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Luzern

Hitzkirch: Tanz auf drei Hochzeiten

Seit einem knappen Jahr leitet Cornel Raess eine Gemeinschaftspraxis in Hitzkirch. Demnächst dehnt er diese Tätigkeit nach Hochdorf und Eschenbach aus. Auch sonst schlagen in der Brust des Arztes mehrere Herzen.
Cornel Raess in einem Behandlungszimmer in der Gemeinschaftspraxis in Hitzkirch. Bild: Philipp Schmidli (16. Oktober 2018)

Ernesto Piazza

Einige Patienten holen Medikamente. Andere wiederum kommen zu Konsultationen vorbei. Häufig läutet das Telefon. Bei der Praxisgemeinschaft am Lindenberg an der Hitzkircher Bahnhof­strasse herrscht an diesem Morgen reger Betrieb.

«Wir haben viel zu tun», sagt Cornel Raess wenig später und lächelt. Seit letzten November leitet der 52-jährige gebürtige Appenzeller das Zentrum in der Seetaler Gemeinde. Neben ihm gehören vier Allgemein- und drei Spezialärzte, eine Ernährungsberaterin – alle mit Teilzeitpensen – sowie diverse medizinische Praxisassistentinnen zum Team. Zu den Räumlichkeiten zählen neben sechs Sprechzimmern inklusive Notfallzimmer auch eine Rezeption, eine Apotheke, ein Labor, ein Zimmer mit digitalem Röntgengerät, ein Ultraschallraum, Personalräume und eine separate Wohnung für die Administration.

Bauprojekt über Internet und Gemeindeinfo gefunden

Von 2013 bis 2017 führte Raess in Hitzkirch bereits die ehemalige Praxis von Alois Fischer. Er konnte sie von Dino Schlamp übernehmen, welcher sich entschieden hatte, nach Deutschland zurückzukehren. Als Einmannbetrieb gestartet, wuchs sein Personalbestand stetig an. Das war ganz in seinem Sinn. Denn allein zu arbeiten, sei für ihn nicht befriedigend. Der allgemein praktizierende Arzt sieht sich als Teamplayer. Der Austausch mit Berufskollegen ist ihm sehr wichtig.

Schon nach zwei bis drei Jahren am alten Standort arbeitend, suchte Raess wegen des stetigen Wachstums nach neuen Räumlichkeiten. Übers Internet und durch Information der Gemeinde fand er an zentraler Lage in Hitzkirch ein Bauprojekt. «Dieses sah auf vier Stockwerken Wohnungen vor», erinnert sich Raess, der den grössten Teil seiner praktischen medizinischen Ausbildung in Luzern absolvierte. Und er schaffte den Sprung auf den bereits rollenden Zug noch, durfte das gesamte Parterre übernehmen und dieses nach eigenen Ideen planen. Seine Kenntnisse in Architektur und die frühere Arbeit in diverse Praxen unterstützten ihn dabei. «Der Zeitplan war eng getaktet», erklärt er hinterher zur einjährigen Bauzeit. Für den Umzug war die Praxis lediglich während zweier Arbeitstage geschlossen.

Eine 70- bis 80-Stunden-Woche stellt für Raess keine Seltenheit dar. Doch er habe eine gute Konstitution und vor allem Freude an der Arbeit, sagt er. «Zudem komme ich zu genügend Schlaf, den ich benötige.» Und der dreifache, verheiratete und in Gelfingen wohnende Familienvater trennt Geschäft und Privat strikt. Zu Hause geniesst sein ihm nahestehendes Umfeld absolute Priorität. Dadurch könne er sich gut vom Tagesgeschäft lösen. Energie tankt Raess zudem bei den sportlichen Aktivitäten Tennis, Golf, Skifahren und Wandern.

Bevor sich der Arzt 2013 im Hitzkirchertal niederliess, verbrachte er drei Jahre in der Karibik. Aus der Dominikanischen Republik kommt nicht nur seine Frau, dort widmete er sich der Realisierung diverser Bauprojekte. Dabei konnte er viel Erfahrung sammeln. Vollumfänglich auf den Zweig zu setzen, kommt für ihn aber nicht in Frage. «Dem Menschen medizinisch zu helfen, ist eine zu faszinierende Tätigkeit.»

Hochdorf und Eschenbach: Im Frühling 2020 bereit

Im Seetal werden in den nächsten Jahren rund 30 000 Menschen leben. Raess sagt: «Um das Gebiet zum Beispiel mit einem gut funktionierenden Notfalldienst zu versorgen, sind zu wenig Ärzte vorhanden.» Weil er aber Visionär ist, weiss er: «Das Angebot muss in der Region vorhanden sein.»

Doch Raess ist nicht nur ein Mann mit Weitblick. Er packt auch selber an. Wie bei den beiden Gemeinschaftspraxen in Hochdorf und Eschenbach. Sie sollen im Frühling 2020 betriebsbereit sein. In dem Zusammenhang wollte ihn übrigens der Eschenbacher Gemeinderat für die Idee als Berater beiziehen. Aber Raess erklärt: Ein regionales Konzept mit drei Gemeinschaftspraxen im Seetal, welche eng zusammenarbeiten und nach dem gleichen Modell funktionieren, habe ihn fasziniert. «Und so übernahm ich gerne auch dort die Leitung des Projekts.» Solche Modelle hätten Zukunft, ist er überzeugt. «Heute möchten viele Ärzte Teilzeit arbeiten.» Diesem Wunsch könne damit entsprochen werden. «Zudem erhält eine Person die Möglichkeit, sukzessive Verantwortung zu übernehmen.» Man arbeite zwar in einem Team, sei aber grundsätzlich selbstständig. Und die Ärzte haben durch Übernahme von Aktien zu günstigen Konditionen die Gelegenheit, sich am Betrieb finanziell zu beteiligen und Mitinhaber zu werden. Für Cornel Raess ist weiter wichtig, dass seine Gemeinschaftspraxen nicht als Investorenlösungen geführt werden, sondern im Besitz und unter Kontrolle der dort arbeitenden Ärzte stehen. Dies bringe langfristige Bindung, Motivation und Identifikation mit dem Betrieb. Er selber sieht sich zu zwei Dritteln als Arzt, die restliche Arbeitszeit soll für Unternehmertum und Architektur reserviert sein.

In Hochdorf soll Walk-in-Praxis entstehen

Bei der Praxis in Hitzkirch spricht er von bisher ausschliesslich «positiven Erfahrungen». Die Hunderten von vorinvestierten Stunden hätten sich gelohnt. Im Zentrum von Hochdorf ist auch eine Art Permanence geplant, welche die Möglichkeit bietet, dass sich Patienten ohne Anmeldung im Notfall behandeln lassen können. Das heisst: Es soll eine sogenannte Walk-in-Praxis entstehen. Zusätzlich arbeiten im Medizinischen Zentrum Hochdorf , wie in Hitzkirch, diverse Spezialisten. So bekommt die Bevölkerung des Seetals für viele ambulante Konsultationen ihre Ansprechpartner vor Ort.

Weiter soll das Modell jungen Hausärzten Anreiz bieten, auf der Landschaft zu praktizieren. «Eine Voraussetzung ist aber, dass sie keine Eigenbrötler sind. Teamwork steht im Vordergrund», betont Raess. Bei seinen Arbeiten schätzt er vor allem die Vielseitigkeit. Langeweile mag der Arzt nicht. Daher muss auch Zeit sein, über nächste Visionen nachzudenken. Mehr will er dazu aber (noch) nicht verraten.

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