notifications
Luzern

Der schwere Abschied der Buchrainer von ihrer Post

Die Poststelle Buchrain ist Geschichte. Künftig muss eine Ecke im Spar-Laden reichen. Der ehemalige Posthalter Ruedi Püntener hat zum Abschied eine kleine Chronik verfasst – gespickt mit Fotos, historischen Dokumenten und auch Kritik.
Der ehemalige Posthalter von Buchrain, Ruedi Püntener, vor dem Schieberhüsli an der Unterdorfstrasse 21. Hier befand sich von 1868 bis 1878 die erste Poststelle von Buchrain. (Bild: Boris Bürgisser, Buchrain 15. Februar 2019)

Roman Hodel

Es ist ein bewegender Moment: Eine Viertelstunde vor der endgültigen Schliessung betritt Ruedi Püntener am 8. Februar ein letztes Mal die Poststelle Buchrain im Einkaufszentrum Tschannhof. Am einem Schalter gibt ein Kunde «einen Eingeschriebenen» auf, am anderen nimmt jemand Einzahlungen vor. Als der letzte Kunde um 18 Uhr die Post verlässt, drückt die Poststellenleiterin Elisabeth Schwegler auf den Knopf, um die beiden Eingangstüren zu verriegeln. «Dann wird es still. Die drei Angestellten sehen sich ratlos an, ohne etwas zu sagen.» So beschreibt Püntener die Szene in seiner kleinen Chronik «150 Jahre Post in Buchrain». Diese hat der 90-Jährige – man würde ihm das Alter nie geben – selber am Computer geschrieben, mit Fotos sowie historischen Dokumenten ergänzt und gestaltet.

Dass weder von der Post noch von der Gemeinde jemand da ist, um sich in diesem Moment von den teils langjährigen Angestellten zu verabschieden, ärgert ihn: «Die drei Frauen hätten in diesem Moment eine kleine Aufmerksamkeit und einen Händedruck verdient gehabt.» Die Schliessung geht Püntener nahe, schliesslich amtete er von 1968 bis 1992 selber als Poststellenleiter in Buchrain, damals hiess die Funktion noch Posthalter. Er betont aber: «Mir ist klar, dass die Post heute anders ‹gschäfte› muss, weil sich das Kundenverhalten stark verändert hat.» Dazu kann er auch sich selber zählen. Püntener erledigt etwa seine Einzahlungen längst via Internet – und das mit 90 Jahren.

Differenzen zwischen Posthalter und Hausbesitzer

Das Internet war noch weit weg, als 1869 die erste Poststelle von Buchrain eröffnet wurde – und zwar im sogenannten Schieberhüsli an der Unterdorfstrasse 21. Aus Platzgründen folgte 1878 bereits der Umzug ins Kolbenhüsli an der Leisibachstrasse. Dort verblieb die Poststelle für 72 Jahre. Wie der Chronik zu entnehmen ist, gab es am Ende Differenzen zwischen dem Hausbesitzer und dem damaligen Posthalter, weswegen dieser 1950 ebenfalls an der Leisibachstrasse einen Neubau erstellte. 1968 stand wieder ein Umzug an. Grund: Weil Buchrain stürmisch wuchs, wurde es am bisherigen Standort erneut zu eng. Zudem wollte der in Pension gehende Posthalter sein Lokal nicht hergeben. Mangels Alternative musste zunächst ein Provisorium bei der Kirche reichen. Damit begann auch die Ära von Ruedi Püntener als Posthalter.

Der gelernte Postbeamte erinnert sich noch gut ans Bewerbungsverfahren, 33 hätten sich um «diese attraktive Stelle» beworben. Buchrain sei die am schnellsten wachsende Gemeinde im Kanton gewesen. Die drei Favoriten mussten damals noch beim Gemeindeammann, «einem Erzliberalen», vorsprechen – dieser meldete der Kreispostdirektion dann, wer ihm genehm war. Der Ammann habe ihn gefragt, wo er politisch stehe. Püntener: «Ich antwortete ihm, dass ich als gebürtiger Urner neutral sei.» Daraufhin habe er ihn gefragt, wieso er dann das «Vaterland» abonniert habe. Er sagt:

«Ich war erstaunt, dass er das wusste und antwortete, dass es einfach eine gute Zeitung sei.»

Der Gemeindeammann habe gesagt, er lese sie auch. Zwei Wochen später wurde Püntener als Posthalter gewählt. Zu jener Zeit galt der Posthalter im Dorf noch etwas – neben dem Pfarrer und dem Lehrer. Püntener nickt und sagt: «Es gab sogar welche, die sprachen mich mit ‹Herr Posthalter› an.» Beliebt war Püntener zudem bei den vielen Gastarbeitern aus Italien. Da die Urner in der Schule früh Italienisch lernten, beherrschte er die Sprache. «Noch heute grüssen mich ältere Italiener auf der Strasse mit ‹ciao Postino›», sagt Püntener und schmunzelt. Ein Höhepunkt war für ihn der Umzug der Poststelle 1974 vom Provisorium ins Gemeindehaus. Dieses bot endlich genug Platz. Bloss die Schalterhalle war etwas kahl.

Das änderte Püntener bald. Als ein Fotograf die Bilder eines grossen Scheunenbrandes in der Schalterhalle ausstellen wollte, klopfte der Posthalter bei der Kreispostdirektion an. Diese gab grünes Licht. Und so fanden in der Post Buchrain regelmässig Ausstellungen statt – von Schmetterlingen des Naturmuseums Luzern über Marionetten einer Künstlerin bis zu Briefmarken mit Tiermotiven. «Sogar die LNN berichtete dann und wann darüber», sagt Püntener.

Die letzte, 1996 eröffnete Poststelle im Tschannhof hat Püntener nicht mehr im Dienst erlebt – vier Jahre zuvor ging er in Pension. Aber als Kunde blieb er ihr selbstverständlich treu. Künftig wird er seine Postgeschäfte im Spar-Supermarkt Tschannhof erledigen müssen. Die Post hat dort eine Agentur eingerichtet mit einem beschränkten Angebot – wie vielerorts im Land, wo die Poststelle nicht mehr rentierte. Er sagt:

«Schade, die Post war im Dorf ein wichtiger Ort der Begegnung und Diskussion.»

Entsprechend nachdenklich stimmen ihn Aussagen wie etwa jene des ehemaligen Post-VR-Präsidenten Peter Hasler vor drei Jahren, wonach es nicht Aufgabe der Post sei, «soziale Treffpunkte in abgelegenen Gemeinden» zu betreiben. Püntener sagt: «Das ist schlicht unverschämt.»

Kommentare (0)