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Luzern / Uri

Kriminalgericht: Für regelmässige Mahlzeiten wollte er morden

Ein Mann wollte seine Sozialarbeiterin töten. Doch statt zur Tat zu schreiten, ging er zur Polizei. Der Staatsanwalt klagt auf versuchten Mord – der Verteidiger spricht von einem «Hilferuf» und fordert einen Freispruch.
Das Urteil des Schwyzer Verwaltungsgerichts wird aufgehoben.

Ein heute 34-jähriger Urner wollte im Februar 2017 ohne persönliches Motiv seine Sozialarbeiterin mit einem Stich in den Hals töten, als er bei ihr einen Termin hatte. Seine Wut habe sich aber nicht gegen den Menschen, sondern gegen das Sozialamt gerichtet, wie er in der Voruntersuchung zu Protokoll gab.

Zur Tat kam es nicht, er sei zu nervös gewesen, hätte sich während des Termins nicht konzentrieren können. Weil er die Tat nicht begehen konnte, ging er nach der Besprechung direkt zum benachbarten städtischen Polizeiposten.

Dort legte er das in der Schweiz verbotene Schmetterlingsmesser auf den Tisch und erzählte, was er damit vorhatte und dass er solche Gedanken in der Vergangenheit bereits mehrmals hatte. Der Mann wurde festgenommen und Stunden später wurde für ihn eine fürsorgerische Unterbringung angeordnet. Diese wurde dann anstelle einer erneuten Untersuchungshaft aufgehoben.

Seit Anfang Dezember 2017 befindet sich der Beschuldigte im vorzeitigen stationären Massnahmevollzug. Von der Staatsanwaltschaft wird eine Strafe von 6,5 Jahren unter Anrechnung der U-Haft beantragt. Der Verteidiger fordert einen Freispruch.

Er war seit 2003 vom Sozialamt abhängig

Gestern fand die Verhandlung vor dem Luzerner Kriminal­gericht statt. Es zeigte sich ein ruhiger, wortkarger Mann. Aus der Befragung wurde klar, dass der Mann bereits seit 2003 Leistungen des Sozialamtes bezieht. Weil er aber nicht immer mit dem Amt kooperiert hat, wurden ihm Leistungen gekürzt und eingestellt.

Der Beschuldigte spricht von willkürlichen Kürzungen. Deshalb habe er mit dem Gedanken gespielt, die Sozialarbeiterin zu töten. «Ich habe aber einen Weg aus der finanziellen Misere gesucht und bin deshalb zur Polizei gegangen. Gut habe ich es nicht gemacht, ich bin erleichtert», so der Beklagte.

Er sei innerlich nie zur Tat bereit gewesen, es habe sich nur um Fantasien gehandelt. Dies, weil er sich zunehmend ungerecht behandelt und isoliert fühlte. Das hielt er in diversen Schreiben und E-Mails fest, die er an Behörden, Dritte und auch an die CVP schrieb. Das war in den Jahren 2014 bis 2016. Aus den Schreiben ging hervor, dass er bald soweit sei, eine Straftat in Betracht zu ziehen, um «seine Existenz auch mit Gewalt und rechtswidrigen Handlungen» zu verteidigen. Deshalb habe er sich nach Waffen informiert, konkret um Pistolen mit integriertem Schalldämpfer. Es kam jedoch nie zum Kauf.

Auch recherchierte er über das Strafmass bei Körperverletzung, Tötung oder Mord. Vor dem Termin mit der Sozialarbeiterin regelte er private Angelegenheiten, ordnete wichtige Dokumente in einem Dossier, sicherte Daten aus dem Laptop auf einem USB-Stick und deponierte den Wohnungsschlüssel im Briefkasten. Dann steckte er ein Schmetterlingsmesser in die Hosentasche. Dossier, Ersatzkleider und Medikamente packte er in einen Rucksack und machte sich auf zum Sozialamt. Er ging davon aus, dass er nach der Tötung der Sozialarbeiterin verhaftet würde und ins Gefängnis kommt.

«Gut habe ich es nicht gemacht,
ich bin erleichtert»

Damit erhoffte er sich ein «sicheres Dach über dem Kopf», regelmässige Mahlzeiten und eine Befreiung der finanziellen Last. Sozialarbeiterin merkte nichts von der drohenden Tat Die betroffene Sozialarbeiterin sowie eine ebenfalls anwesende Praktikantin merkten während des Termins nichts von seinen Absichten. Für den Staatsanwalt waren die Vorarbeiten aber klare Indizien für einen versuchten Mord. Die geplante Tat sei abscheulich und verwerflich, so der Staatsanwalt. Der Mann habe den Tod der Sozialarbeiterin in Kauf genommen, nur um ein Dach über dem Kopf und warme Mahlzeiten zu haben.

Für den Verteidiger indes sind die Argumente des Beklagten ein klarer Hilferuf und keine strafbaren Vorbereitungshandlungen. Sein Mandant habe mehrmals betonte, dass er niemandem Leid antun könne und nicht gewalttätig sei. Auch fragte der Verteidiger, warum sein Mandant mit einem 18 Jahre dauernden Leidensweg nie Hilfe bekam, obwohl er sich bereits 2014 an die Ombudsstelle wandte.

«Ein leiser Vorwurf an die Behörden ist nicht zu unterdrücken», sagte der Verteidiger. Heute lebt der Beklagte in einer psychiatrischen Klinik, in der es ihm gut gehe: «Ich habe ein Dach über dem Kopf und bekomme Therapie. Es geht immer besser.» Das Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt.

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