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Luzern

FDP fordert gesetzliche Grundlagen für die Sterbehilfe im Kanton Luzern

Immer mehr Luzernerinnen und Luzerner lassen sich von einer Sterbehilfeorganisation in den Tod begleiten. Richtlinien setzt der Kanton jedoch keine – das stört die FDP. Deren Kantonsrätin Helen Schurtenberger sagt gar, der Kanton nehme seine Verantwortung nicht wahr.

Die Zahl der begleiteten Freitode nimmt markant zu. Und zwar landesweit genauso wie im Kanton Luzern. War ein assistierter Suizid im Kanton Luzern 1998 noch kein Thema, registrierte das Bundesamt für Statistik 20 Jahre später 42 Personen, die auf diese Weise gestorben sind. Das entspricht 1,34 Prozent aller Todesfälle – deutlich weniger als im landesweiten Durchschnitt. Die Zahl der Selbsttötungen ist im langjährigen Vergleich stabil. Die Entwicklung in der Grafik:

Für die Menznauer FDP-Kantonsrätin Helen Schurtenberger ist das Grund genug, das Thema aufs politische Parkett zu bringen. Sie verlangte von der Regierung in ihrer im letzten September eingereichten Anfrage nicht nur Zahlen, sondern stellte auch mehr als ein halbes Dutzend Fragen. Beispielsweise jene, ob der Kanton Luzern in Alters- und Pflegeheimen sowie in Spitälern Richtlinien für die Zulassung von Suizidhilfe anbietet. Die Antwort lautet: nein. Die Handhabung und die allfällige Zulassung von assistiertem Suizid sei «Sache der jeweiligen Institutionen», hält das für dieses Geschäft zuständige Gesundheits- und Sozialdepartement fest.

Noch vor zweieinhalb Jahren sagte Gesundheitsdirektor Guido Graf gegenüber unserer Zeitung, es sei «angezeigt, dass wir prüfen, ob wir Richtlinien für Spitäler erarbeiten wollen». Helen Schurtenberger möchte jedoch nicht weiter prüfen, sondern handeln. «Es wäre richtig, wenn gesetzliche Grundlagen geschaffen würden, damit alle Institutionen die gleichen Regeln haben.»

Andere Kantone kennen Regeln. Beispielsweise Neuenburg, wo Alters- und Pflegeheime, die öffentliche Gelder erhalten, begleitete Suizide anbieten müssen. Auch in Genf und in der Waadt müssen Patienten in öffentlichen Spitälern sowie Alters- und Pflegeheimen ihrem Leben unter Begleitung selber ein Ende setzen können. In Zürich, Basel-Stadt, dem Wallis oder Tessin sprachen sich die Kantonsparlamente gegen Regeln aus.

Luzerner Heime müssen keine begleiteten Suizide zulassen

Doch wie halten es die Alters- und Pflegeheime im Kanton Luzern? Sie orientieren sich an einem Grundlagenpapier von Curaviva Schweiz, dem Dachverband der Heime in der Schweiz, schreibt die Regierung auf die entsprechende Frage von Schurtenberger. Demnach können Institutionen nicht verpflichtet werden, begleitete Suizide in ihrem Zuständigkeitsbereich zuzulassen. Falls Bewohnerinnen oder Bewohner jedoch ausserhalb der Institution über keinen weiteren Lebensort verfügen, sollte die Möglichkeit bestehen, den assistierten Suizid hausintern durchzuführen. Curaviva plädiert ausserdem für Transparenz: Will ein Heim einen begleiteten Suizid in seinen Räumen nicht zulassen, sollte es dies gegenüber den Bewohnern beim Eintritt klar zum Ausdruck bringen.

Klar sind die Regeln im Luzerner Kantonsspital, wie Sprecher Markus von Rotz auf Anfrage sagt. Suizidbeihilfe bei Patientinnen und Patienten innerhalb des Spitals sei «gestützt auf eine interne Weisung nicht möglich». Bei Personen, die dennoch den Wunsch nach einem begleiteten Freitod aussprechen, sei es das «Bestreben des Spitals, im gemeinsamen Gespräch individuelle Lösungen zu finden». Laut dem Gesundheits- und Sozialdepartement sind Spitäler jedoch nur «äusserst selten mit der Frage nach einer Freitodhilfe konfrontiert».

«Der Kanton nimmt die Verantwortung nicht wahr»

Kein Thema ist für die Luzerner Regierung der Einsatz für eine weitere Liberalisierung und Entkriminalisierung der Suizidhilfe auf Bundesstufe. Die Schweiz kenne im internationalen Vergleich bereits eine sehr liberale rechtliche Ausgestaltung. In vielen europäischen Ländern dagegen sei der begleitete Freitod illegal, weshalb immer wieder Menschen in die Schweiz kämen, um hier begleitet zu sterben, schreibt die Regierung. Das sei nicht zufriedenstellend, sagt Helen Schurtenberger, deren Vorstoss neben ihren Fraktionskollegen auch von Mitgliedern der CVP, der SP und der Grünen unterzeichnet wurde. «Der Kanton nimmt die Verantwortung nicht wahr. Es braucht wegen des Sterbetourismus eine Gesamtlösung.»

Einverstanden ist das 55-jährige Mitglied der kantonsrätlichen Kommission für Gesundheit, Arbeit und soziale Sicherheit damit, dass der Kanton Luzern Sterbehilfeorganisationen weder finanziell unterstützt noch ihnen Räume zur Verfügung stellt. Ihr gehe es ausschliesslich um Regeln, die der Kanton in Zusammenarbeit mit einer Ethikkommission schaffen solle.

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