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Luzern

Knie-Kapellmeister: «Die Musik passt sich den Pferden an»

Im Zirkus spielt die Musik eine wichtige Rolle. Ruslan Fil, langjähriger Kapellmeister des Zirkus Knie, spricht im Interview über Erwartungen des Publikums, die schwierigsten Nummern – und sein verrücktestes Erlebnis.
Kapellmeister Ruslan Fil auf dem Orchesterpodium im Zelt des Zirkus Knie.
(Bild: Dominik Wunderli (Luzern, 11. Juli 2018))

Roman Kühne

Momentan gastiert der Zirkus Knie auf der Luzerner Allmend. Bei jeder Vorstellung mit dabei ist auch Ruslan Fil, langjähriger Kapellmeister des Nationalzirkus.

Ruslan Fil, sie sind seit 16 Jahren als Kapellmeister beim Zirkus Knie. Haben sich die Anforderungen an die Musik in dieser Zeit stark verändert?

Ja, das kann man sicher sagen. Vor 20 Jahren war alles akustisch und schlank. Heute ist die Musik viel «sinfonischer». Mit neun Musikern sind wir zwar immer noch ein grosses Orchester. Doch jetzt nimmt die Technik, das «Sampling» eine wichtige Rolle ein. So kann man den Sound viel stärker variieren, sich den Hörgewohnheiten des Publikums besser anpassen.

Sind denn die Erwartungen des Publikums heute höher?

Ganz klar. Der Zuschauer erwartet einerseits einen klassischen Zirkus mit einem traditionellen Musikbild. Auf der anderen Seite ist sein Ohr an grosse, wuchtige Klänge gewöhnt. Hier müssen wir einen Mittelweg finden, ein wenig den Spagat machen. So haben wir immer wieder bekannte Melodien im Programm wie aktuell «Birdland», Anlehnungen an «Blues Brothers» oder die Anfangssequenz von «Der weisse Hai». Aber diese Stücke präsentieren wir mit einem grossen Volumen, sinfonisch eben. Daneben braucht es auch ständig neue, aktuelle Stücke aus der Filmmusik und dem Popbereich.

Zirkusmusik ab Band wäre für den Zirkus Knie wohl unmöglich?

Zum Glück ist dies so. Eine der erfolgreichsten Nummern des aktuellen Programms ist der Song der Komikerin Helga Schneider zusammen mit dem Orchester. Dies würde, wie viele andere Nummern auch, ab Band nicht funktionieren. Zirkus lebt ja gerade vom Live-Moment, von der Spannung des Augenblicks.

Wie wird man überhaupt Zirkusmusiker?

Ich kam früh mit diesem Metier in Kontakt. Mit 7 Jahren ging ich auf die Musikschule in Lwiw (Lemberg) in der Ukraine. Dort spielte ich Piano, aber nur ein Jahr lang. Denn mein Vater machte Musik in einem kleinen Zirkus. Der Perkussionist dieses Zirkus kam dann eines Tages an meiner Musikschule vorbei und stellte seine Instrumente vor. Ich war so begeistert, dass ich auf die Schlaginstrumente wechselte. Da ich Talent hatte, kam ich ans Konservatorium in Lemberg.

Und der Zirkus?

Plötzlich kam ein Anruf aus Frankreich, ob ich mit dem Zirkus von Christian Gruss arbeiten wolle. Ich sagte sofort zu. Dort traf ich auf Frederic Manouguian, einen ausgezeichneten Komponisten. Er empfahl mich dem Zirkus Arlette Gruss weiter. Dies war mein erster richtig guter Zirkus. Nach zwei Jahren am Schlagzeug wurde ich Kapellmeister und stellte mein erstes Orchester mit Musikern aus der Ukraine zusammen. Anschliessend wechselte ich zum deutschen Zirkus Fumagalli. Der ging allerdings Konkurs – trotz hervorragender Besucherzahlen.

Dies hätte ihr Ende als Zirkusmusiker sein können?

Ja, es war eine schwierige Zeit. Einen Moment dachte ich auch «das wars jetzt». Ich ging zurück in die Ukraine und arbeitete eine Weile als Parkettleger. Doch dann rief mich Fredy Knie an. Seither arbeite ich während der Tournee in der Schweiz.

So tönt die Musik im Zirkus Knie (Ouvertüre und Finale)

Kommt die Musik für das neue Programm vor allem von Ihnen oder von den Artisten?

Dies ist gemischt. Die Familie Knie hat oft klare Vorstellungen von der Musik, die sie zu ihren Nummern möchte. Auch die auswärtigen Artisten kommen oft mit einem fertigen Programm zu uns, bei dem die Musik schon steht. Aber ich bringe natürlich auch Ideen ein, mache Veränderungsvorschläge. Bevor die Tournee beginnt, arbeite ich mit den Musikern zwei Wochen lang in Rapperswil. Zum Beispiel schauen wir uns dort ein Video von der neuen Pferdenummer an. Wir passen die Musik an die Nummer an und besprechen es dann.

Apropos Pferde: Ist es nicht schwierig, die Musik genau auf die Tiere zu timen?

Es ist unmöglich, dies genau zu planen. Wir haben verschiedene Melodiemuster, die zu den Nummern der Tiere passen. Die Musik wechselt, je nachdem ob die Pferde nach links gehen oder sich im Kreis drehen. Dies erfordert höchste Konzentration von mir und meinen Musikern. Ich habe ein Mikrofon und gebe ständig Anweisungen durch. Je nachdem, wie sich die Pferde verhalten, müssen wir sofort von einer Melodie in die andere wechseln.

Und werden die Tiere dabei nie nervös?

Es kommt natürlich immer wieder vor, dass einzelne Tiere besonders aufgeregt sind und sich anders verhalten. Da müssen wir sofort reagieren, die Musik zurücknehmen. Nummern mit Tieren sind für uns eine Herausforderung und brauchen viel Konzentration. Gleichzeitig sollte das Publikum nicht merken, dass oft Stress mit im Spiel ist. Die Musik muss auch passen, wenn ein Pferd nicht so will, wie es sollte. Aber ich glaube, das gelingt uns eigentlich ganz gut (lacht).

Ist das ständige Unterwegssein nicht anstrengend?

Mir gefällt es. Ich liebe die Abwechslung. Auch bin ich in meiner Freizeit gerne auf dem Fahrrad oder kraxle auf steile Berge. In der Schweiz sind die Voraussetzungen dafür optimal.

Und die Familie?

Meine Familie lebt in der Ukraine, wo meine Tochter internationale Beziehungen studiert und mein Sohn noch in die Primarschule geht. Aber während der Sommerferien sind sie normalerweise drei Monate mit mir und dem Zirkus Knie unterwegs.

Eine letzte Frage zum Schluss: Was ist das Verrückteste, das Sie je im Zirkus Knie erlebt haben?

Das war, wie wohl für die meisten Mitarbeiter, das Ausbüxen der Elefantendame Sabu in Zürich im Sommer 2015. War das eine Aufregung, bis wir sie wieder eingefangen hatten!

Hinweis: Der Zirkus Knie gastiert bis am 22. Juli auf der Luzerner Allmend. Mehr Informationen gibt es unter: www.knie.ch.

Zeltaufbau des Circus Knie in Luzern im Zeitraffer

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