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Luzern

Eichwäldli-Hausbesetzer wollen trotz Räumungsaufforderung in der alten Soldatenstube bleiben

Die «Familie Eichwäldli» meldete sich per Online-Konferenz. Es gebe keinen Grund, die frühere Soldatenstube am Murmattweg abzureissen. Die Bewohner fordern eine massvolle Instandhaltung des Gebäudes.
Die alte Soldatenstube am Murmattweg 2 in Luzern (hinten das AAL Allmend).  (Bild: Pius Amrein (Luzern, 24. November 2020))

Hugo Bischof

Es mutete wie eine Satire-TV-Sendung an, doch die Aussagen waren durchaus ernst gemeint. Die «Familie Eichwäldli», die seit rund zwei Jahren die einstige Soldatenstube am Murmattweg 2 in Luzern bewohnt, lud am Donnerstagvormittag zu einer digitalen Live-Medienkonferenz. «Es gibt keinen Grund, das Gebäude abzureissen», sagte Lou Schwiftig* eine der Sprecherinnen und Sprecher der Gruppe, die offenbar nicht unter ihren wirklichen Namen, sondern unter Pseudonymen vor die Kamera traten, in etwas antiquiert wirkenden Anzügen und teils mit Perücken. Sie machten klar, dass sie in der Soldatenstube bleiben wollen, trotz Aufforderung der Stadt Luzern, das Gebäude bis spätestens Ende Januar 2021 zu räumen.

Martin Wüthrich, ein weiterer Sprecher, betonte:

«Es ist ein rein politischer Entscheid der Stadt Luzern, das Gebäude abzureissen.»

Die Soldatenstube lasse sich entgegen den Aussagen der Stadt mit verhältnismässigem Aufwand instandhalten. Einige Massnahmen hat die Stadt notfallmässig bereits durchgeführt, unter anderem wurden Holz-Stützpfähle an den Aussenfassaden angebracht. An der Online-Konferenz erläuterte die Besetzergruppe auf einem Aussenrundgang einige dieser Massnahmen. «Wir haben der Stadt angeboten, das Gebäude im Baurecht zu übernehmen», sagte Wüthrich. «Das würde auch bedeuten, dass wir die Kosten übernehmen.»

Den Vorwurf, nicht gesprächsbereit zu sein, wiesen die Hausbesetzer vehement zurück. Andrin Eicher, ein weiterer Sprecher betonte:

«Wir bemühen uns seit zwei Jahren, offen zu kommunizieren.»

Sie hätten die Stadt und den von ihr mit einem Gutachten beauftragten Ingenieur zu einem Gespräch eingeladen, erklärte Jean-Pierre Sommer, ebenfalls Mitglied der «Familie Eichwäldli». Er fügte hinzu: «Auf eine Antwort der Stadt warten wir noch immer.»

Im Sommer 2018 als Untermieterin eingezogen

Die «Familie Eichwäldli» war im Sommer 2018 als Untermieterin des damaligen Mieters in die Soldatenstube eingezogen. Mit dem Ende des Mietvertrages Ende 2018 rief die Gruppe die Besetzung des Gebäudes aus. Nach Gesprächen im Frühling 2019 und der Räumung des Anbaus aus Sicherheitsgründen schloss die Stadt mit den Hausbesetzern einen befristeten Gebrauchsleihvertrag für den Hauptteil des Gebäudes ab. Dieser wurde später um ein Jahr bis zum 30. September 2020 verlängert. Der abgelaufene Gebrauchsleihvertrag wurde von der Stadt danach nicht weiter verlängert, und der «Familie Eichwäldi» wurde eine Frist bis zum 31. Januar 2021 gewährt.

Stadt Luzern beharrt auf Abriss des Gebäudes

Marko Virant, Leiter Immobilien der Stadt Luzern, sagte am Donnerstag auf Anfrage: «Die Soldatenstube wurde 1936 sehr schnell für Soldaten als Baracke zum Ausschank alkoholfreier Getränke erstellt. Sie entsprach bereits zu dieser Zeit nicht dem Stand der damaligen Bautechnik, insbesondere was die Gründung und das Fundament betrifft.» Bereits sechs Jahre nach der Erstellung seien grössere Baumängel aufgetreten, darunter Fäulnisschäden. Laufende Um- und Anbauten hätten die statische Situation zusätzlich «sehr verschlechtert».

Das habe dazu geführt, «dass sich das Gebäude heute aufgrund des schwimmenden Untergrunds nicht nur einseitig zentimeterweise absenkt, sondern auch begonnen hat, um die eigene Achse zu drehen», sagt Virant. Die Wurzeln eines angrenzenden Baums und die wechselnden Höhen des Grundwasserspiegels würden mit zunehmender Intensität die Statik des Gebäudes gefährden:

«Die schräge, verdrehte Absenkung des Gebäudes kann in nächster Zukunft statisch nicht mehr aufgefangen werden.»

Für Virant ist deshalb klar: «Das Gebäude ist mit vernünftigem Aufwand nicht zu sanieren.» Es müsse rückgebaut, also abgerissen werden.

Das Areal dient der Stadt als Landreserve für zukünftige Bedürfnisse. Deshalb steht es für mehr als zehn Jahre für eine Zwischennutzung zur Verfügung. Der Stadtrat sieht darauf mittelfristig eine quartiernahe Nutzung für KMU, Kleingewerbe und Kultur. Kurzfristig soll das Areal ab Frühling 2021 durch die Quartierbevölkerung belebt werden. Ein Angebot der Stadt, mit Wohnwagen auf dem Gelände zu bleiben, hat die «Familie Eichwäldli» abgelehnt.

Was passiert, wenn die Soldatenstube-Bewohner nicht ausziehen?

Was passiert, wenn die «Familie Eichwäldli» sich Ende Januar weigert, das Gebäude zu verlassen? «Wir gehen davon aus, dass sie der Aufforderung nachkommen werden», sagt dazu Marko Virant. «Falls sie dies nicht tun, wird der Stadtrat über die Einleitung von Folgeschritten entscheiden.» Virant betont, dass die Bewohner der Soldatenstube für die Stadt derzeit nicht als Hausbesetzer gelten, «da wir unsererseits die Frist erstreckt haben». Zur Situation und zum Vorgehen Ende Januar 2021 könne man derzeit noch keine definitive Aussage machen, erklärten die Vertreter der «Familie Eichwäldli» an ihrer Online-Medienkonferenz.

*Alle Mitglieder der «Familie Eichwäldli», die an der digitalen Medienkonferenz Auskunft erteilten, traten mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht mit ihren wirklichen Namen, sondern unter Pseudonymen vor die Kamera. Bestätigen wollten sie dies auf Anfrage nicht.

Die Online-Medienkonferenz zum Nachschauen:

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