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Luzern

Luzerner Suchtexperte über Alkoholkranke: «Viele haben das Gefühl, sie hätten versagt»

Am 26. November ist der nationale Aktionstag Alkoholprobleme. Er dient dazu, die Bevölkerung für die Belastungen zu sensibilisieren, mit denen Menschen mit Alkoholproblemen sowie deren Angehörige leben.
Ruedi Studer. (PD)

Livia Fischer

Dieses Jahr findet der Aktionstag unter dem Motto «Das Tabu brechen – reden wir über Alkoholprobleme» statt. Einer, der sich fast täglich mit dem Thema befasst, ist Ruedi Studer (56), Geschäftsführer der Klick Fachstelle Sucht Region Luzern.

Alkoholismus wird in der Gesellschaft oft tabuisiert. Warum?

Ruedi Studer: Jemand mit einem Alkoholproblem wird oft als charakter- und willensschwach betrachtet. Man unterstellt den Betroffenen, sie seien selbst schuld. Menschen mit Alkoholproblemen kennen dieses vorurteilsbehaftete Denken, ziehen sich zurück und versuchen, die Krankheit zu verheimlichen.

Weil sie sich schämen?

Genau. Gekoppelt mit Schuldgefühlen empfinden sie sich dann als wertlos und fürchten zusätzliche Abwertung durch andere. Sie bemerken meist durchaus, dass sie ein Leben führen, das sie sich so gar nicht wünschen. Sie haben aber Mühe, dies zu ändern und holen sich auch kaum Unterstützung von aussen. Viele haben das Gefühl, sie hätten versagt und würden es ohnehin nicht schaffen, mit dem Trinken aufzuhören.

Die Hemmschwelle, darüber zu sprechen, ist auch bei Angehörigen gross.

Oft, ja. Die meisten trauen sich nicht, die Sache beim Namen zu nennen und wenn doch, geschieht das in Form eines Konflikts. Und auch hier sind oft Schamgefühle mit im Spiel. Angehörige schämen sich etwa vor Freunden oder Verwandten, weil sich die trinkende Person auffällig benimmt, schlecht aussieht oder weil vieles nicht mehr so gut funktioniert. Dann passiert es schnell, dass ein Alkoholproblem zu einem Familiengeheimnis, einem Tabu, wird.

Was raten Sie jemanden, der erstmals einen auffälligen Alkoholkonsum bei einer ihm nahestehenden Person beobachtet?

Unbedingt ansprechen, auch wenn es schwierig ist. Allein weil viele Trinkende das Gefühl haben, sie könnten es gut verstecken. Wenn sie merken, dass das nicht der Fall ist, kann es schon ein Augenöffner sein. Dabei ist es wichtig, von eigenen Sorgen und Beobachtungen zu sprechen und keine Schuldzuweisungen zu machen. Zudem sollte man nur die Unterstützung anbieten, die man selber bereit ist, zu geben und auch tragen kann.

Eine alkoholkranke Person zur Einsicht bringen, ist vermutlich schwierig.

Einsicht kann man nicht direkt bewirken, man kann nur Wünsche formulieren und hoffen, es ergebe sich eine Änderung.

Wie können betroffene Personen lernen, mit diesem Gefühl von Hilflosigkeit umzugehen?

Sich mit anderen Angehörigen oder engen Freunden zu vernetzen, kann extrem helfen. Wenn man in diesen Kreisen niemanden zum Reden hat, gibt es Selbsthilfegruppen für Angehörige wie jene von Al-Anon oder Fachstellen, wie wir eine sind, die sowohl Betroffenen als auch Angehörigen helfen, Lösungen zu finden.

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