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Luzern

Mit Pferdestärken kennt sie sich aus: Die 31-jährige Ramona Fischer übernimmt Carrosserie-Betrieb

Aus dem Einzelunternehmen von 1964 hat sich die Carrosserie Fischer zur Arbeitgeberin für 40 Männer und Frauen entwickelt. Robert Fischer gibt die Geschicke nun an Tochter Ramona weiter.
Ramona und Robert Fischer in der Werkstatt der Carrosserie Fischer AG.  (Bild: Nadia Schärli (Schenkon, 6. Januar 2022) )
Die Firma ist stolz auf ihr Allrounder-Team. (Bild: Nadia Schärli (Schenkon, 6. Januar 2022))

Roger Rüegger

Roger Rüegger

Eigentlich stehen Ramona (31) und Robert Fischer (65) unter Strom. Der Sommer mit den Hagelgewittern bescherte den Carrosserien in der Schweiz Arbeit ohne Ende. Dennoch nehmen sie sich gerne Zeit, die Firmengeschichte zu erzählen. «Wir hatten letztes Jahr viele Fahrzeuge, die rundum beschädigt waren. Dass Autoglas durch Hagel derart zu Bruch geht, kannte ich so nicht. Wir sind immer noch mit Hagelschäden beschäftigt, und das wird noch eine Weile so bleiben», beschreibt Ramona Fischer den gegenwärtigen Alltag in der Carrosserie Fischer AG in Schenkon.

Selbst Robert Fischer spricht von einer aussergewöhnlichen Situation: «So etwas habe ich noch nie erlebt.» Er übernahm das Unternehmen wenige Jahre nach seiner Lehre Ende der 70er-Jahre von seinem damaligen Lehrmeister Emil Fischer, der die Carrosserie Fischer 1964 als Einzelfirma an der Zeughausstrasse in Sursee gründete.

«Mein Chef war damals so alt wie ich heute. Ich schlug ihm vor, den Betrieb zu übernehmen, wenn er in Pension geht.»

Bald setzte er sein Vorhaben in die Tat um. Zu Beginn reparierte der junge Geschäftsinhaber mit zwei Mitarbeitern Fahrzeuge aller Art. Nun hat ihn die Vergangenheit quasi eingeholt. Ähnlich wie sein Vorgänger, der übrigens nicht mit den heutigen Besitzern verwandt war, kann auch Robert Fischer auf eine interessierte junge Nachfolge zählen. Diesmal bleibt die Firma aber in Familienbesitz.

Wie der Vater, so die Tochter

Offiziell hat per 1. Januar Ramona Fischer die Geschäftsleitung übernommen. Auch die gelernte Gestalterin Werbetechnik mit Handelsschulabschluss hat, wie damals ihr Vater, von sich aus ihr Interesse am Betrieb angemeldet. «Nach meiner Ausbildung wollte ich mich einer neuen Herausforderung stellen, also fragte ich meine Eltern, ob ich zu Hause im Betrieb helfen könne. Inzwischen bin ich seit zehn Jahren in der Firma tätig», sagt sie.

Den Carrosserie-Betrieb in dieser aussergewöhnlichen Zeit zu übernehmen, sei eine gewaltige Herausforderung. «Die Auftragslage ist gross, die Kundschaft will die Autos möglichst sofort repariert auf der Strasse sehen. Doch die Leute in der Werkstatt sind mit Arbeit voll ausgelastet und können nicht noch mehr Überstunden leisten.» Es gelte einerseits, die Fachkräfte im Betrieb zu motivieren, und andrerseits, die Kundschaft über die ausserordentliche Lage zu informieren, fügt Robert Fischer hinzu.

Er habe seiner Tochter die Verantwortung guten Gewissens übertragen. «Ramona kennt den Betrieb und sie kann auf gute Leute zählen. Ohne die Unterstützung eines Topteams würde es nicht funktionieren, auch zu meiner Zeit nicht. Ich denke, es kommt sehr gut. Mich braucht es nicht mehr.»

Alle packen dort an, wo Not herrscht

Die junge Chefin trägt stets Arbeitskleidung, wie die rund 40 Männer und Frauen in der Werkstatt und der Lackiererei. Das ist keine Fassade, die Frau packt gerne im Betrieb mit an, wenn Not herrscht. Und das war in den letzten Monaten oft der Fall. «Durch die Hagelschäden war jede Hand gefragt, so sprang ich in der Carrosserie ein. Bei uns muss eigentlich jeder alles können. Wir haben einige Allrounder, die abteilungsübergreifend eingesetzt werden können.»

Ihre Hauptaufgabe ist aber die Werkstattleitung, also Aufträge vergeben, koordinieren und der Kundendienst. Die Anforderung für eine Carrosserie wandelt sich. So hat die Firma im letzten Jahr in die Ausbildung der Mitarbeitenden und in die Infrastruktur enorm investiert. Apropos unter Strom stehen: «Aus unseren Reihen lassen sich ein paar Spezialisten regelmässig bei Herstellern im Bereich Elektroantrieb weiterbilden», sagt Robert Fischer. Das sei von zentraler Bedeutung, denn ohne die nötigen Sicherheitsvorkehrungen und -massnahmen, besonders im Zusammenhang mit Hochvoltspannung, komme ein Betrieb in dieser Grösse heute nicht mehr aus.

Fischer verfügt über zahlreiche Zertifikate von Herstellern, daher ist das Unternehmen in der Lage, alle Marken von Elektrofahrzeugen zu reparieren. In Schenkon wurde 2021 die Elektrowerkstatt eröffnet. Nun zählt Fischer AG mit zu den grössten Carrosserien der Schweiz.

Wenn es nach Benzin riecht, sind die Fischers nicht weit

Auf alternative wie auch auf herkömmliche Antriebsformen setzt Ramona Fischer in ihrer Freizeit. Schon als kleines Mädchen verbrachte sie viel Zeit mit Vater Robert und war immer dabei, sobald es nach Benzin roch. Robert fuhr früher Autocross und Ramona hatte bereits als 4-Jährige einen Motocross-Töff mit 50 Kubikzentimetern. Beide fuhren leidenschaftlich gerne Gokart und auch heute kann es ihnen nicht laut genug sein. Etwa bei Besuchen diverser Veranstaltungen rund um den Motorsport oder aber sie drehen selbst ein paar Runden auf Rennstrecken im Ausland.

Ramonas grosse Liebe gilt aber ihrem Pferd Sir Maverick, dem siebenjährigen Shire Horse, mit dem sie jeden Tag ein paar Stunden verbringt. Das Brauereipferd hat sie vor fünf Jahren aus England importiert. Neben einem Ritt am Feierabend setzt sie das Kaltblut auch bei Arbeiten ein. So kommt es vor, dass das starke Pferd vor eine Kutsche gespannt wird, oder man trifft das Duo im Wald beim Holzrücken an.

Eine weitere Leidenschaft ist das Fotografieren. Mit der Kamera nimmt Ramona gerne Tiere auf. «Das muss sein. Obwohl die Arbeit im Betrieb viel abverlangt, insbesondere nach den Unwettern. Aber auch diese Zeit nehme ich mir.»

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