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Luzern

Das sagen Touristen zu den leeren Giebeln der Kapellbrücke

In der Politik werden hitzige Gefechte über die Bilder auf der Kapellbrücke ausgetragen. Touristen interessieren diese Diskussionen aber nur am Rande – Hauptsache die Brücke als Ganzes gibt ein tolles Fotosujet her.
Touristen auf der Kapellbrücke. Nur wenige blicken nach oben in die leeren Brückengiebel. (Bild: Philipp Schmidli (Luzern, 29. Juli 2018))

Luca Merlo

Die aus dem 14. Jahrhundert stammende Kapellbrücke ist eines der meistfotografierten Fotosujets der Stadt Luzern und vor allem bei Touristen äusserst beliebt. Ein Europa-Trip ohne Selfie mit Kapellbrücke – fast undenkbar. Doch ganz so schmuck wie vor dem Brand kommt die Touristenattraktion nicht mehr daher. Denn die meisten historischen Giebelbilder fielen 1993 den Flammen zum Opfer. Die Brückenjoche sind seither leer. Seit dem Wiederaufbau der Brücke wird darüber gestritten, wie die leeren Bilderrahmen aufgefüllt werden sollen (siehe Chronologie unten). Zurzeit hängen nur die vom Brand verschonten Bilder auf der Brücke – plus einige vorher ausgelagerte Originale.

Was sagen Touristen und einheimische Passanten zu den leeren Giebeln? Eine Umfrage unserer Zeitung zeigt: Die meisten Feriengäste wissen wenig über die Geschichte der Brücke. Die dreieckigen Holzbilder werden nicht gross beachtet. Auch über den Brand wissen viele nicht Bescheid. Susan Davies aus den USA meint: «Ich habe die Bilder nicht bewusst wahrgenommen. Ich finde es einfach eine wunderschöne Brücke.» Auch Sarah und Paul Libassi aus den USA wussten nicht, dass die Brücke vor 25 Jahren abbrannte. Die Lücken in den Giebeln sind ihnen aber nicht entgangen: «Wir haben uns gefragt, was mit den Bildern los ist. Ob die vielleicht teilweise abgehängt wurden?» Auf die Frage, ob sie ein kompletter Bilderzyklus interessieren würde, meint Paul: «Eventuell schon, aber wir könnten die Bildunterschriften ja sowieso nicht lesen.» Man könnte ja englische Untertitel dazu fügen, meint Sarah.

Auch bei Leuten aus der Region spielt der historische Bilderzyklus eine untergeordnete Rolle. Eine Passantin aus Stans, die mit ihren Kindern einmal die Brücke ablaufen will, meint: «Ich habe noch nie gross auf die Bilder geachtet. In der Zeitung konnte man zwar etwas über die Kopien lesen. Aber das interessiert mich nicht besonders.» Das Brandereignis von 1993 hingegen ist vor allem den Luzernern noch sehr präsent.

«Das gehört zum Stadtbild»

Hans-Jörg Becker aus Deutschland ist zum zweiten Mal in Luzern. «Ich habe vom Brand gehört», sagt er. Auch die Bilder habe er sich angeschaut, wenn auch nicht im Detail. «Aber ich finde, man sollte alle Bilder des historischen Zyklus sehen. Dann kann man sich vorstellen, wie es früher war. Das gehört zum Stadtbild.» Angesprochen auf die in privater Initiative entstandenen, vom Stadtrat aber abgelehnten Bildkopien, meint Becker: «Wenn man die Kopien schon hat, sollte man sie auch aufhängen.» Seine Frau Claudia ist erstmals in Luzern. Auch sie findet, man sollte mit den Bildern «etwas an die Nachwelt weitergeben – vielleicht könnte man die alte Geschichte neu darstellen, mit Interpretationen von heutigen Künstlern. So bleibt die Kernaussage erhalten; aber man sieht auch, dass es etwas Neues ist».

Auch bei Luzern Tourismus macht man die Erfahrung, dass die Brücke vor allem als Fotosujet bekannt ist. Sibylle Gerardi, Leiterin Unternehmenskommunikation, sagt: «Die Brücke mit dem Wasserturm ist weltweit bekannt; das merkt man auch oft, wenn man im Ausland unterwegs ist.» Der Hintergrund des Bilderzyklus sei aber nicht allen Gästen bekannt. «Ich denke, das interessiert vor allem speziell kunst- oder geschichtsaffine Leute. In erster Linie kennt man die Brücke einfach von aussen.» Dennoch thematisiert Luzern Tourismus die Bilder zum Beispiel im Rahmen der klassischen Stadtführung, die etwa zwei Stunden dauert und in Englisch und Deutsch angeboten wird. Auf dieser Führung wird auch der Brand von 1993 erwähnt. «Dieser scheint aber schon weit weg zu sein», sagt Gerardi. «Damals ging das Ereignis um die ganze Welt, inzwischen ist es wohl ein bisschen in Vergessenheit geraten.»

In vielen ausländischen Reiseführern weiss man vom Brand offensichtlich nichts. Im «Culture Trip», einem Reiseführer aus London, der Luzern als attraktive «Taschenausgabe der Schweiz» preist, heisst es zur Kapellbrücke, diese sei innen auf ihrer ganzen Länge («all along») «mit einer Reihe von dekorativen Gemälden geschmückt», die sich auf einem Rundgang «bewundern lassen».

Fast alle der ursprünglich 158 Kapellbrückenbilder – einige gingen im Lauf der Zeit verloren, andere kamen dazu – sind zwischen 1614 und 1625 entstanden. Mit den Bildern propagierten die Luzerner Stadtoberen in der Zeit der Gegenreformation die Treue zur katholischen Kirche. Die Bilder zeigen Darstellungen aus der luzernischen und eidgenössischen Geschichte, aber auch aus dem Leben des heiligen Leodegar sowie aus der Legende des zweiten Stadtheiligen Mauritius.

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