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Luzern

In Luzern sind die Gemeindepräsidentinnen auf dem Vormarsch

Bei Legislaturstart im September stehen voraussichtlich in 20 von 82 Luzerner Gemeinden Frauen an der Spitze. Eine davon ist Hella Schnider: Die gebürtige Hamburgerin ist neu Gemeindepräsidentin von Flühli.
Hella Schnider-Kretzmähr ist am Sonntag zur neuen Gemeindepräsidentin von Flühli gewählt worden.
(Bild: Eveline Beerkircher (2. April 2020))

Evelyne Fischer

Noch vor einigen Wochen war sie parteipolitisch ein unbeschriebenes Blatt. Und nun erzielt Hella Schnider-Kretzmähr, 52, neue Gemeindepräsidentin von Flühli, von den sechs Kandidatinnen und Kandidaten auf Anhieb das zweitbeste Ergebnis hinter der bisherigen Sozialvorsteherin Vroni Thalmann (SVP). Sie überholt gar den amtierenden Ammann, CVP-Parteikollege Hans Lipp. «Ich habe mich sehr über das gute Resultat gefreut. Die Wähler sprechen mir viel Vertrauen aus», sagt Hella Schnider.

«Man hat nun sicherlich auch gewisse Erwartungen an mich.»

Schnider, vierfache Mutter, ist ab September eine von neu 20 Gemeindepräsidentinnen im Kanton. Zum Vergleich: Nach den Wahlen 2016 hielten erst in 15 Gemeinden Frauen das Zepter in der Hand. Das Entlebuch muss sich in der Frauenfrage alles andere als verstecken: Drei der neun Kommunen im Wahlkreis werden von Präsidentinnen geleitet, und in ebenso vielen Gemeinden gibt's Frauenmehrheiten in der Exekutive.

«Wir leben eben nicht hinter dem Mond», sagt Hella Schnider und lacht. «Dass Frauen das Sagen haben, sind sich unsere Gemeinden gewöhnt. So stehen zum Beispiel bei drei der sechs Bauernvereine Frauen an der Spitze.»

Gebürtige Hamburgerin verschlägt's ins Entlebuch

Schnider selbst präsidiert seit zwölf Jahren den Bäuerinnen- und Bauernverein Flühli-Sörenberg, sitzt auch im Kantonalvorstand. «In diesen Gremien sehe ich immer wieder, wie wichtig die Hintergrundarbeit ist.» Dies sei ein Grund für ihre Kandidatur gewesen. Hinzu kommt: Ihr Mann Peter erreicht nächstes Jahr das Pensionsalter, übergibt den Hof dem Sohn. «Das verschafft mir mehr Freiraum.»

Das Ja zum Gemeindepräsidium ist gewissermassen die zweite Liebeserklärung an Flühli. Die erste gab's vor 33 Jahren: Hella Schnider, gebürtige Kretzmähr, stammt ursprünglich aus Hamburg. Ihren Mann lernte sie während der Skiferien in Sörenberg kennen. Schnider absolvierte damals in Deutschland die Matura, liebäugelte mit einem Ägyptologie-Studium. «Aber Peter wollte nicht acht Jahre auf mich warten.» Also zog sie auf den elf Hektaren grossen Hof und weilte von Ende Mai bis Ende September mit der Familie jeweils mehrheitlich auf der Alp «Under Schwarzenberg», auf 1507 Metern über Meer.

Frauen holen in den Exekutiven auf

Das Beispiel von Hella Schnider zeigt: Frauen holen in den Exekutiven auf. Zwar lassen sich die statistischen Frauenanteile erst nach dem zweiten Wahlgang näher beleuchten. Aber bereits jetzt zeigt sich:

  • Die Zahl der Kandidatinnen steigt: Unter den 421 Gemeinderatsanwärtern waren 156 Frauen. Dies entspricht einem Anteil von 37,1 Prozent. Vor vier Jahren lag dieser noch bei 33,6 Prozent, es kandidierten 151 Frauen.
  • Reine Männerclubs sind passé: Nach den Wahlen 2016 gab's noch vier Gemeinden ohne Frauenvertretung. Nun stehen die Chancen gut, dass bei Legislaturstart am 1. September reine Männergremien verschwunden sind. Einzige Ausnahme: der dreiköpfige Männerrat von Altwis. Hier wird aufgrund der Fusion mit Hitzkirch erst am 27. September die neue Exekutive gewählt.
  • Es gibt immer mehr Frauenmehrheiten: Mindestens in 17 Gemeinden dürfte es bei Legislaturstart mehr Frauen als Männer in der Exekutive geben. Eingerechnet ist Willisau, wo nebst Stadtpräsidentin Erna Bieri-Hunkeler (FDP) zwei weitere Frauen im Gremium sitzen. Aufgrund der Fusion mit Gettnau finden auch hier erst Ende September Wahlen statt. 2016 waren die Frauen erst in neun Gemeinden in der Mehrheit.

Sechs der 17 Gemeinden mit Frauenmehrheiten finden sich im Wahlkreis Sursee, dazu gehört Knutwil. Da falle manchmal schon der eine oder andere Spruch, so die wiedergewählte Gemeindepräsidentin Priska Galliker (CVP): «‹Zum Glück gibt es noch den Gemeindeschreiber›, sagen meine Gemeinderatskollegen jeweils. Er sorge für ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis.»

Galliker sagt zum Wahlsonntag: «Es ist toll, haben es so viele Frauen geschafft.» Die 60-Jährige startet im Herbst in ihre dritte Legislatur. «Im Wahlkreis war ich lange die einzige Präsidentin.» Dass sie sich nun in guter Gesellschaft wiederfinde, zeige:

«Man hat als Gemeinderätin wohl doch eine gewisse Vorbildfunktion und kann neue Frauen motivieren, politische Ämter zu übernehmen.»

Auch in Flühli besteht neu eine Frauenmehrheit: Drei Bäuerinnen sind am Ruder. Wird nun anders politisiert? Hella Schnider ist gespannt. «Ich freue mich auf die Arbeit im Team und darauf, die Gemeinde weiterzuentwickeln.» Auf der Traktandenliste stehen bereits Auszonungen, die nötige Hallenbad-Sanierung oder die Suche nach einem neuen Vereinslokal. Und bis zum Amtsantritt fallen Schnider bestimmt noch einige Punkte ein, die sie anpacken will.

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