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Luzern

Nachtragend: Darum benötigt der Kanton Luzern fast immer Nachtragskredite

Von der Flüchtlingskrise bis zu nicht umsetzbaren Sparmassnahmen bei der Polizei: Wenn der Kanton Luzern in einzelnen Bereichen unvorhersehbare Ausgaben hat, braucht es einen Nachtragskredit. Der wird vom Parlament gewährt – wenn auch oft zähneknirschend.

Budgetieren ist schwierig, zumal bei einem rund 3,8 Milliarden Franken schweren Staatshaushalt wie jenem des Kantons Luzern. Dutzende Dienststellen versuchen vorauszusehen, wie sich im nächsten Jahr Schülerzahlen, Delikte oder Asylgesuche entwickeln werden. Das gesammelte Resultat legt der Regierungsrat jeweils an der Oktobersession dem Kantonsrat vor: als Budget für das kommende Jahr und als Aufgaben- und Finanzplan für die weiteren Jahre.

Just in jener Session präsentiert der Regierungsrat in der Regel auch Nachtragskredite für das laufende Jahr. Das ist immer dann nötig, wenn eine Dienststelle unvorhergesehene Ausgaben hat, die sie nicht vollständig kompensieren kann. Letzten Monat zum Beispiel hat das Parlament nachträglich Ausgaben in der Höhe 7,1 Millionen Franken für das aktuelle Jahr gutgeheissen. Und das mit ausnahmsweise lobenden Worten. Denn die Nachtragskredite geben immer wieder Anlass zu Kritik. Ein Überblick auf die letzten zehn Jahre.

  • Nachtragskredite im Wert von 1,5 Polizeikorps: Zwischen 2010 und 2020 hat der Kantonsrat Nachtragskredite von insgesamt rund 130 Millionen Franken bewilligt. Das entspricht etwa dem eineinhalbfachen Globalbudget der Luzerner Polizei. Im Durchschnitt musste die jeweils laufende Rechnung nachträglich mit 12 Millionen Franken belastet werden. Doch die jährlichen Unterschiede sind gross: 2017 ist gar kein Nachtragskredit benötigt worden, dafür war 2011 mit über 26 Millionen Franken ein Rekordjahr.
  • Das Rekordjahr: Allein 8,8 der rund 26 Millionen Franken 2011 musste die Dienststelle Soziales und Gesellschaft beantragen. Grund waren unerwartet höhere Staatsbeiträge an die sozialen Einrichtungen. Unterschätzt wurden in anderen Bereichen auch Schülerzahlen oder das Unterbringen von Häftlingen in anderen Kantonen. Es gibt aber immer wieder auch übergeordnete Gründe; zum Beispiel Gesetzesanpassungen auf Bundesebene, deren Auswirkungen dem Kanton zuerst nur schemenhaft bekannt sind. So ist auf den 1. Januar 2011 die neue Strafprozessordnung in Kraft getreten. Deren Umsetzung hat die Staatsanwaltschaft in jenem Jahr besonders gefordert. Sie hat mehr Personal benötigt.
  • Die Kritik: Immer wieder reklamieren die Kantonsräte, Verwaltung und Regierung budgetieren zu ungenau. So musste zum Beispiel Gesundheits- und Sozialdirektor Guido Graf 2015 allein 12,9 von 13,7 Millionen Franken an Nachtragskrediten stellen. Der grösste Teil davon stammt aus dem Asyl- und Flüchtlingswesen, wo Grafs Departement mit geringeren Gesuchen gerechnet hat. Doch nicht nur die Fallzahlen sind gestiegen. Auch der Bund hatte - wieder einmal - seine Finger Spiel, indem er die Anerkennungsquote bei Flüchtlingen anhob. Das Departement schrieb dazu: «Kurzfristig fallen damit vor allem Kosten im Asylbereich an, weil wir kaum Abgänge aus dem System haben und damit Monat für Monat neue Unterkunftsplätze schaffen müssen.» Der Flüchtlingsbereich sei die volatilste Aufgabe im Budgetprozess, da niemand vorhersehen könne, wo und wann auf der Welt ein Konflikt ausbricht. Entsprechend oft wird nachträglich mehr Geld für das kantonale Asylwesen beantragt: neben 2015 auch 2012, 2016, 2018 und 2019. Diese Häufigkeit kumulierte letztes Jahr in einem erneuten Rüffel an den Regierungsrat. Die SVP-Fraktion hat sogar beantragt, den Teilkredit von 1,6 Millionen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich nicht zu genehmigen. Der Antrag wurde abgelehnt, die Kredite mit 106 zu 1 Stimmen angenommen.
  • Die Aktualität: Das Asyl- und Flüchtlingswesen ist nicht der einzige Bereich, welcher der globalen Aktualität unterworfen ist. So hat der Regierungsrat 2010 einen Nachtragskredit über 5 Millionen Franken für die Unterstützung der Wirtschaft beantragt; als Abfederung der Folgen aus der Finanzkrise 2008 und 2009. Regionaler, aber genauso unerwartet war 2015 der Feuerbrand. Weil die Pflanzenkrankheit damals besonders gewütet hat, beantragte die Dienststelle Landwirtschaft und Wald 125'000 Franken für Entschädigungen. Die Natur war auch dieses Jahr Ursache eines Nachtragskredits. So zerstörte am 15. November 2019 ein Föhnsturm Teile des Schutzwaldes in Escholzmatt-Marbach und Flühli. Nach der Schneeschmelze im Frühling 2020 begann der Kanton mit Aufbauarbeiten. Und erhielt dafür nachträglich 1,38 Millionen Franken.
  • Das Geisterzentrum: Dass der Kantonsrat die Nachtragskredite durchwinkt, ist die Regel. Wenn überhaupt, wird ein Kredit abtraktandiert, um das Fuder nicht zu überladen. So geschehen 2011 bei der Projektierung des Sicherheitszentrums Sempach. Auch war das Projekt dem Parlament nicht so dringlich wie der Ausbau des Haft- und Untersuchungsgefängnisses Grosshof, für das die Regierung ebenfalls einen Nachtragskredit beantragte. Der damalige Finanzdirektor Marcel Schwerzmann stellte in Aussicht, das Projekt allenfalls ins kommende Budget aufzunehmen. Das ist nie passiert. Das Sicherheitszentrum Sempach wurde 2014 definitiv beerdigt. Und doch wird dessen Geist weiterleben - im auf 2028 geplanten Sicherheitszentrum Rothenburg.

Als Fazit bleibt festzustellen, dass der Kanton Luzern in der Regel genau budgetiert: Seit 2010 wurden nie Nachtragskredite beantragt, deren Höhe 1 Prozent der gesamten Ausgaben erreicht. Dieses Jahr war der Anteil nur 0,2 Prozent. Und Befürchtungen, wonach der Kanton ungenauer budgetiert, seit 2018 die Voranschläge vom Dezember auf den Oktober vorverschoben wurden, sind bis jetzt nicht eingetroffen. Ob die Coronakrise noch den einen oder anderen Nachtragskredit verursacht, bleibt abzuwarten.

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