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Luzern

Luzerner Aufgaben- und Finanzreform: Der Widerstand wächst

Immer mehr Gemeindevertreter lehnen die Luzerner Aufgaben- und Finanzreform (AFR) 2018 ab – und weitere dürften dazu kommen. Das verhilft den Gegnern der AFR für die Abstimmung vom 19. Mai zu Aufwind.
SVP-Fraktionschef Urs Dickerhof (stehend) blickt Kollegen von der FDP über die Schultern. Beide Parteien heissen die Aufgaben- und Finanzreform 2018 grossmehrheitlich gut. (Bild: Nadia Schärli, Luzern, 18. Februar 2019)

Lukas Nussbaumer

«Die Meinungen sind gemacht. Aber schön, haben wir noch einmal darüber geredet.» Urs Brücker, GLP-Kantonsrat und Gemeindepräsident von Meggen, brachte am Montagmorgen das auf den Punkt, was sich bei der zweiten Beratung der Aufgaben- und Finanzreform (AFR) 2018 wohl so mancher Kantonsrat und Beobachter gedacht hat.

Schliesslich wurden die Pflöcke Ende Januar eingeschlagen, als das grösste Reformprojekt des Kantons Luzern der letzten zehn Jahre im Parlament zum ersten Mal debattiert und mit 67 zu 37 Stimmen gutgeheissen wurde. Hauptpunkte der Reform sind ein neuer Kostenteiler bei der Volksschule und die Übernahme des Wasserbaus durch den Kanton, womit die Gemeinden um rund 200 Millionen Franken entlastet werden. Dafür übernehmen die Gemeinden andere Aufgaben, so die Verbilligung der Krankenkassenprämien für Sozialhilfebezüger.

Ein CVP- und ein SVP-Kantonsrat sind umgeschwenkt

Für die AFR sprachen sich damals wie jetzt solide Mehrheiten von CVP, SVP und FDP aus. Dagegen votierten SP, Grüne und GLP sowie einige Vertreter jener Gemeinden, die wegen der Reform Nachteile erleiden.

Doch es gab am Montag auch Parlamentarier, die dem Paket im Gegensatz zur ersten Lesung ihren Segen nicht mehr erteilten. So beispielsweise Daniel Keller (SVP, Udligenswil) oder Carlo Piani (CVP, Sursee). Dadurch und aufgrund einer höheren Anwesenheitsquote kamen 43 Nein-Stimmen zusammen, 6 mehr als vor knapp drei Wochen.

Grüne scheitern mit Antrag auf Streichung des Geschäfts

Zu den Kritikern zählt seit jeher Monique Frey. Die Fraktionschefin der Grünen aus Emmen stellte denn auch den Antrag, das Geschäft sei abzutraktandieren. Der Erfolg war gering – Freys Anliegen wurde mit 75 zu 34 Stimmen abgelehnt. Das Gleiche widerfuhr Priska Wismer (CVP, Rickenbach). Sie verlangte, die Gemeinden sollten den Schülern während der obligatorischen Schulzeit Zugang zu einer Musikschule bieten. Entsprechend sei ein Passus im Gymnasialbildungsgesetz zu streichen und dafür im Volksschulbildungsgesetz zu ergänzen. Der Rat lehnte Wismers Begehren trotz Unterstützung von links mit 73 zu 36 Stimmen ab.

Weitere Anträge wurden am Montag keine gestellt, so dass Ratspräsidentin Hildegard Meier-Schöpfer (FDP, Willisau) die Sondersession um 10.35 Uhr für beendet erklärte.

Neue Gegner aus Rothenburg?

Langweilig war die Debatte jedoch trotz des im Voraus bekannten Ausgangs keineswegs. So kündete der Rothenburger Gemeinderat und SP-Parlamentarier Andy Schneider an, seine Gemeinde werde sich am Donnerstag eventuell dem letzte Woche orchestrierten Widerstand der elf Gemeinden Luzern, Dierikon, Eich, Greppen, Meggen, Mauensee, Neuenkirch, Schenkon, Sursee, Vitznau und Weggis anschliessen (Ausgabe vom Samstag). Das käme den Grünen Recht, die via ihren Sprecher Hans Stutz (Luzern) ankündeten, die Reform im Abstimmungskampf aktiv zu bekämpfen.

Auf weitere Verbündete hofft auch die GLP, wie sich aus dem Votum von Fraktionschefin Michèle Graber (Udligenswil) unschwer ableiten lässt:

«Ich appelliere an die Mitglieder von CVP und FDP: Lehnen Sie dieses AFR-Monster ab.»

Für die Stadtluzerner CVP-Kantonsräte Stefan Roth und Norbert Schmassmann hätte es diesen Aufruf nicht gebraucht – sie lehnten das Reformwerk schon in der ersten Beratung am 29. Januar ab. Beide weibelten am Montag aber noch einmal mit markigen Worten für ein Nein. Schmassmann sagte, sein Hals sei «zu dünn, um diese Kröte zu schlucken», Roth erklärte, er habe es in seiner zwölfjährigen Zeit als Kantonsrat noch nie mit einer Vorlage zu tun gehabt, die mit so vielen «hätte, wäre und wenn» gespickt gewesen sei. Er sei nicht grundsätzlich gegen die AFR, doch aktuell enthalte sie für ihn zu viele Unbekannte.

Konsequenzen bei Klagen noch weitgehend offen

Das findet mit Ylfete Fanaj ein weiteres Stadtluzerner Mitglied des Kantonsparlaments. Die Fraktionschefin der SP fragte, wie die Bürgerlichen dieses Geschäft mit all seinen Unsicherheiten dem Stimmvolk am 19. Mai schmackhaft machen wollen.

Offen sei auch, was passiere, wenn die Widerstand leistenden Gemeinden ihre Ankündigung wahrmachen, die Reform auf dem Rechtsweg zu bekämpfen. Eine Frage, die der parteilose Finanzdirektor Marcel Schwerzmann nicht beantwortete. «Es ist keine Klage da, der allfällige Inhalt ist unbekannt. Wir schätzen die Konsequenzen ab, wenn eine Klage eingereicht ist.»

Vorwurf von SVP: Gegner machen Abstimmungspropaganda

In der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) wurde über rechtliche Aspekte diskutiert, wie Präsident Rolf Born (FDP, Emmen) auf Anfrage sagt. Dies allerdings nicht sehr konkret, denn es stelle sich auch die Frage, welche Punkte der Reform überhaupt einklagbar seien. In einer Frage ist der Rechtsdienst des Finanzdepartements laut Born «auf die Schnelle» zu einem Schluss gekommen: Das rechtliche Infragestellen des geplanten Steuerfussabtausches würde das für 2020 vorgesehene Inkrafttreten der AFR nicht verhindern können.

Das wäre ganz im Sinne von Armin Hartmann, SVP-Kantonsrat und Gemeindeammann aus Schlierbach sowie Finanzbereichsleiter beim Verband der Luzerner Gemeinden. Er monierte kurz vor Ende der Diskussion, viele Redner hätten «die Flughöhe der Vorlage aus den Augen verloren». Schliesslich seien die Kernpunkte der Reform, also der neue Kostenteiler beim Bildungswesen und die Neuzuordnung der Wasserbauaufgaben an den Kanton, vom Parlament so bestellt worden. Vieles, was er nun höre, zeige ihm: «Der Abstimmungskampf hat begonnen.»

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