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Luzern

«Ein Abbau von Tieren ist kein Thema»

Markus Kretz ist neuer Präsident des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands. Der 44-jährige Schongauer setzt sich für eine produzierende Landwirtschaft ein.
(Bilder: Nadia Schärli (Schongau, 2. Oktober 2020))

Lukas Nussbaumer

 

Markus Kretz aus Schongau tritt als neuer Präsident des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands (LBV) in grosse Fussstapfen: Sein Vorgänger Jakob Lütolf war nicht nur mediales Aushängeschild der Landwirte, sondern auch ein bekannter CVP-Politiker: Kantonsrat, Gemeindepräsident von Wauwil, Nationalratskandidat. Der 44-jährige Kretz gehört keiner Partei an, was kein Nachteil sei, da er nicht in eine Schublade gesteckt werde, sagt der verheiratete Vater von drei Kindern. Hier ist er auf seinem Hof zu sehen:

Sein Hof ist Teil einer Betriebsgemeinschaft mit drei Partnern. Zusammen bewirtschaften die vier Teilhaber eine Fläche von gut 60 Hektaren und setzen auf Milchwirtschaft, Schweinezucht, Pouletmast sowie Futter- und Ackerbau. Sie produzieren wie rund 90 Prozent der Luzerner Landwirte nach den Massstäben des ökologischen Leistungsnachweises. Kretz, der neben der landwirtschaftlichen Ausbildung auch eine als Verkaufskoordinator hat, arbeitet in einem Teilpensum als Berater bei einer Futtermühle. Auf dem Hof arbeitet er vor allem bei Arbeitsspitzen, am Abend und am Wochenende – «dann, wenn die Angestellten gerne freihaben», wie der künftig höchste Luzerner Bauer lachend sagt.

Die Luzerner Bauern halten viel zu viele Tiere, sagen die Umweltverbände – und fordern eine Reduktion, damit etwa der Baldegger- und Sempachersee schneller gesunden. Sehen Sie das auch so?Markus Kretz: Es leben in der Tat viele Nutztiere im Kanton Luzern. Doch ein Abbau von Tieren ist für unseren Verband nach wie vor kein Thema, denn jeder Tierhalter muss für seinen Stall wie in allen anderen Kantonen auch ein Bewilligungsverfahren durchlaufen. Alle Bauten sind gesetzeskonform. Zudem müssen Betriebsleiter, die zu viele Nährstoffe produzieren, ihre Gülle oder ihren Mist an Betriebe mit weniger Tieren oder an Biogasanlagen abgeben.Es ist aber ein Fakt, dass die Mittellandseen mit zu vielen Nährstoffen aus der Landwirtschaft belastet wurden. Die Seen haben mit Altlasten zu kämpfen. Durch den Sedimentabbau auf dem Seegrund entsteht ein Sauerstoffmangel im Wasser, was das eigentliche Problem darstellt. Dass ein Kubikmeter Wasser des Baldeggersees heute nur noch 20 Milligramm Phosphor und nicht mehr 500 wie vor 50 Jahren enthält, ist auf die inzwischen gebauten Kläranlagen und auf die Massnahmen der Bauern zurückzuführen. Die Landwirtschaft wird auch in Zukunft ihren Beitrag an die weitere Gesundung der Seen leisten. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Image der Landwirte angeschlagen ist. Nicht nur wegen der Situation rund um den Baldegger- und Sempachersee, sondern auch wegen Gülleunfällen.Es ist auffällig, dass viele Medien nur auf negative Schlagzeilen aus sind und dass positive Entwicklungen in der Landwirtschaft nicht oder zu wenig aufgegriffen werden. So wird eine ausgebildete Berufsgruppe fast täglich irgendwo als Sündenbock hingestellt.Machen Sie es sich mit Ihrer Darstellung von den bösen Medien und den guten Bauern nicht etwas gar einfach?Es ist nun einmal so, wie ich es gesagt habe. Doch wir hinterfragen uns und unsere Arbeit selbstverständlich auch ständig. So ist es eines meiner Ziele, in die Öffentlichkeitsarbeit zu investieren. Wir müssen zeigen, was wir bereits heute alles leisten. Die Landwirte sollen endlich wieder eine Wertschätzung spüren für ihre unermüdliche Arbeit zugunsten der ganzen Bevölkerung. Leisten die Landwirte denn genug für die Ökologie?Die Landwirte sind verpflichtet, einen Teil ihres Lands als Biodiversitätsfläche auszuscheiden. Es gibt allerdings noch Potenzial, diese Flächen qualitativ aufzuwerten. Beispielsweise mit Hecken, Baumgärten oder Blumenwiesen.Sie gehören zu jenen Bauern, die relativ intensiv produzieren, und Sie sind auch kein Biolandwirt. Geht der Trend in der Agrarpolitik zu stark Richtung Ökologie?Eher zu stark, ja. Wir müssen in dieser Frage die richtige Balance finden. Es ist sicher nicht erstrebenswert, den heutigen Selbstversorgungsgrad von etwas über 50 Prozent wegen weiteren Extensivierungen zu senken.Dann sind Sie damit einverstanden, die Agrarpolitik 22+, die viel Wert auf eine weitere Ökologisierung legt, zu sistieren?Ja. Eine Vorlage, die eine Senkung des landwirtschaftlichen Einkommens und des Selbstversorgungsgrads vorsieht, kann man grundsätzlich nicht befürworten. Sie muss zwingend überarbeitet werden, denn ein noch tieferer Selbstversorgungsgrad muss unbedingt verhindert werden. Schliesslich hat das Stimmvolk vor etwas mehr als drei Jahren mit einem Jastimmen-Anteil von fast 80 Prozent einen Verfassungsartikel gutgeheissen, der die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sicherstellt.Die Preise für Milch und Getreide sind aber ausgesprochen tief, was den Bauern mit Direktzahlungen abgegolten wird. Also mit Mitteln, die höher ausfallen, wenn der Ökologisierungsgrad steigt.Direktzahlungen sind gemäss Bundesverfassung ein Entgelt für nicht marktfähige Leistungen der Landwirtschaft. Die Bauern haben ein Anrecht darauf. Der aktuelle Milchpreis beispielsweise befindet sich unter anderem wegen der Abhängigkeit vom europäischen Milchmarkt auf dem gleichen Niveau wie vor 60 Jahren. Davon profitieren auch die Konsumenten, indem sie heute nur noch 6,4 Prozent ihres Einkommens für Esswaren und alkoholfreie Getränke ausgeben. Damit gehört die Schweiz verglichen mit den Löhnen weltweit zu den Ländern mit den günstigsten Nahrungsmitteln.Die Konsumenten schreien aber nicht nur nach günstigen Lebensmitteln, sondern auch nach Bioprodukten. Und da befindet sich Luzern mit einem unterdurchschnittlichen Anteil an Biobauern im Rückstand. Soll der Biolandbau stärker gefördert werden?Derzeit gibt es mehr Bauern, die auf Bio umstellen wollen, als dafür ein Markt vorhanden ist. Wächst die Nachfrage nach Bioprodukten, werden die Landwirte auch einsteigen. Es braucht also keine besondere Förderung des Biolandbaus.Sie stehen einem Verband vor, dessen Mitgliederzahl laufend sinkt. Heute gibt es nur noch knapp 4500 Bauern im Kanton Luzern. Wie viele sind es 2030?Das ist schwierig zu sagen. Fakt ist, dass der Strukturwandel im Kanton Luzern langsamer abläuft als in anderen Regionen. Und zwar deshalb, weil die topografischen Verhältnisse und das Halten der vielen Tiere personalintensiv sind. Zudem sind die Luzerner Bauern seit jeher sehr innovativ und passen sich dem Umfeld an. So ist bei uns immer noch jeder elfte Arbeitsplatz direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängig, und der Kanton Luzern macht wertschöpfungsmässig rund zehn Prozent der Schweizer Landwirtschaft aus. Das gilt es zu bewahren.

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