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Luzern

Luzerner SVP-Aushängeschild Urs Dickerhof tritt zurück: «Ich weiss, dass ich sehr direkt bin»

17 Jahre politisierte Urs Dickerhof im Luzerner Parlament, nun tritt der frühere Emmer Finanzdirektor auch von der kantonalen Bühne ab. Im Gespräch sagt der Fraktionschef, wieso es dem Kanton heute viel besser geht und warum er mit dem politischen Gegner mitfühlt.
SVP-Kantonsrat und Fraktionschef Urs Dickerhof tritt nach 17 Jahren zurück. Fotografiert wurde er bei seiner Firma Dickerhof AG, die gleich neben dem Gemeindehaus Emmen liegt, wo er lange Finanzvorsteher war. (Bild: Jakob Ineichen (Emmenbrücke, 25. November 2020))
Urs Dickerhof wurde im Dezember 2012 zum neuen Kantonsratspräsidenten gewählt, rechts seine Frau Brigitte Dickerhof. Auf dem Bild sind zudem die ehemalige Regierungsrätin Yvonne Schärli (l.) und Standesweibelin Anita Imfeld-Müller.
(Bild: Dominik Wunderli (Emmenbrücke, 12. Dezember 2012))
Handshake mit Parteipräsident Josef Kunz: Urs Dickerhof schafft 2011 die Wahl in den Regierungsrat auch im 2. Wahlgang nicht.
(Roger Zbinden (Luzern, 15. Mai 2011))

Reto Bieri

Reto Bieri

Reto Bieri

Mit Urs Dickerhof tritt ein Politik-Urgestein ab. 17 Jahre lang gehörte er für die SVP dem Kantonsrat an, 2013 war er dessen Präsident. Von 2003 bis Mitte 2018 war er zudem in Emmen als Gemeinderat für die Finanzen zuständig. Der 67-jährige Unternehmer ist gelernter Verkäufer und medizinischer Masseur. Er besitzt mehrere Firmen, die bekannteste ist die Bildungszentrum Dickerhof AG für Massage und Kosmetik, die seine Frau führt.

In der Öffentlichkeit steht Dickerhof auch als Präsident des Innerschweizer Fussballverbandes, dem er seit 2009 vorsteht. Weiter ist er Präsident der IG Sport Kanton Luzern sowie der IG Höhere Berufsbildung. Urs Dickerhof ist verheiratet, hat zwei Kinder und vier Grosskinder.

Urs Dickerhof, nach 17 Jahren als Kantonsrat treten Sie per 30. November zurück. Warum?Einen bestimmten Grund gibt es nicht. Ich habe einfach gemerkt, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist.An welche Momente denken Sie gerne zurück? Der Höhepunkt war sicher das Kantonsratspräsidium im Jahr 2013. Es gibt nichts Schöneres für einen Politiker. Man lernt die Gemeinden kennen, ist sehr viel unterwegs und darf den Kanton Luzern vertreten. Den Betrieb mit 120 Kantonsräten zu führen, ist eine Herausforderung. Ich habe es aber sehr gerne gemacht.Welchen Geschäften konnten Sie ihren Stempel aufdrücken?Ich war gleichzeitig auch Gemeinderat für die Finanzen in Emmen. Die kantonalen Finanzgeschichten waren für mich deshalb elementar. Gesundheitsthemen sind mir von Berufes wegen nah. Ich denke, ich konnte auch im Bereich Sport etwas bewegen.Wie steht der Kanton Luzern ihrer Ansicht nach heute im Vergleich zu Ihrer Anfangszeit da?Um einiges besser. Vor 20 Jahren hatte der Kanton mit hohen Schulden und Steuern zu kämpfen. Es ging darum, den Schaden möglichst gering zu halten. Jetzt sind die Voraussetzungen besser, man kann wieder agieren und gestalten. Man kann nun ernten, was damals gesät wurde. In der Politik dauert es halt, bis man ein Resultat sieht.Sie sprechen damit die Tiefsteuerstrategie an. Für die Bürgerlichen ist sie ein Erfolg, die Linken halten sie für gescheitert. Ihre Einschätzung?Die Steuerstrategie ist eine Erfolgsgeschichte des Kantons Luzern, definitiv. Wer etwas anderes behauptet, der war damals nicht dabei.Der Preis dafür waren Sparpakete und unschöne Schlagzeilen, zum Beispiel 2016 die Zwangsferienwoche an den Gymnasien und Berufsschulen.Das ist in der Tat so. Wenn man etwas Neues versucht, kann nicht gleich alles glänzen. Es braucht gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen. Sonst hätten wir immer noch Verhältnisse wie vor 20 Jahren.Parallel zu Ihrer Amtszeit konnte die SVP kontinuierlich an Wählerstärke zulegen und wurde zweitstärkste Partei. Was sind die Gründe? Themen wie Flüchtlingsproblematik, hohe Steuern und der EU-Beitritt. Das sind die Themen der SVP. Deshalb waren wir obenauf. Jetzt dominieren halt grüne Themen.Die SVP tut sich schwer, den Klimawandel einzugestehen. Braucht es Ihrer Ansicht nach einen Kurswechsel?Nein, wir tun uns nicht schwer. Wir haben einfach einen anderen Zugang. Bei uns geht die Welt nicht unter, sondern wir versuchen auf anderen Wegen, uns damit auseinanderzusetzen. Ich finde nicht, dass die SVP eine andere Brille aufsetzen sollte, nur weil das Umweltthema aktuell ist. Die SVP muss jetzt nicht auf Grün machen, es ist nicht unser Kernthema.Höhere Weihen blieben Ihnen verwehrt: Sie kandidierten 2011 für den Regierungsrat, blieben aber chancenlos. Fuchst Sie das manchmal?Wenn einen so etwas plagt, muss man sofort aufhören mit politisieren. Ich bin Sportler. Dort lernt man nicht nur verlieren, sondern eine Niederlage hinzunehmen. Das gehört zum Leben dazu.Sie sind ein Mann der klaren Worte, nehmen meist kein Blatt vor den Mund. Sind Sie allenfalls daran gescheitert? Das ist möglich, aber ich denke nicht lange darüber nach, was ich falsch gemacht haben könnte. Der Zeitpunkt war damals nicht ideal für mich. Ich weiss, dass ich sehr direkt bin. Aber ich bin stolz darauf, dass ich das sein kann. Dadurch kann ich mich selber bleiben.Wie damals die SVP ist heute die SP nicht mehr in der Regierung vertreten. Sie müssten deren Frust gut nachfühlen können.Das kann ich gut. Und ich kann dadurch nachvollziehen, weshalb die SP eine starke Oppositionspolitik betreibt. Das mussten wir damals auch. Das gehört zum Spiel.17 Jahre sind eine lange Zeit. Hat das Amt Sie im Hinblick auf ihre politischen Einstellungen verändert? Man wird ja mit dem Alter auch ein bisschen weiser. Am Anfang war ich ein bisschen der «Muni im Chreeshuufe», wollte Dinge durchboxen. Ich hatte manchmal die Geduld nicht, wie ich es heute bei den Jungen sehe. Da bin ich sanfter geworden. Aber die Werte sind immer noch die gleichen - die Unabhängigkeit der Schweiz bewahren, den Wohlstand erhalten, und auch die Eigenverantwortung muss hoch angesiedelt werden.Welche Tipps geben Sie Armin Hartmann, Ihrem Nachfolger als Fraktionschef? Jeder muss seinen Führungsstil selber finden. Die Fraktionsarbeit ist fordernd und zeitintensiv, aber auch sehr befriedigend, man ist an vorderster Front dabei.Wer soll nach Ihrem Rücktritt den FC Kantonsrat trainieren? Auch ehemalige Kantonsräte dürfen mitmachen. Das ist in den Statuten so vorgesehen. Sonst hätten wir sie geändert (lacht). Ich werde das Traineramt bis auf weiteres noch ausüben, weil es mir Spass macht. Nächstes Jahr findet das Parlamentarierturnier in Luzern statt. Ich bin zudem stolz, dass wir zwei Mal Schweizer Meister wurden.Als Präsident des Innerschweizer Fussballverbandes waren Sie in den vergangenen Monaten wegen Corona stark gefordert.Vor allem unsere Vereine waren stark gefordert. Was sie geleistet haben, ist phänomenal. Es ist schade, dass wir nicht spielen können, insbesondere für die Junioren. Auch fehlt das Vereinsleben. Das merkt man auch sonst in der Gesellschaft. Sich treffen und austauschen, das fehlt extrem.Wie lange bleiben Sie noch Fussballpräsident?2021 möchte ich gerne noch das 100-Jahr-Jubiläum der Amateurliga des Schweizerischen Fussballverbands (SFV) mitgestalten. Die Amateurliga umfasst 13 Regionalverbände vom Genfersee zum Bodensee, von Basel bis Chiasso und ist die grösste Abteilung des SFV. Danach schauen wir weiter. Ich muss nicht möglichst lange auf einem Sessel sitzen bleiben. Man sollte nicht so lange bleiben, bis die Leute einem sagen, jetzt wär’s dann Zeit zu gehen.
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