten wir das Institut für Hausarztmedizin und Community Care mit dem Ziel, die Hausarztmedizin zu fördern und unseren Nachwuchs zu sichern. Der Hausärztemangel ist eine grosse Herausforderung – auch in der Zentralschweiz. Mit der Angliederung an die Universität bietet sich die Chance, die Hausarztmedizin noch attraktiver, vernetzter und sichtbarer zu machen. Dafür braucht es mitunter mehr Forschung.Weshalb?Die meisten medizinischen Guidelines stammen von Universitätskliniken, die aber nur ein Promille aller Patienten behandeln. Mehr Forschung im Bereich Hausarztmedizin bedeutet bessere, auf die hausärztlichen Patienten zugeschnittene Therapien. Mehr Forschung bedeutet einen höheren Stellenwert innerhalb der Medizin und steigert so die Attraktivität des Fachs.
Haben Studierende die Hausarztmedizin zu wenig auf dem Radar?Am Anfang des Studiums wollen viele Chirurgie machen. Im Verlaufe des Studiums und ein bis drei Jahre nach dem Staatsexamen gewinnt die Hausarztmedizin dann an Attraktivität.Sie werden mit der Disziplin Hausarztmedizin künftig auch in der Lehre des Joint Master Medizin sowie bei den Gesundheitswissenschaften an der Uni Luzern tätig sein.Genau. Wir können mit der Hausarztmedizin während des Masterstudiums immer wieder präsent sein und hoffen so, Studentinnen und Studenten für das Fach zu begeistern. Denn der Bedarf ist gross.Das neue Zentrum trägt auch «Community Care» im Namen. Was bedeutet das?Dabei geht es um die optimale Betreuung von Patienten, welche nicht in einem Spital oder in einer Institution sind, sondern zu Hause versorgt werden. Im Zentrum stehen chronisch Kranke und deren Angehörige sowie die Zusammenarbeit mit weiteren Fachkräften, die in die Pflege und Therapie eingebunden sind.
Ambulante Behandlungen nehmen zu, viele Spitäler bieten auch Zentren für die Nachbehandlung an. Mit welchen Folgen für die Hausärzte?Die Patienten werden nach Operationen und Spitalaufenthalten tendenziell weniger durch die Hausärzte betreut, was ich bedaure. Es gibt gewisse Zentren, welche die Patienten an sich binden wollen. Ein Gleichgewicht zwischen Generalisierung und Spezialisierung zum Wohle der Patienten zu finden, ist mir ein Anliegen. Es braucht ausserdem wieder mehr Austausch zwischen Hausärzten, Spitalärzten und Spezialisten.
Wo sehen Sie die Hausarztmedizin in zehn Jahren?Es wird auch künftig noch Einzelpraxen geben, aber Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der jungen Hausärzte in mittelgrossen Praxen arbeiten möchte. Diese werden mehrere Gesundheitsberufe unter einem Dach vereinen und auch grössere Gebiete versorgen. Gibt es etwa in Sörenberg oder im abgelegenen Hinterland keine Hausarztpraxis mehr, kann eine Gemeinschaftspraxis im nächsten grösseren Ort die Patienten versorgen. Sie bietet im besagten Gebiet wöchentliche Aussensprechstunden an, macht Hausbesuche oder organisiert den Transport in die Praxis. Es ist auch Aufgabe des neu gegründeten Zentrums, zukunftsorientierte Modelle der Grundversorgung zu entwickeln und zu erforschen.
Im Kanton Uri wurde ein Pilotprojekt lanciert, bei welchem eine Pflegeexpertin die ärztlichen Tätigkeiten einer Hausarztpraxis unterstützt. Wie funktioniert das?Es handelt sich um ein neues Versorgungsmodell, das den Hausarztmangel abfedern soll. Eine Pflegefachfrau mit einem Masterabschluss wird im Team einer Gemeinschaftspraxis für Hausbesuche eingesetzt oder besucht Patienten in Alters- und Pflegeheimen. Gerade im Kanton Uri, wo die Hausarztdichte schweizweit am geringsten ist, braucht es neue Versorgungsformen. Das Projekt wurde von Patienten und Ärzten sehr positiv aufgenommen.Wird es ausgeweitet?Ins Projekt miteinbezogen wurde später auch der Kanton Schwyz mit Beteiligung einer Praxis im Hauptort. Ausserdem ist vor kurzem in einer Praxis im Seetal ein ähnliches, kleineres Projekt entstanden.Das frühere Institut hat viel unternommen, um Hausärzte in den Kanton Luzern zu locken. Mit Erfolg?Definitiv. Etliche frühere Assistenzärzte sind nun als Fachärzte auf dem Land tätig. Erreicht wurde dies dank eines attraktiven Weiterbildungsangebots, dem «Luzerner Curriculum Hausarztmedizin». Dabei handelt es sich um halbjährliche Rotationsstellen für angehende Hausarztmediziner in ausgewählten Fächern. Sie werden unter Vermittlung des Instituts von Luzerner Kliniken angeboten. Kombiniert werden die Rotationsstellen mit Praxisassistenzen in Hausarztpraxen. Das Angebot wird durch den Kanton Luzern finanziert.
Sie sind in Ihrer Praxis an der Furrengasse in Luzern als Hausarzt tätig. Welche Eigenschaften braucht ein erfolgreicher Hausarzt?Empathie und Freude am Beruf sind wichtig, auch die Erkenntnis, dass man nicht immer erfolgreich sein kann, sowie eine gewisse Neugier. Die meisten Patienten kommen mit einem Symptom und nicht mit einer Diagnose in die Praxis. Die Frage ist, was könnte dahinter stecken? Ich mag diese detektivistische Komponente. Bei chronischen Erkrankungen ist es zentral, gemeinsam mit den Patienten Prioritäten zu setzen, um ihre Lebensqualität zu erhöhen. Im Verlaufe meiner Praxistätigkeit habe ich die Bedeutung einer guten Kommunikation immer höher eingeschätzt.
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