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Luzern

«Ein warmes Daheim auf Zeit»: Das Kinderheim Titlisblick wird 75

Ein Jahr nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Kinderheim Titlisblick gegründet. Anfänglich wurden vor allem uneheliche Kinder aufgenommen – das ist heute anders.
2011 wurde das Haus am Wesemlinring saniert. (Bild: Kinderheim Titlisblick)
Heimleiterin Judith Haas
Das Kinderheim Titlisblick befand sich 22 Jahre an der Titlisstrasse 2. (Bild: Stadtarchiv Luzern)

Kathrin Brunner Artho

Kathrin Brunner Artho

Kathrin Brunner Artho

Auf der Spielwiese im Garten des Kinderheimes Titlisblick liegen die Velos und Trottinetts neben Traktoren und Bobbycars. Das fröhliche Lachen der Kinder vermischt sich mit den fürsorglichen Rufen der Betreuenden.

Heimleiterin Judith Haas steht neben dem Sandkasten und lässt ihren Blick über den Garten wandern. Es wird grilliert – und gefeiert. Die Gruppe Delphin hat ein «Hamburger Essen» vorbereitet. Das Kinderheim wird nämlich dieses Jahr 75 Jahre alt.

Das jüngste Kind ist gerade mal acht Monate alt

27 Kinder kann das Heim am Wesemlinring aufnehmen. Sie leben in altersdurchmischten Gruppen und werden von Fachfrauen, Betreuung und Sozialpädagogen betreut. «Wir haben neben drei Wohngruppen auch eine Notaufnahme, diese kann Säuglinge ab vier Tage innerhalb einer Stunde aufnehmen», sagt Judith Haas. Das jüngste Kind, das sich in der Obhut des Titlisblick befindet, ist gerade mal 8 Monate alt, das Älteste ist 7 Jahre.

Der Eintritt der Kinder ins Heim ist jeweils für alle eine belastende Situation. Zunächst geht es darum, dem Kind Schutz und Sicherheit zu geben. Doch die Beziehung zu den Eltern bleibt ebenfalls wichtig. Jede Mutter und jeder Vater darf das Kind zwei bis drei Mal in der Woche besuchen.

«Im Durchschnitt bleibt ein Kind zwei Jahre im Heim», so Haas. Nach der Zeit im Titlisblick gehen die Kinder entweder nach Hause zurück, in eine Pflegefamilie – oder man sucht einen Platz in einer anderen Institution. Der Entscheid, ob und wann ein Kind in die eigene Familie zurückkehren kann, liegt bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB).

Es klopft und ein Junge streckt seinen Kopf ins Büro der Heimleiterin. Ob sie auch einen Tee wolle, fragt er und hält einen Berg Teebeutel in seinen kleinen Händen. Judith Haas lacht, lehnt dankend ab. Bevor der Junge den Raum verlässt, schielt er zu den Stofftieren, die auf dem Regal stehen. Er darf sich eins aussuchen. Judith Haas strahlt und sagt:

«Mir ist es wichtig, die Kinder zu kennen. Ihre Lebensfreude ist sehr ansteckend.»

Gegründet wurde das Titlisblick im Jahre 1946 von Agnes Eggerschwiler. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahm sie 35 Kinder auf. Sieben Jahre leitete sie das Kinderheim, bis sie ihr Amt 1953 weitergab.

Kinderheim musste zwei Mal umziehen

In den 75 Jahren musste das Kinderheim Titlisblick zwei Mal seinen Standort wechseln, blieb aber immer im Wesemlin-/Dreilindenquartier. Anfänglich stand es an der Landschaustrasse. 1953 wurde das Kinderheim von der Caritas übernommen. Wegen mangelnden Brandschutzes musste es 1955 umziehen und zog an die Titlisstrasse.

Wegen Platznot wurde später erneut ein neuer Standort gesucht. Fündig wurde man am Wesemlinring. 1977 konnte das Kinderheim im dortigen Neubau einziehen.

Gründerin hatte selber Kinder

Es sollen vor allem uneheliche Kinder gewesen sein, die damals 1946 aufgenommen wurden. Laut Angaben der «Luzerner Neuste Nachrichten» aus dem Jahre 1975 war Agnes Eggerschwiler-Gmür verheiratet und hatte selber Kinder. Vermutlich sah sie die Not und handelte aus Nächstenliebe.

Im Unterschied zu damals befinden sich heute mehrheitlich Kinder aus sehr belasteten Familienverhältnissen im Heim. Die Mütter und Väter der Kinder leiden oftmals an einer psychischen Krankheit oder an einem Suchtproblem. Häufig führt auch häusliche Gewalt zu einer Aufnahme im Kinderheim Titlisblick.

Vom 5. bis 7. November öffnet das Kinderheim Titlisblick seine Türen und zeigt die biografische Performance «Heimkind – und jetzt?» Infos und Reservation für die Gratistickets sind hier möglich.

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