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Luzern

Nach heftiger Kritik an Luzerner Rückzonungsstrategie: So machen es andere Kantone

Es geht um viel Bauland und um Geld. Die Rückzonungen schüren in diversen Luzerner Gemeinden Emotionen. Ein Vergleich mit anderen Kantonen zeigt: Luzern verfolgt eine strikte Politik – aus gutem Grund.
Die Gemeinde Flühli – im Bild der Ortsteil Sörenberg – ist besonders stark von den Rückzonungen betroffen.
(Bild: Boris Bürgisser (16. April 2020))

Niels Jost

Die Zeit drängt. In zweieinhalb Jahren müssen alle Luzerner Gemeinden ihre Ortsplanung revidiert haben. Knacknuss sind für 21 Kommunen die Rückzonungen. Um die Zersiedlung zu stoppen, der inneren Verdichtung gerecht zu werden und das Kulturland zu schützen, muss übermässig vorhandenes Bauland in Landwirtschaftsland rückgezont werden.

Grundeigentümern droht dabei ein Wertverlust von bis zu 95 Prozent. Entsprechend emotional wird die Debatte geführt, welche Parzelle nun rückgezont werden soll, und welche nicht. In Luzern legt dies in einer ersten Phase der Kanton fest – zum Ärger gewisser Gemeinderäte, welche dadurch ihre kommunale Planungshoheit verletzt sehen. Viel lieber würden sie die Rückzonungsflächen selber definieren, weil sie die örtlichen Verhältnisse besser kennen und weil sie in der Entwicklung des eigenen Dorfes nicht bevormundet werden wollen. Die Gemeinden können nämlich erst ab einer zweiten Phase mitreden und um die festgelegten Parzellen feilschen.

Dieses Vorgehen des Kantons sei «diktatorisch», sagte etwa Hans Lipp, Gemeindeammann von Flühli und CVP-Kantonsrat. Auch in Gesprächen mit anderen Politikern, betroffenen Landeigentümern und Raumplanungsexperten wird die restriktive Vorgehensweise der Luzerner Behörden kritisiert.

Gemeinden bestimmen in Nidwalden, Aargau und Wallis selber

Was steckt hinter den Vorwürfen? Unsere Zeitung hat die Rückzonungsstrategien anderer Kantone unter die Lupe genommen. Dabei fällt auf: Die kommunale Planungshoheit wird vielerorts möglichst gewahrt. Sowohl in Nidwalden, im Aargau und im stark betroffenen Wallis können die Gemeinden selber festlegen, welche Parzellen zur Rückzonung in Frage kommen. Die Kanton hat jeweils nur übergeordnet für die rechtliche Prüfung der Nutzungsplanung zu sorgen, heisst es auf Anfrage. Allerdings betont etwa Viktor Schmidiger, Vorsteher ad interim des Nidwaldner Amts für Raumentwicklung: «Die Festlegung der Rückzonungsflächen ist eine Teamarbeit zwischen Kanton und Gemeinden.» Auch der Aargauer Kantonsplaner Daniel Kolb spricht von einer «Verbundaufgabe von Gemeinden und Kanton».

Im Aargau müssen aktuell sechs der 210 Gemeinden rund 17 Hektaren rückzonen, in Nidwalden vier der elf Kommunen total 14 Hektaren. Ein Klacks im Vergleich zum Wallis: Dort sind zwei Drittel der 126 Gemeinden betroffen, über 2055 Hektaren Bauland sind überdimensioniert, wovon ungefähr 1055 rückgezont und 1000 «eingefroren» werden müssen. In Luzern müssen 21 der 82 Gemeinden rund 67 Hektaren rückzonen.

Kriterien sind klar, Interpretation nicht

Ein weiterer Streitpunkt sind die vom Kanton Luzern festgelegten zehn Rückzonungskriterien. Mit diesen will er eine möglichst rechtsgleiche Behandlung aller Gemeinden und Eigentümern erreichen. Einen ähnlichen Katalog kennt auch der Kanton Wallis. In Nidwalden und im Aargau wiederum gibt es keinen fixen Katalog. Allerdings sind die Kriterien landesweit ungefähr die gleichen – von der peripheren Lage über die Erschliessung bis zum Zeitpunkt des Grundstückerwerbs.

Entscheidend ist deshalb, wie diese Kriterien interpretiert werden. Fakt ist: Trotz hart geführter Diskussionen kommt der Kanton Luzern den Gemeinden zum Teil entgegen. Flühli hätte beispielsweise rein rechnerisch gesehen 22 Hektaren rückzonen müssen, nach intensiven Abklärungen sind es aktuell noch 7,6 Hektaren.

Experten betonen zudem, dass nur ein kleiner Teil aller Gemeinden und Grundeigentümer von Rückzonungen betroffen ist. Zwar wiege jedes Einzelschicksal schwer, die Raumplanung habe jedoch einen viel breiteren Blickwinkel. Zudem müsse ein Grossteil der Betroffenen keinen eigentlichen Wertverlust hinnehmen; der drohende Wertverlust von bis zu 95 Prozent beziehe sich schliesslich «bloss» auf den potenziellen Gewinn, welcher durch den Verkauf des Baulands hätte erzielt werden können.

Randregionen im Nachteil

Tatsache ist auch, dass viele Gemeinden seit Jahrzehnten überschüssiges Bauland haben. Das nun als restriktiv wahrgenommene Vorgehen des Kantons Luzern ist nicht zuletzt darin begründet, dass der Bund nun die Schrauben beim Vollzug der Ein-, Aus- und Rückzonungen angezogen hat. Was eigentlich schon seit Jahren gilt, nämlich, dass der Bedarf an freien Bauzonen lediglich für die nächsten rund 15 Jahre gesichert sein muss, wird erst jetzt in der Praxis richtig umgesetzt.

Nichtsdestotrotz fusst der Ärger einiger ländlicher Gemeinden darin, dass der Kanton sie zu Rückzonungen verknurrt, weil er sie als Randregionen mit weniger Entwicklungspotenzial betrachtet. Denn über das ganze Kantonsgebiet gesehen, verfügt Luzern nicht über überdimensionierte Bauzonen - sie befinden sich laut Kanton nur «am falschen Ort», also nicht an der Y-Achse. Daher können Gemeinden entlang der A2 und A14 weiterhin Land einzonen. Dort also, wo die Hauptentwicklungsregionen liegen. Definiert wurden diese vom Kanton im Richtplan – der wiederum vom Luzerner Kantonsrat abgesegnet wurde.

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