notifications
Luzern

Hingeschaut: Jugendstil-Prunk sollte reiche Mieter in den Maihof locken

Die Malereien an der Maihofstrasse 54–58 in der speziellen Sgraffito-Technik stellen den Lauf der Jahreszeiten dar. Der Mietpalast sollte repräsentatives Wohnen in den Stadtluzerner Aussenquartieren ermöglichen.
Nur der Blick nach oben offenbart die Fassadenmalereien an diesem Gebäude an der Luzerner Maihofstrasse. (Bild: Manuela Jans-Koch (Luzern, 24. Juli 2020))
Die Weinernte im Herbst (links und Mitte) wird mit einem Böllerschuss (rechts) gefeiert. (Bild: Manuela Jans-Koch (Luzern, 24. Juli 2020))
Hüpfend vor Kälte soll diese Figur die Winterzeit symbolisieren. (Bild: Manuela Jans-Koch (Luzern, 24. Juli 2020))
Auch diese Sgraffito-Malereien wurden im traditionellen Verfahren hergestellt. (Bild: Manuela Jans-Koch (Luzern, 24. Juli 2020))
Das Gebäude an der Maihofstrasse 54-58 ist ein repräsentativer Bau.
(Bild: Manuela Jans-Koch (Luzern, 24. Juli 2020))

Salome Erni

Salome Erni

Salome Erni

Salome Erni

Salome Erni

Salome Erni

Die Maihofstrasse in Luzern ist gesäumt von Geschäften, Restaurants und Coiffeursalons. Dazwischen stehen einige Gebäude, die mit ihrer Jugendstilfassade nicht so recht dazu passen mögen. Wenn der Blick von der gegenüberliegenden Strassenseite am imposanten Gebäude an der Maihofstrasse 54–58 hinauf wandert, bleibt er an schwarz-weissen Abbildungen hängen. Obwohl Busleitungen und vorbeifahrende Lastwagen die Sicht etwas hemmen und der Kopf in den Nacken gelegt werden muss, sind rundliche Gestalten auszumachen, die ernten, trinken, sich verweilen und auf dem Feld arbeiten.

Der Lauf der Jahreszeiten

Was in den zwanzig Bildern dargestellt ist, sind die vier Jahreszeiten: Wer von der Innenstadt her gegen Ebikon läuft, kann teils bekleidete, teils nackte Menschen mit kindlichen Proportionen bei Gartenarbeiten, Flötenspiel, Baumpflege und beim Kuscheln mit einem Hasen beobachten.

Blickt man frontal an die Fassade, sieht man rechts geerntete Getreidegarben, runde Äpfel und Figuren, die bei der Honigernte von einem Schwarm Bienen bedrängt werden. Auf den fünf linksseitigen Bildern wird der Herbst mit der Traubenernte und Weinherstellung symbolisiert. Was verwundern mag, ist die kleine Kanone, die da prangt. Im Buch von Jochen Hesse zur Luzerner Fassadenmalerei wird jedoch erklärt, dass der Böllerschuss wohl aus Anlass des Erntedankfests fällt.

Neben den von Überfluss und Kraft strotzenden Bildern hinterlässt die Nordostfassade einen wahrlich tristen Eindruck. Die zwar immer noch wohlgenährten Menschen sitzen jetzt scheinbar unglücklich und zusammengekauert an einem Feuer oder sind damit beschäftigt, Feuermaterial zu beschaffen. Eine der kleinen Gestalten hüpft vor Kälte.

Sgraffito im Maihof

Bei den Bildern handelt es sich um Sgraffito-Malerei. Nach dem Übertünchen des Grundputzes mit weissem Kalk wird das Motiv herausgekratzt und somit stellenweise wieder der dunkle Untergrund freigelegt. Diese ursprünglich italienische Technik wird in der Schweiz besonders mit den berühmten Engadiner Hausmalereien verknüpft. Dass auch im Maihof dieses Kunsthandwerk anzutreffen ist, sollte hingegen nicht erstaunen.

Historisierende Baustile waren zur Entstehungszeit des grossen Hauses an der Maihofstrasse sehr in Mode. Das Jugendstilgebäude wurde 1905 vom Architekten Carl Griot erbaut, der auch das Volkshaus Luzern – das heutige Hotel Anker – entwarf. In Luzern erlebten dekorative Fassadenelemente wie die Sgraffito-Malereien um die Jahrhundertwende eine späte Blüte – sie waren ein Statussymbol und symbolisierten die Einzigartigkeit eines Gebäudes.

Renoviert in den Achtzigerjahren, wurden die Sgraffiti wohl ebenfalls 1905 erstellt. Wer diese Arbeit ausführte, ist nicht überliefert. Jochen Hesse vermutet in seinem Buch aber, dass es sich um den Dekorationsmaler Fritz Strommayer handelte. Von ihm seien Bleistiftzeichnungen im Stadtarchiv Luzern aufbewahrt, die eine hohe Ähnlichkeit mit den Fassadenmalereien im Maihof aufweisen.

Reiche Mieter sollten in den Maihof

Verbunden mit der Stadt durch eine Tramlinie wurde der Maihof gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einem Wohnquartier. In Luzern herrschte zu dieser Zeit eine rege Bautätigkeit. Die städtischen Hügelgebiete wurden dichter besiedelt und auch das Quartier Hirschmatt entstand. Mit den pompösen Bauten am Maihof wollte man «bessere Mieter» in das neue Quartier locken. Elegante Wohnungen gab es sonst nur in der Innenstadt. Dank des mit Sgraffiti verzierten Mietpalasts und seinen Jugendstil-Nachbarn konnte nun auch in Aussenquartieren chic gewohnt werden.

Übrigens ist an der abgewandten Fassade keine Malerei angebracht – als Augenweide für die Bewohnerinnen und Bewohner war sie wohl tatsächlich nicht gedacht. Da die Sgraffito-Verzierungen anscheinend nur repräsentativen Zwecken dienten, wurde die von der Öffentlichkeit unbeachtete Rückseite vernachlässigt.

Kommentare (0)